Philipp Bauknecht: „Mohnblumen“ (1912–1916) Foto: Sammlung Würth

Auch Künstler lieben Blumen. Aber so, wie die Kunsthalle Würth „Pflanzengeheimnisse“ präsentiert, könnte man die Lust an Rosen, Tulpen, Nelken verlieren.

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken. Gut, dass es da die Kunst gibt, die köstliche Sträuße für die Ewigkeit dokumentiert hat. In den Museen und Depots grünt und blüht es, was die Vasen hergaben, und bis heute gibt es Künstler, die sich am Stillleben abarbeiten: Tisch, Gefäß, Blumen. Ein Motiv – und endlos viele künstlerische Spielarten. Einige dieser Varianten kann man nun in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall vergleichen – und staunt, dass Blumen über Jahrhunderte hinweg immer wieder herausgefordert haben, neu oder anders gemalt zu werden. Wenn David Hockney den Blick auf die Terrasse einfängt, geht es ihm eigentlich nur darum, verschiedene Striche zu erproben, hier ein Bündel gerader Linien, dort Wellen, dann wieder Tupfen in dekorativer Farbigkeit. Und Alex Katz hat vermutlich nicht mal reale Seerosen in der Natur angeschaut, sondern ließ sich bei den großen gelben Kreisen von Monets berühmten Seerosenbildern inspirieren.

Es geht um Linien und Wellen – und nur nebenbei um Natur

Würth sammelt mitunter Masse statt Klasse

In München zeigt die Hypo Kunsthalle derzeit „Flowers“, eine herausragende wie kluge Ausstellung rund ums Florale, für die sehr viel Aufwand betrieben wurde, weil man für die verschiedenen Facetten des Themas gezielt Leihgaben aus den verschiedensten Kontexten zusammengetragen hat.

Bei Würth hat man für „Rosenrot – Grasgrün – Quittengelb. Pflanzengeheimnisse in der Sammlung Würth“ dagegen den Fundus durchforstet und alles herausgeholt, was irgendwie mit Blumen zu tun hat. Hier Emil Nolde, dort Gabriele Münter. Aquarelle und Ölbilder, Abstraktes und fotorealistisch gemalte Tulpen von Jan Peter Tripp, Verhülltes von Christo, Verfremdetes von Max Ernst. Und weil Reinhold Würth manchmal auch Masse statt Klasse sammelt, kam eine erschlagende Ausstellung heraus, in der sich ein Blumenbild ans andere reiht. Rosen, Tulpen, Nelken, Lilien, Dahlien und besonders gerne Mohn.

Die Schau ist kunterbunt zusammengewürfelt

Doch was anfangen mit dieser enormen Vielfalt, die sich hier endlos aneinanderreiht? Die konzeptlos zusammengewürfelte Ausstellung verführt dazu, sich erst gar nicht mit den Werken auseinanderzusetzen, sondern nur nach Floralem Ausschau zu halten. So quittiert man hier mit einem „Aha“, dass Nolde Strelitzien gemalt hat und fragt sich dort, was die farbigen Strichbündel eines Günther Förg mit Pflanzen zu tun haben könnten. Gerecht wird man diesen zahllosen unterschiedlichen Konzepten und künstlerischen Positionen so sicher nicht. Dabei gibt es durchaus Überraschendes zu entdecken. Wer hätte gedacht, dass Andy Warhol einen grünen Daumen hatte. Ausgerechnet er, der Werbung und Konsumwelt plünderte und Suppenbüchsen zum Motiv machte, richtete in seinem Studio in New York einen Garten ein, in dem er in Töpfen Blumen und Pflanzen zog. Auf den Tuschezeichnungen aus seiner Mappe „In the Bottom of my Garden“ verbindet er Blumen mit lustigen Engelchen und Mohn und antike Elemente zu einem fröhlichen Augenschmaus. Oder Herman des Vries: Er hat in der Lagune von Venedig gesammelt, was ihm vor die Füße kam. Auf einer großen Wand sind die Fundstücke nun aufgereiht wie einst getrocknete Pflanzen oder aufgespießte Schmetterlinge: Kiesel und Glasscherben, Muscheln und getrocknetes Laub, Netze und Algen. Ein denkwürdiges wie ästhetisch ansprechendes Sammelsurium.

Andy Warhol hat in New York Blumen gezogen

In der Kunsthalle blühen auch echte Blumen

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken – und das auch mitten in der Ausstellung. Makoto Azuma, ein japanischer Künstler, arbeitet sich auf immer neue Weise an Blumen ab. Er hat Tulpen und Schneeglöckchen schon ins Röntgengerät gelegt und zeigt auf Leuchtkästen die Gerippe dieser „X-Ray Flowers“. Er hat aber auch üppige Sträuße in die Vase gestellt und gefilmt, wie sie sich im Lauf der Tage bewegen und verändern – und man staunt, wie aktiv gerade Tulpen sind, die sich hier in Zeitraffer ständig biegen und beugen wie beim Yoga. Für die Ausstellung bei Würth hat Makoto Azuma auch einen prächtigen Strauß echter Blumen in eine Glasvitrine gestellt, in der sie in den kommenden Wochen ihr natürliches Eigenleben führen dürfen.

Das Thema hat viele Facetten

Naturfreunde früherer Generationen haben liebevoll zusammengetragen, was die heimischen Bäume unterscheidet – und so gibt es Bücher aus einer Holzbibliothek zu sehen, in der Äste, Blätter, Zapfen und Holzscheiben verschiedener Arten zusammengestellt wurden. Pflanzen waren aber auch beliebte Motive für Allegorien. Dann wieder wurden Wälder fotografiert, als handle es sich um Malerei – oder andersherum so brillant von Robert Longo mit Kohle gezeichnet, dass man glauben könnte, es handle sich um ein Foto. Am Ende dieser Ausstellung hat man zwar sehr viel gesehen und sind allerhand Aspekte angeklungen, inhaltlich wird aber kaum mehr als das Bekannte vermittelt. Letztlich verflüchtigt sich sogar das Motiv der Blume grad so wie bei Arnulf Rainer, der 1975 – angeblich – einen Strauß gezeichnet, ihn dann aber aggressiv mit schwarzer Ölkreide übermalt und ausgelöscht hat.

Sag’s durch die Blume

Stillleben
Schon in der römischen Antike gab es Stillleben, bei denen Früchte, Blumen und andere Gegenständen arrangiert wurden. In der Malerei erleben sie im 16. und 17. Jahrhundert dann eine wahre Blüte. Seit dem 20. Jahrhunderts wird das Stillleben in der Regel auf experimentelle und abstrakte Weise verhandelt.

Info
„Rosenrot – Grasgrün – Quittengelb“ zeigt 200 Arbeiten rund um das Thema Pflanze. Die Ausstellung ist bis 5. November in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall zu sehen und täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. adr