Wo das herkommt, gibt es noch viel mehr: Reiner Wilhelm (li.) und Ekkehard Fauth sind begeistert vom Erdölfund in Aidlingen. Foto: Stefanie Schlecht

Reiner Wilhelm war enttäuscht, als er seine Autowaschanlage im Aidlinger Gewerbegebiet wegen des sich absenkenden Bodens abreißen lassen musste. Doch die anschließende Entdeckung ließ ihn wieder lächeln: Unter seinem Grundstück lagert ein Erdöl-Vorkommen ergiebiger Natur.

Reiner Wilhelm traute seinen Ohren kaum, als er den Anruf auf seinem Handy entgegennahm. Am anderen Ende der Leitung: das Wasserwirtschaftsamt mit einer wichtigen Nachricht. Die Landkreis-Behörde teilte dem Aidlinger mit, dass sich eine Erkundungsbohrung auf seiner Baustelle im Gewerbegebiet lohnen würde. Der Verdacht: Unter dem Gelände könnte ein beträchtliches Erdölvorkommen lagern.

Das ist dann wohl der klassische Fall vom Glück im Unglück. Die Waschanlage „Wilhelmstraße“ bei der Oberen Mühle musste nämlich zwangsweise abgerissen werden, weil sich die Fläche darunter abgesenkt hatte. Das sollte mit Pfählen abgefangen werden, bevor eine Bodenplatte über dem gesamten Gelände für Stabilität gesorgt hätte.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Mehrere deutsche Meister in Aidlinger Reihen

„Das Wasserwirtschaftsamt hat uns aber um größte Vorsicht gebeten“, erzählt Reiner Wilhelm. „Denn wenn bei den Arbeiten die vermutete ölführende Schicht mit dem Grundwasser in Berührung kommen würde, wäre das ein echtes Desaster.“ Aidlingen ist schließlich stolz auf seine Eigenversorgung mit Wasser, tausende Haushalte wären im schlimmsten Fall plötzlich ohne dagestanden.

Also gab Wilhelm die angeratenen Erkundungsbohrungen in Auftrag, und siehe da: „Wir waren sehr überrascht, als wir bereits in einer Tiefe von 87 Metern auf eine Ölquelle ergiebiger Natur gestoßen sind.“

Alles unterhalb von 15 Metern gehört der Gemeinde

Er setzte sich sofort mit Bürgermeister Ekkehard Fauth in Verbindung. Denn auch wenn das Grundstück in seinem Besitz liegt, gilt die Regel, dass alles unterhalb von 15 Metern der Gemeinde gehört. „Aber wir waren uns schnell einig, dass ich vom Gewinn einen Obolus abbekomme.“ Fauth bestätigt: „Reiner Wilhelm wird unser Kooperationspartner bei der Aidlinger Öl-Gesellschaft.“

Der Schultes selbst glaubte zunächst an einen Scherz, als er von dem unerwarteten Fund erfuhr, recherchierte jedoch ein bisschen nach. „Das ist ein Muschelkalkgebiet“, erklärt Ekkehard Fauth. „Aus den fossilen Ablagerungen darin hat sich vermutlich unter der Einwirkung von großem Druck und hohen Temperaturen über Jahrmillionen das Rohöl gebildet.“

Lesen Sie aus unserem Angebot: Aidlinger Martin Hochrein beim Ehrenamtstag ausgezeichnet

Die nächsten Schritte wurden bereits in die Wege geleitet. „Wir brauchen einen Förderturm mit angeschlossenem Zwischenlager und einer Verladestation für Öllaster“, zählt Reiner Wilhelm auf. Die Gemeinde sei auch willens, das Gewerbegebiet dafür nach hinten, Richtung Westen, zu öffnen. Die ganz große Lösung mit einer Pipeline zu einer eigenen Raffinerie im Tal zwischen Aidlingen und Gärtringen war schnell vom Tisch. „Da hat sich das Wasserwirtschaftsamt wegen eines Schutzgebietes quergestellt“, begründet Fauth.

In Anbetracht der aktuellen Energiekrise stand die Verwaltung in Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium, um eine Sondergenehmigung zu erwirken, hatte jedoch auch hier keinen Erfolg.

„Dann nimmt halt der Schwerlastverkehr in der Umgebung zu“

Nun soll das Erdöl in Tanklastern zur Weiterverarbeitung stattdessen eben nach Karlsruhe transportiert werden. „Dann nimmt halt der Schwerlastverkehr in der Umgebung zu“, zuckt Fauth mit den Schultern. Die angrenzenden Kommunen haben sich derweil bereits beim Aidlinger Bürgermeister gemeldet. Doch der musste die anderen Gemeindeoberhäupter schweren Herzens enttäuschen: „Laut Geologen ist die Ölblase – und damit auch die Fördermöglichkeit – geografisch begrenzt.“ Pech für Grafenau, Ehningen, Gärtringen und Co.

Gemeinde rechnet nur mit einstelligem Millionenbetrag pro Jahr

Keine Milliarden zu erwarten, Gemeinde wird pro Jahr lediglich einen einstelligen Millionenbetrag einnehmen

Allerdings sind in der Perle des Heckengäus in naher Zukunft keine vergoldeten Häuser oder Zebrastreifen aus Carrara-Marmor zu erwarten. „Es ist keine milliardenschwere Entdeckung“, beruhigt Ekkehard Fauth all diejenigen mit Dollarzeichen in den Augen. „Wir werden jährlich nur einen einstelligen Millionenbetrag einnehmen.“

Interessierten Einwohnern bietet die neugegründete Aidlinger Öl-Gesellschaft die Möglichkeit, die Baustelle für Förderturm, Zwischenlager und Verladestation zu besichtigen. Reiner Wilhelm und Ekkehard Fauth informieren am heutigen Freitag über die geplanten Maßnahmen. Treffpunkt ist um 11 Uhr auf dem Parkplatz neben der ehemaligen Waschstraße.