Neue Stände und ein neuer Ort: Rutesheim steckt viel Energie in die Rettung des Wochenmarktes. Dieser zieht ab Samstag, 6. Mai, an alte Stelle zurück.
Wer an einen Wochenmarkt denkt, hat vermutlich ein reichliches Angebot frischer Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Kräuter, Milchprodukte, Fisch, Fleisch, Gewürze und Eier im Sinn. Den Verkauf von Blumen oder anderen Zierpflanzen. Perfekt wäre die kulinarische Stärkung an einem Imbisswagen. Man trifft viele Menschen, hält mal hier ein Pläuschchen und mal da, tauscht vor Ort die Neuigkeiten aus.
Die Wirklichkeit sieht in manchen Kommunen mittlerweile anders aus. Die Märkte werden kleiner, weil Beschicker altersbedingt aufhören oder kein Personal mehr finden. Auf dem Rutesheimer Samstagsmarkt wurden kürzlichen Silvia Stammel und ihr Mann Klaus von der gleichnamigen Höfinger Gärtnerei in den Ruhestand verabschiedet. 28 Jahre hatten sie in Rutesheim einen Stand – auf sie war immer Verlass.
Dann waren es nur noch zwei
Dann waren es nur noch zwei regelmäßige Beschicker: der Perouser Obst- und Gemüsehändler Ulrich Servay und Feinkost Olivenriviera. „Seit Stammels aufgehört haben, ist es eine Spur ruhiger geworden“, sagt Ulrich Servay, der schon seit 30 Jahren samstags auf den Rutesheimer Markt kommt und donnerstags seine Waren auf dem Markt in Weissach verkauft. „Ein Wochenmarkt lebt von vielen Ständen und einem kompletten Frische-Angebot“, weiß der erfahrene Händler, der in der Vergangenheit auch schon aktivere Zeiten miterlebt hat. „Doch zuletzt sind einige Kollegen verschwunden.“ So beispielsweise ein Metzger oder ein Beschicker, der Eier und Geflügel verkauft hatte.
Den Rutesheimer Wochenmarkt kampflos aufgeben, ist für Bürgermeisterin Susanne Widmaier keine Option. Sie hatte Anfang März Kunden und Marktbeschicker ins Rathaus geladen – auch um Ideen zu sammeln. Und sie hatte versprochen, mit Hilfe des Ersten Beigeordneten Martin Killinger und der Rutesheimer Wirtschaftsförderin Elke Hammer in die Offensive zu gehen und aktiv potenzielle Standbetreiber anzusprechen.
Mit ersten Erfolgen. Ein Blumenhändler hat bereits das Angebot erweitert. Ein Wagen mit Backwaren soll in Kürze hinzukommen sowie ein Stand mit Obst, Gemüse und Ziegenprodukten. Angefragt wurde ein Kaffee-Anbieter. Schulklassen wollen künftig auf dem Markt Kuchen verkaufen, um ihre Kasse für besondere Anlässe aufzubessern. Frank Philippin von der Bürgerlichen Wählervereinigung (BWV) schlug vor, auch nach einem Food-Truck Ausschau zu halten.
Bistro hat samstags nicht mehr geöffnet
Dabei dachte er gleichzeitig auch an seine Kunden, die ab Pfingsten am Wochenende nicht mehr sein Bistro in der Metzgerei in der Flachter Straße besuchen können. „Wir werden es samstags nicht mehr öffnen können, weil wir kein Personal mehr haben“, bedauert der Geschäftsmann. Im Wettstreit zu Marktbeschickern habe er sich nie gesehen. „Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft, Kunden haben ihre Anlaufstellen, und mehr Stände locken mehr Menschen an.“
Eine weitere Maßnahme, um dem Samstagsmarkt frischen Wind einzuhauchen, ist eine Standortänderung. Ab dem 6. Mai wird er – wie schon in der Vergangenheit – wieder auf dem Rathausplatz stattfinden. „Da gibt es mehr Platz, vor dem Pflegeheim in der Flachter Straße wird es eng“, sagt Bürgermeisterin Widmaier, die den Umzug auch als Signal sieht, „dass sich etwas bewegt“.
Nicht nur in der Standortfrage hat sich die Bürgermeisterin von der Deutschen Marktgilde beraten lassen, denn auch diese vertritt die Meinung, dass „Wochenmärkte eine echte Bereicherung für Kommunen sind. Sie beleben die Innenstädte, sichern die Nahversorgung und sorgen für regelmäßige kommunale Einnahmen“. Auf dem Rathausplatz haben die Marktbesucher zudem Möglichkeiten zum Verweilen. Synergien erhofft sich Susanne Widmaier auch mit der Eiserei und dem Döner-Geschäft, die gleich gegenüber liegen.
Auch wenn die relativ geringen Gebühren – die Jahresgebühr beträgt je angefangenem laufenden Standplatz-Frontmeter 50 Euro, hinzu kommen Stromkosten von 50 Euro – laut der Marktbeschicker unbedeutend seien, gibt es einen neuen Anreiz in Rutesheim. Der Gemeinderat hat den Vorschlag der Verwaltung einstimmig abgenickt, Marktbeschickern, die zuverlässig mindestens 40 mal pro Jahr nach Rutesheim kommen, die Standgebühr zu erlassen. „Wir werden alles tun, um den Wochenmarkt am Leben zu halten“, sagt Susanne Widmaier.
Wochenmärkte lohnen sich für die Standbetreiber
Ratsmitglied Ulrich Servay (Bürgerliche Wählervereinigung) durfte in der Sitzung wegen Befangenheit nicht mit abstimmen. Der Obst- und Gemüsehändler freut sich aber, dass die Stadt viel Energie reinsteckt, um den Wochenmarkt zu retten. „Für mich lohnt sich der Wochenmarkt nach wie vor.“ Ein Drittel seines Gewinns macht er auf den Märkten, ein Drittel in seinem Hofladen und ein Drittel über die Belieferung größerer Kunden wie Gastronomie oder Mensen.