Was kann das Gericht dem Angeklagten nachweisen? Das Urteil gegen den Herrenberger soll am 29. Juni fallen. Foto: imago images/Jan Huebner

Ein 52-Jähriger soll seine Frau angegriffen, bedroht, beleidigt und genötigt haben und noch dazu gegen Polizisten aggressiv gewesen sein. Er bestreitet all das und wiederholt seine Version vor Gericht hartnäckig. Der Mann ist seit Mai in einer Psychiatrie untergebracht.

„Alles gelogen“. „Das sind alles Lügen.“ Sätze dieser Art hören die Richter der 17. Großen Strafkammer am zweiten Prozesstag in regelmäßigen Abständen immer wieder von dem 52-jährigen Mann, der sich am Landgericht Stuttgart wegen gefährlicher Körperverletzung, sexueller Nötigung, Bedrohung, Beleidigung, Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verantworten muss. Das Ganze gipfelte in der Frage: „Sind wir hier vor einem Gericht oder in einer Theatervorstellung?“

Die Frau „ganz normal beschimpft“

Der gelernte Autoschlosser räumte lediglich ein, Mitte Oktober vergangenen Jahres tatsächlich vor der Wohnung seiner Ex-Frau in der Brahmsstraße in Herrenberg gestanden zu sein. Er habe jedoch nur Einkäufe vor der Tür abgestellt und 150 Euro unter der Türschwelle für die Familie hindurchgeschoben. Es habe durch die Tür hindurch Streit gegeben, er habe mit seiner Frau „ganz normal geschimpft“. Als er wieder gegangen sei, hätten ihm Polizisten, die vor der Tür standen, einen Platzverweis erteilt.

Das wäre nachvollziehbar, wenn die Version der Staatsanwaltschaft stimmen würde. Laut Anklage hat der 52-Jährige wild an der Tür geklingelt und gegen diese getreten. Den gemeinsamen 19-jährigen Sohn habe er „Bastard“ und „Hurensohn“ genannt und ihm angedroht, „ihm mit dem Gürtel Manieren beizubringen“. Die geschiedene Frau habe er übel beleidigt, er werde „ihren neuen Lover umbringen“ und dabei Tür und Fenster einschlagen und über den Balkon in die Wohnung eindringen.

Die letzte Ankündigung machte der Angeklagte zehn Tage später tatsächlich wahr. „Ich bin über das Abflussrohr nach oben geklettert und über den Balkon im ersten Stock in die Wohnung gelangt“, berichtete er dem Gericht. Er habe dem Sohn zum 19. Geburtstag gratulieren wollen und auch ein Geschenk für ihn dabei gehabt. Er habe sich ans Bett seiner Frau gesetzt und gewartet, bis diese aufgewacht sei. Als sie auf die Toilette gegangen sei, habe er die Tür aufgerissen und ihr gesagt, sie solle nicht die Polizei rufen. „Meine Frau braucht keine Angst vor mir zu haben, ich bin doch kein Teufel“, meinte der 52-Jährige.

Angeklagter reagiert gereizt

Auch dieser Besuch hat sich laut Anklage etwas anders abgespielt: Die Ex-Frau sei aufgewacht und habe gesehen, wie sich der Mann über sie gebeugt habe. Dann soll er sich mit seinem gesamten Gewicht auf sie gelegt und gewürgt haben, sodass sie sich nicht mehr wehren konnte und Nackenschmerzen davontrug. Er habe versucht, sie zu küssen und anzufassen, wogegen sie sich gewehrt habe. Sie sei ins Bad geflüchtet.

Laut Anklage hat der 52-Jährige daraufhin die Badezimmertür aufgebrochen und die Frau im Flur an eine Wand gedrückt. Dort soll er sie gewürgt haben, sodass sie Atemnot bekommen und Todesangst ausgestanden habe. Nur unter großer Mühe sei es der Frau gelungen, sich zu befreien und die Polizei zu alarmieren.

Der Angeklagte wehrt sich heftig gegen die Beamte

Als zwei Beamte wenige Minuten später in der Wohnung ankamen, habe sich der Angeklagte mehrfach geweigert, auf den Boden zu knien, wozu ihn die Polizisten aufgefordert hatten. Als sie ihn zu Boden gebracht hatten, hat sich der Mann laut Anklage auch dagegen gewehrt, Handschellen angelegt zu bekommen, was erst durch große Kraftanstrengung und Faustschläge gelungen sei.

Bei der Befragung durch die Richter und den Sachverständigen machte der Angeklagte einen sehr gereizten Eindruck. Insbesondere auf Nachfragen nach einer früheren Kopfverletzung nach einem Motorradunfall und durch ein ausschlagendes Pferd reagierte er aggressiv. Der 52-Jährige war nach den Vorfällen ein halbes Jahr lang in Untersuchungshaft, seit Anfang Mai ist er im Zentrum für Psychiatrie Weissenau vorläufig untergebracht.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt, das Urteil soll am 29. Juni verkündet werden.