Viel Grün wächst auf einer Seite der Frankenstraße im Stadtteil Münchingen. Noch, sollte die Flüchtlingsunterkunft gebaut werden. Foto: Jürgen Bach

Weil der Stadt Korntal-Münchingen bald Wohnraum für Flüchtlinge fehlt, spielt sie mit dem Gedanken, weitere Menschen in Münchingen in der Frankenstraße unterzubringen. Die Anwohner sind über die Baupläne entsetzt – und auch für rechtliche Schritte bereit.

Die Stadt braucht bald weiteren Wohnraum für Flüchtlinge. Sie zieht deshalb in Betracht, im Nordwesten Münchingens in der Frankenstraße eine Unterkunft für bis zu 66 Menschen zu bauen. Die Anwohner sind alarmiert – und bieten den Plänen der Stadt Paroli. Die Agenda-Gruppe Asylheim Frankenstraße – im Kern zehn Personen aus der Frankenstraße, der Alemannen- und der Römerstraße – hat ein Infoschreiben verteilt, das auch ins soziale Netzwerk Facebook gelangt ist. Sie will sich an die Stadträte wenden – und ruft die Nachbarn dazu auf, dies auch zu tun.

Der Bürgermeister Alexander Noak (parteilos) hat vor Kurzem Vertretern der Initiative den Stand der Dinge vorgestellt. „Uns als Anwohner hat die Planung geschockt“, sagt Stefan Diehle, einer der Initiatoren. Das Projekt ziehe ihm den Boden unter den Füßen weg. „Ein solch massives, blockartiges Gebäude baut man nicht eingeengt platziert zwischen Bahnlinie und Straße an einem vor Jahrzehnten gewachsenen Wohngebiet“, meint Stefan Diehle. Mit Ausländerfeindlichkeit, stellt er klar, habe das nichts zu tun. Er und seine Mitstreiter würden die schwierige Lage der Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten kennen und die Nöte verstehen. Trotzdem: „Es ist nicht akzeptabel, dass – wie es mit diesem geplanten Projekt droht – die Lebensqualität für die Bürger in einem ganzen Wohngebiet dauerhaft und drastisch beschnitten wird.“

Keine Ausweichmöglichkeiten Richtung Bahnlinie

Der Stein des Anstoßes ist ein dreigeschossiges, rund 32 Meter langes Gebäude mit Flachdach auf dem Geländestreifen mit Kleingärten zwischen der Bahnlinie und der Frankenstraße. Etwa zwei Drittel des schmalen Grundstücks sollen bebaut werden. Dieser Gebäudeblock, so die Agenda-Gruppe, werde die Bestandsgebäude – mit Satteldach – auf der südlichen Seite der Frankenstraße „komplett überragen beziehungsweise annähernd deren Giebelhöhen haben“.

Die Anwohner sorgt, was passieren kann, „wenn so viele Menschen auf engem Raum wohnen“ – etwa „erhebliche ‚soziale Geräusche‘ aus der Unterkunft, Stressfaktoren und soziale Konflikte mit der langjährigen Anwohnerschaft“. Richtung Bahnlinie gebe es keine Ausweichmöglichkeiten, sagt Stefan Diehle. Also werde sich alles auf die Wohnstraßen konzentrieren. „Gesunde Wohnverhältnisse“ seien nicht mehr zu erwarten. Bei einer geplanten Belegung von bis zu 66 Personen verdreifache sich die Bewohnerzahl in diesem Abschnitt der Frankenstraße – „bei gleichzeitigem Wegfall von Freiflächen“. Die Anwohner fürchten auch einen Wertverlust ihrer Immobilien, dass sich die Parksituation weiter verschlechtert und Nachteile für die Natur: Das Projekt zerstöre beispielsweise Lebensraum zahlreicher Tiere und Pflanzen. Mit einem halb so großen Gebäude sähe die Sache aus Diehles Sicht anders aus.

