Deutschland hat viel zur Entwicklung der PV-Technologie beitragen. Heute ist die hiesige Produktion bei Schlüsselkomponenten auf asiatische Hersteller angewiesen. Foto: dpa/Hendrik Schmidt

In wenigen Tagen will die Firma Meyer Burger entscheiden, ob sie ihre Solarmodul-Produktion in Sachsen schließt. Halten würde sie ein Resilienz-Bonus. Ob der etwas bringen würde, dazu gehen die Einschätzungen auseinander.

In der zweiten Februarhälfte wird sich entscheiden, ob Meyer Burger seine Produktion für Solarmodule in Freiberg (Sachsen) schließt und dafür verstärkt in den USA investiert. So sagt es Annegret Schneider, eine Sprecherin des Schweizer Unternehmens Meyer Burger, das derzeit schwerpunktmäßig in Ostdeutschland Solartechnologie herstellt. Die Schließung des Werks, in dem aktuell 550 Mitarbeiter beschäftigt seien, könnte bereits zum April vollzogen werden, sagt sie.

Der Druck, der von dieser Ankündigung ausgeht, kommt nicht überraschend – auch wenn es sich nun um Tage handelt, in denen nach Ansicht von Meyer Burger noch gegengesteuert werden könnte. Die Firma hatte bereits 2023 – wie übrigens auch andere aus der Branche – auf ihre Zwickmühle aufmerksam gemacht. China überschwemmt den hiesigen Markt mit von der Volksrepublik subventionierten Billigmodulen. Bei den Preisen können europäische Produzenten nicht mithalten, was sie in eine zunehmend schwierige wirtschaftliche Lage versetzt.

Resilienz-Bonus für heimische Photovoltaik-Produkte

Doch was könnte Meyer Burgers Abzug – und gegebenenfalls auch den anderer Produzenten – verhindern? Im Rahmen des sogenannten Solarpakets I der Bundesregierung ist ein „Resilienz-Bonus“ für heimische Photovoltaik-Produkte im Gespräch. Die Idee ist, dass Verbraucher, die europäische Module kaufen, einen Ausgleich erhalten für den Mehrpreis – als Aufschlag auf die EEG-Vergütung.

„Es geht darum, die während der Hochlaufphase noch höheren Fertigungskosten der europäischen Solarfabriken für einen begrenzten Zeitraum von wenigen Jahren auszugleichen“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). Klar sei: „Es kann nur um eine zeitlich befristete Anschubinvestition gehen.“ Man wolle weder Handelsbeschränkungen noch Wettbewerber vom Markt drängen, sagt er. Man verlange, „faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen“.

EU beschließt Net-Zero-Industry-Act

Hoffnung, sagt Körnig, mache der Net-Zero-Industry-Act, den die EU am 6. Februar verabschiedet hat. Das Gesetz sieht vor, dass die EU bis 2030 mindestens 40 Prozent ihres Jahresbedarfs an sauberen Technologien selbst decken kann. „Aber jetzt muss es konkret werden.“ Diese Forderung richtet Körnig nicht nur an Brüssel, sondern vor allem an Berlin. Die Branche hatte damit gerechnet, dass die Entscheidung über den Resilienz-Bonus 2023 fällt. Doch die Verhandlungen dauern an. „Die Zeit zur Rettung heimischer Solarmodul-Fabriken läuft ab“, sagt Körnig. „Die Hersteller brauchen dringend Planungssicherheit.“

Einer, der einen Resilienz-Bonus für den Aufbau heimischer Solarproduktion für falsch hält, ist Wolfgang Gründinger von Enpal, einem Unternehmen, das Solarprodukte verkauft. Er spricht von „purem Marktchaos“, zu dem ein solcher Ausgleich führen würde. „Sobald die Förderung angekündigt würde, würden die Leute abwarten.“ Und erst einmal keine Module mehr kaufen, so seine Prognose. Zudem warnt er vor einer Überförderung, „mit der belastet man den Steuerzahler“. Bei den Rohprodukten seien europäische Produzenten von China abhängig. „Da kann Europa nicht mithalten.“ Den Vorsprung aufzuholen, „wird immer schwieriger, wir können es aber noch schaffen“.

Kleine Solarindustrie für den Notfall

Mathias Mier, Experte für Energie, Klima und Ressourcen am Ifo-Institut in München, bezweifelt, dass europäische Solarmodule jemals wieder konkurrenzfähig werden. „Wir sind davon so weit weg“, sagt er. Unter Umständen lasse sich eine kleine Solarindustrie in Europa halten, die man im Notfall hochfahren könnte. Mit dem Notfall ist gemeint, dass der Modulzufluss aus China aus politischen Gründen versiegen könnte. Dieses Risiko wird vor allem vor dem Hintergrund der Gasknappheit, ausgelöst durch Putins Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, diskutiert. Miers Einschätzung: „Sollte es zu einem Kalten Krieg mit China kommen, interessieren uns keine PV-Module mehr.“ Angesichts dieser Abwägungen kommt er zum Schluss, dass ein Resilienz-Bonus den Steuerzahler unnötig Geld kosten würde.

Professor Andreas W. Bett, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, sieht das anders. Energie sei das zentrale Thema. „Sie ist das Lebenselixier unserer Industriegesellschaft.“ Gerade die Photovoltaik zeige, „dass sie schnell skalieren kann“. Deutschland habe mit Know-how wesentlich zur Entwicklung der Technologie beigetragen. Bei zentralen Modulkomponenten sei man heute allerdings, je nach Quelle, zwischen 97 und 99 Prozent abhängig von China.

„Die Frage, die sich stellt: Wollen wir uns technologisch selbst abhängen, oder wollen wir die technologischen Fähigkeiten halten?“, so Bett. An dieser Stelle setze der diskutierte Resilienz-Bonus an, für den das Fraunhofer-Institut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz einen Umsetzungsvorschlag übermittelt habe.

Es dürfe sich dabei lediglich um einen Ausgleich handeln, um ein Nullsummenspiel für den Verbraucher. „Wichtig ist, dass kein Geschäftsmodell daraus wird“, sagt Bett. Ob er komme oder nicht, sei letztlich „eine politische Entscheidung“.

Solarproduktion und Solarausbau in Deutschland

Meyer Burger
Der Solarproduzent Meyer Burger beschäftigt weltweit 1400 Mitarbeiter. Neben der Modulproduktion in Freiberg, die nun zur Disposition steht, werden in Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) Zellen hergestellt. Nach Unternehmensangaben handelt es sich dabei um die einzige Solarzellenfertigung im industriellen Maßstab außerhalb Asiens. Wichtige Komponenten bezieht Meyer Burger dafür dennoch aus Asien. Ein weiterer Meyer-Burger-Standort für Maschinen und Anlagen für die Produktion von Solartechnologie befindet sich in Hohenstein-Ernstthal (Sachsen); dort befindet sich auch ein Technologie- und Forschungszentrum. Der Hauptsitz des Unternehmens ist in Thun (Schweiz). Meyer Burger rechnet für 2023 bei einem Umsatz von 135 Millionen Franken mit einem operativen Verlust von mindestens 126 Millionen Franken.

Solarausbau
2023 wurden bundesweit so viele PV-Anlagen wie in keinem Jahr zuvor installiert. Der Zubau lag laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) bei 14 Gigawatt Leistung, die Hälfte davon im Heimsegment. Ziel ist, dass die installierte Leistung bis 2030 bei 215 Gigawatt liegt. Ende 2023 waren es 81,7 Gigawatt. (ana)