Der Österreicher Martin Sellner Foto: IMAGO / Alex Halada

Im Zusammenhang mit dem Treffen von Rechtsextremen in Potsdam, bei dem auch Vertreter von AfD und CDU dabei waren, ist der Name Martin Sellner erstmals in der breiten Öffentlichkeit aufgetaucht. Jetzt wurde gegen ihn bundesweites Einreiseverbot erhoben. Wer ist der Mann?

Gut zwei Monate nach den Enthüllungen zu einem Treffen radikaler Rechter in Potsdam, an dem auch Mitglieder von AfD und CDU teilnahmen, hat die Stadt ein bundesweites Einreiseverbot gegen den österreichischen Teilnehmer Martin Sellner erwirkt. Dies machte Sellner am Dienstag selbst auf der Plattform X (ehemals Twitter) öffentlich. Die Stadt Potsdam bestätigte das Einreiseverbot, nannte aber nicht Sellners Namen. Der 35 Jahre alter Sellner will gerichtlich gegen das Verbot vorgehen, sich vorerst aber daran halten.

Bereits nach dem Treffen im November 2023, das landesweit für Entsetzen sorgte und der Beginn von bundesweiten Massendemonstrationen gegen Rechtsextreme und gegen die AfD war, hatten sich die Sicherheitsbehörden eingeschaltet. Damals hieß es, die Stadt Potsdam wolle in Abstimmung mit Bund und Land gegen einen „rechtsextremistischen Taktgeber“ vorgehen, die Prüfung einer Einreisesperre war Thema.

Einreise nach Deutschland Ende Januar

Sellner schrieb damals auf seinem Telegram-Kanal, dass er gegen ein Einreiseverbot nach Deutschland juristisch vorgehen wolle. Das Recherchezentrum Correctiv hatte ein Treffen radikaler Rechter am 25. November in Potsdam öffentlich gemacht, an dem einige AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen hatten. Sellner hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Er versteht darunter, dass Menschen mit ausländischen Wurzeln massenhaft Deutschland verlassen müssen, auch Menschen mit deutschem Pass, wie er in einem neuen Buch unter gleichem Titel schreibt. 

Ende Januar war er laut Medienberichten offenbar wieder nach Deutschland gereist. Er sei dabei zwar von der Bundespolizei aufgegriffen worden, durfte dann aber doch ins Land.

Treffen in der Schweiz verhindert

Kürzlich hat die Polizei in der Schweiz dann ein geplantes Treffen von Rechtsextremisten verhindert - und dazu Sellner vorübergehend festgenommen. Laut Polizei sollte der Österreicher bei der Veranstaltung am Samstag (16. März) nahe der Grenze zu Deutschland eine Rede halten. "Zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und der Verhinderung von Konfrontationen mit Personen der Gegenseite" sei er festgenommen und des Kantons verwiesen worden.

Die Veranstaltung sollte im Dorf Tegerfelden stattfinden. Das liegt rund 40 Kilometer nordwestlich von Zürich nahe der Grenze zu Deutschland. Eingeladen hatte die rechtsextreme Gruppierung "Junge Tat". Rund hundert Teilnehmer reisten an, so die Polizei. Die Veranstaltung sei aufgelöst worden. Zudem verhinderte die Polizei eigenen Angaben zufolge die Anreise von Gegen-Demonstranten.

Kopf der Identitären Bewegung

Wer aber ist der 35-Jährige, dessen Namen seit dem Treffen in Potsdam in den Medien vertreten ist? Geboren ist Sellner in Wien. Inzwischen ist er aber weit über die Grenzen Österreichs bekannt. Sellner hat Rechtswissenschaften und Philosophie studiert – Ersteres brach er ab – und wurde als Kopf der Identitären Bewegung Österreichs, die er mitbegründet hat, bekannt. Inzwischen gilt er als Strippenzieher der rechtsextremen Szene in Europa und „zentraler Stratege“.

Eine Zeit lang verbreitete Sellner seine (teils kruden) Thesen über die Videoplattform Youtube mit etwa 100.000 Followern und Social Media. So propagiert er beispielsweise die Verschwörungstheorie des „Großen Austauschs“. Aus seiner Sicht herrscht im 21. Jahrhundert eine „kranke Ideologie der Gleichheit“. In seinen Büchern finden sich rechtsextreme, ausländerfeindliche, rassistische und nationalistische Positionen. Weil er im Netz vielerorts gesperrt wurde ist er inzwischen auf die Plattform Telegram ausgewichen. Dort erreicht er mehr als 60.000 Nutzer.

Arbeit im rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“

Seit 2015 ist Sellner im rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“ tätig, das vom Verleger Götz Kubitschek – einem der Mentoren Sellners – initiiert wurde. Im Verlag Antaios, der dazu gehört, sind mehrere Bücher von Sellner erschienen, in denen er seine Ideen darlegt. Zuletzt legte Sellner in einem Video dar, worum es ihm geht: „Eine pro-deutsche Migrationspolitik, eine Minus-Migration, eine Umkehrung der Migrationsströme, damit die Deutschen bestimmende Mehrheit im eigenen Lande bleiben.“

Sellner lehnt eine Betätigung laut Rechtsextremismus-Forscher Bernhard Weidinger ab. „Parteipolitik, Straßenaktivismus und dann sozusagen die mediale Ebene, die Meinungsebene“, wird der Experte in der ARD zitiert. Jeder solle da „auf seiner eigenen Ebene das eigene Ding machen“ – aber sehr wohl im Bewusstsein dafür, „dass man sowas hat wie eine gemeinsame Mission, die man arbeitsteilig verfolgt, und die man solidarisch verfolgt.“

Wie Potsdam das Einreiseverbot begründet

Mike Schubert, Potsdams Oberbürgermeister, sagte dazu: „Wir müssen zeigen, dass der Staat nicht ohnmächtig ist und seine legitimen Mittel nutzt. Die Demonstrationen und Kundgebungen waren ein wichtiges Zeichen. Wir machen deutlich, dass die Demokratie wehrhaft ist. Um Grundrechte und Grundgesetz zu schützen, müssen die Institutionen ihre Mittel nutzen.“ Die Stadt betonte, sich zu personenbezogenen Verfahren nicht äußern zu können, bestätigte aber, dass die Stadt "einen Bescheid zum Vollzug des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) zur Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts in der Bundesrepublik Deutschland an einen EU-Bürger versendet hat.“

Was Sellner zum Einreiseverbot sagt 

Sellner präsentierte den Bescheid aus Potsdam auf seinem Video auf X. Er nannte das Einreiseverbot, das nach seinen Worten für drei Jahre ausgesprochen wurde, „völlig überschießend“ und sprach von der „Atomwaffe des Einreiseverbots“. Der Bescheid lege Verstöße gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung dar, doch werde hier das „Grundgesetz komplett verzerrend ausgelegt“, meinte der Österreicher. 

„Genau das wird jetzt vor Gericht gehen“, kündigte Sellner an. Sein Anwalt werde sowohl ein Eil- als auch ein Hauptsacheverfahren anstrengen. Er rechne damit, dass das Eilverfahren bis zu zwei Monate dauern werde. Sollten juristische Schritte keinen Erfolg haben, behalte er sich andere Schritte vor, sagte Sellner. Zugleich erklärte er, er sei derzeit in Österreich und werde vorerst nicht in die Bundesrepublik einreisen. Kommende Auftritte in Deutschland seien gestrichen.