Stadt verweist auf Erfahrungen in anderen Unterkünften

Aus dem Rathaus heißt es auf Anfrage, man nehme die Sorgen und Bedenken der Anwohner „sehr ernst“. Insgesamt habe die Stadt bei anderen Flüchtlingsunterkünften vergleichsweise wenig Probleme. Sicherlich, hin und wieder gebe es Beschwerden, und soziale Konflikte würden sich nicht komplett vermeiden lassen. „Unsere Integrationsmanagerinnen und -manager betreuen die Geflüchteten aber im Vergleich zu anderen Kommunen intensiv und können dadurch auch bestimmten Konflikten vorbeugen“, berichtet die Sprecherin Eva Tilgner. Die Stadtverwaltung werde in einer Flüchtlingsunterkunft in einem gewachsenen Wohngebiet bei der Belegung darauf achten, Geflüchtete unterzubringen, die bereits einige Zeit in Deutschland seien und bislang nicht durch Konflikte aufgefallen sind.

Ohnehin ist laut Tilgner noch offen, ob die Unterkunft gebaut wird und dann auch 66 Menschen einziehen – das Maximum auf der Fläche. Diese Zahl ergibt die Machbarkeitsstudie, die die Stadt beauftragte, um zu prüfen, ob in der Frankenstraße grundsätzlich eine Unterkunft entstehen kann. Auf Basis der Studie beginnt die Stadtverwaltung im Herbst, mit dem Gemeinderat zu beraten. „Es ist momentan noch kein baurechtliches Verfahren für eine Asylunterkunft in der Frankenstraße eingeleitet“, betont Eva Tilgner – weder liege dem Bauamt eine Bauvoranfrage vor, noch gebe es einen detaillierten Bebauungsplan. Allerdings stehe die Stadt vor der großen Herausforderung, die vielen Geflüchteten unterzubringen. „Wir haben nur wenige städtische Grundstücke und deshalb auch nur begrenzte Alternativen. Wir sind aber dabei, auch andere Alternativen zu prüfen“, sagt Eva Tilgner.

Lange Zeit war es ruhig

Die Anwohner der Frankenstraße wollen unter allen Umständen einen Baubeschluss verhindern. Sie haben bereits Anwälte an der Hand. Dabei hatten sie gehofft, dass die Stadt Abstand von den Plänen nimmt. Lange Zeit war es ruhig um eine mögliche Unterkunft in Münchingen, die vorigen Herbst angesichts steigender Flüchtlingszahlen ins Gespräch kam. Nachdem die Stadt Ende 2022 den Pächtern der Kleingärten kündigte und eine Bekanntmachung veröffentlichte, sammelte die Agenda-Gruppe 206 Unterschriften gegen einen möglichen Bau. Der nicht der letzte in der Stadt wäre, sind die Anwohner überzeugt. Schon jetzt gehe die Angst um, wo als Nächstes gebaut werde.

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Korntal-Münchingen

Die Zahlen
 Aktuell wohnen in Korntal-Münchingen rund 650 Geflüchtete in städtischen Unterkünften, davon etwa 220 aus der Ukraine. Weitere gut 220 ukrainische Geflüchtete leben in privaten Wohnungen. Die Zuteilungsquote Geflüchteter des Landkreises Ludwigsburg für die Stadt liegt für dieses Jahr bei 89 Personen, im kommenden Jahr geht die Stadt von einer noch höheren Zuteilungsquote aus. Hinzu kämen die „vielen Geflüchteten“ aus der Ukraine. „Die Unterbringungskapazitäten für Geflüchtete der Stadt werden deshalb künftig nicht mehr ausreichen.“

Die Container
 Vorübergehend werden Flüchtlinge in Containern im Gewerbegebiet von Münchingen nördlich der Kornwestheimer Straße 133 untergebracht, wo bereits eine Containeranlage steht. Der Gemeinderat hat im Dezember einem Mietvertrag zugestimmt. Die Vergabe startet wohl im September, die Container werden frühestens Ende des Jahres aufgestellt.