Omnipräsent und zunehmend in der Kritik: Jan Böhmermann ist demnächst auch wieder mit „Lass dich überwachen!“ im ZDF zu sehen. Foto: ZDF//Lennart Speer

Jan Böhmermann wird geliebt und gehasst. Inzwischen wird die Kritik am „ZDF Magazin Royal“ aber immer lauter. Hat der Publikumsliebling Fehler gemacht?

Wer austeilt, dem sind Feinde sicher. Die „Neue Zürcher Zeitung“ zum Beispiel kann es nicht lassen, Jan Böhmermann regelmäßig abzuwatschen. Sie hat den erfolgreichen Moderator des „ZDF Magazin Royale“ schon lange auf dem Kieker und hat Böhmermann schon vieles geheißen: „Brandstifter“, „Blockwart der einzig wahren Gesinnung“ und „oberster Nazijäger“, ansonsten sei Böhmermann mit „diffus links-grüner Arroganz“ und reichlich „Selbstgerechtigkeit“ ausgestattet.

Die Themen sind breit gestreut, die Missstände vielfältig

Genau dafür liebt das Publikum Jan Böhmermann. In der Regel schalten mehr als 1,7 Millionen Zuschauer am Freitagabend ein und warten gespannt, wen er diesmal demontieren wird. Denn das ist es, was Jan Böhmermann in seiner Sendung tut: Missstände aufdecken. Derer gibt es genug, sodass das Spektrum der sumpfigen Themen, die das „ZDF Magazin Royale“ beleuchtet, extrem breit ist und vom Angriff Russlands auf die Ukraine bis hin zu Influencern reicht. Es geht ums Klima oder Lobbyismus, um Gold, Sand, Beton, Anthroposophie oder den Ticket-Anbieter CTS Eventim.

In der vergangenen Woche hat es Michaela Huber getroffen, die, so Böhmermann, seit Jahren vor ritueller und satanistischer Gewalt warne, obwohl diese überhaupt nicht nachweisbar sei. Auch wenn die Polizei nun ermittelt, ob Böhmermanns Team womöglich auf strafrechtlich relevante Weise an Informationen gekommen ist – der Ruf der zweifelhaften Psychotherapeutin ist ruiniert.

Köpfe rollen – in diesem Fall aber zu Unrecht

Wenn Böhmermann im Sumpf wühlt, rollen eben auch mal Köpfe. Als er Arne Schönbohm im vergangenen Jahr Kontakte nach Russland vorwarf, verlor der umgehend seinen Posten als Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik. Inzwischen hat sich diese falsche Behauptung zum handfesten Skandal ausgewachsen – und Schönbohm fordert vom ZDF Schadenersatz in Höhe von 100 000 Euro. Diesmal werden sich Böhmermann und sein Team nicht auf die künstlerische Freiheit der Satire berufen können wie bei der sogenannten Böhmermann-Affäre 2016. Das von ihm damals vorgetragene Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan schlug Wellen bis in höchste politische Kreise und löste eine breite Debatte über die Meinungsfreiheit aus.

Aus der Satireshow ist ein investigatives Magazin geworden

So frech und amüsant das „ZDF Magazin Royale“ oftmals ist, es ist längst nicht mehr nur Satire, sondern will „gleichermaßen journalistisch und unterhaltsam sein, investigativ und satirisch“, wie es zumindest in der Begründung des Grimme-Preises heißt, mit dem Böhmermann und sein Team schon mehrfach ausgezeichnet wurden. Vor drei Jahren hat die inzwischen 33-jährige Hanna Herbst die Redaktionsleitung übernommen und eine Neukonzeption der Sendung auf den Weg gebracht, die nun deutlich journalistischer ist und Missstände aufdecken will. Deshalb arbeitet das Team hinter Böhmermann auch mit Recherchekollektiven wie „Frag Den Staat“ zusammen.

Böhmermanns Plädoyer für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk war stark

Seither hat man manchen Sumpf aufgedeckt, hat Filz und Verflechtungen transparent gemacht, Debatten losgetreten und auch schon Politik und Verwaltung in die Bredouille gebracht. Böhmermann zündelt – was sein Gutes hat. Auch als er nachgerade emotional die Missstände im öffentlich-rechtlichen Rundfunk anprangerte, war das ein wichtiges Plädoyer für Demokratie und einen unabhängigen, unbestechlichen Journalismus ohne politische Einflussnahme und Angst vor kritischen Reaktionen.

Die Vorwürfe mehren sich

Inzwischen mehren sich allerdings Fälle, die zeigen, dass Jan Böhmermanns Team diesen hehren journalistischen Ansprüchen selbst nicht immer gerecht wird – und das keineswegs nur im Fall von Arne Schönbohm, der Opfer schlechter Recherche wurde. Das „Medium Magazin“, ein Fachblatt für Journalismus, schaut in seiner aktuellen Ausgabe mit Sorge auf Böhmermann, der längst ein „mächtiger Big Player im Medienzirkus“ sei, wie es heißt. Dabei würden aber journalistische Prinzipien missachtet – ob es um Quellenschutz gehe, um Transparenz oder Fehlerkultur. Als Beispiel wird der Privatdetektiv Julian Hessenthaler angeführt, der Böhmermann das berüchtigte Ibiza-Video anbot. Der lehnte ab, plauderte den Inhalt aber aus, was Hessenthaler in Gefahr gebracht haben soll. Auch mehren sich Stimmen, dass Kritik am „ZDF Magazin Royale“ umgehend mit Anwaltsschreiben beantworten würde.

Eine Mischung aus Journalismus und Satire taugt nur bedingt

Böhmermann, der am 20. September wieder mit seiner Comedyshow „Lass dich überwachen“ im ZDF an den Start geht, betont gern, nur „Moderator“ zu sein, also kein Journalist, obwohl hier ohne Zweifel investigativer Journalismus betrieben wird. Ein „einzigartiges Gesamtkunstwerk“ nennt die Jury des Grimme-Preises diese eigenwillige Mischung aus Enthüllungen und Satire – die oftmals extrem witzig ist, manchmal wertvoll, gelegentlich aber auch durchaus würdelos. Man kann geteilter Meinung sein, ob Menschen so verspottet und an den Pranger gestellt werden sollten, wie es Böhmermann gerne tut. Aber wenn man sie schon demontieren will, sollte man selbst zumindest seriös arbeiten.

„Lass dich überwachen!“ kehrt zurück

Person
Der 42-Jährige ist in Bremen aufgewachsen und hat zunächst für Lokalzeitungen gearbeitet, bevor er Reporter bei Radio Bremen wurde. Er war im Team der „Harald Schmidt Show“ und hatte Sendungen mit Olli Schulz und Charlotte Roche. Er ist live unterwegs, hat Bücher veröffentlicht, eine Kochshow, aber ist auch Produzent.

Überwachung
Am 20. September um 20.15 Uhr startet nach dreijähriger Pause im ZDF wieder „Lass dich überwachen!“. Die Show warnt vor Onlineaktivitäten – und veröffentlicht hierzu gelöschte Tiktok-Clips oder Blogeinträge der Studiozuschauer. „Wir sehen alles“, warnt Böhmermann und spricht von der „verrücktesten Unterhaltungsshow im deutschen Fernsehen“. adr