In den Mercaden wurden am Montagmorgen die Maskensymbole entfernt. Foto: Stefanie Schlecht

Seit Montag sind im Einzelhandel und in der Gastronomie alle Corona-Regeln weggefallen. Einkaufen und Essen gehen ist jetzt ohne Impfung, Test und Maske möglich. Doch viele Kunden in Böblingen sehen diese neue Freiheit nicht als Fortschritt.

Die Schilder mit dem Maskensymbol sind fast komplett verschwunden. Nur in den wenigsten Läden kleben sie noch am Eingang. Trotzdem sind die meisten Kunden am Montag noch mit einer Mund-Nase-Bedeckung unterwegs. Überwiegend junge Männer sieht man im Böblinger Einkaufszentrum ohne Maske flanieren, gelegentlich auch ältere Frauen.

So wie Sema Tinjovk und Mina Zahirovic. Die beiden Rentnerinnen sind Anfang 70 und genießen den „ersten Tag „in Freiheit“, wie sie sagen. „Ich habe mit der Maske immer fürchterlich geschwitzt“, berichtet Tinjovk. Und ihre Freundin erzählt, dass sie wegen ihres Asthmas immer Schwierigkeiten mit der Maske gehabt habe. Deshalb sei sie sehr froh, jetzt wieder ohne Mund-Nasen-Bedeckung einkaufen gehen zu können. Geimpft sind beide Frauen. Corona hatten sie bisher nicht, haben aber auch keine große Angst mehr davor. „Meine Kinder waren alle infiziert, es war nicht so schlimm“ sagt Zahirovic.

Verkäuferin trägt lieber Maske

Ganz anders sind vier junge Frauen unterwegs: Alle tragen sie eine FFP2-Maske. Daniela, Nicole, Selma und Jana, alle zwischen 17 und 19 Jahre alt, sind Schülerinnen des Technischen Gymnasiums der Sindelfinger Gottlieb-Daimler-Schule. „Nächste Woche haben wir Ferien und wollen in den Urlaub. Da wollen wir nicht vorher krank werden“, begründen die Mädchen ihre Entscheidung, mit Maske shoppen zu gehen.

Wenig begeistert vom Wegfall der Maskenpflicht ist eine Mitarbeiterin der Buchhandlung Osiander im Obergeschoss der Mercaden. „Bei den hohen Inzidenzen behalte ich meine Maske lieber auf, und auch die meisten Kunden kommen mit Maske“, sagt die Verkäuferin. Auch im Untergeschoss der Mall beim Imbissstand Hotalo tragen die drei jungen Mitarbeiter eine Maske. „Wir wollen uns weiter schützen“, sagen sie.

Im Nagelstudio King Mails sitzen die Kosmetikerinnen mit Maske hinter ihren Tischen, zusätzlich geschützt durch Plexiglas. Auch die wenigen Kunden tragen eine Maske – so wie es ein Schild im Schaufenster fordert. „Wir warten auf neue Anordnungen wegen Corona“, sagt eine Mitarbeiterin.

Beim indischen Imbiss Punjab Dhaba steht noch ein Schild auf dem Tresen, das zum Tragen der Maske auffordert. Die Frau hinter der Theke allerdings ist maskenlos.

Basisdemokratisch hat der Böblinger Firmeninhaber Max Nowak vom Reformhaus Klett seine Mitarbeiterinnen entscheiden lassen, ob sie weiter Maske tragen wollen oder nicht. Das Votum für diese Woche: mit Maske. „Nächste Woche stimmen wir neu ab“, sagt Nowak. Viele junge Mütter arbeiten im Reformhaus. „Die Kinder schleppen das Virus nach Hause, wir hatten deshalb in den vergangenen Wochen Ausfälle beim Personal“, berichtet Nowak. Das habe wohl den Ausschlag zum weiteren Maskentragen gegeben. Die Kunden seien am Morgen verunsichert gewesen, welche Regel nun gelte. „Deshalb habe ich einen Aushang gemacht.“ Darauf steht: „Liebe Kundinnen, in diesem Laden entscheiden Sie als Kunde in Selbstverantwortung, ob Sie mit oder ohne Maske ihren Einkauf genießen möchten.“

Desinfektionsspender und Teststation bleiben

Gegenüber, im Café Kaktus, trägt der junge Mann, der den Cappuccino bringt, jedenfalls eine Maske. „Ich habe ein Baby zuhause“, begründet er die Schutzmaßnahme. Seine Kollegin hinter dem Tresen zeigt ihr Gesicht. Maskenpflicht besteht außerdem im Böblinger Bürgeramt - wie auch sonst in den meisten Verwaltungen, im Herrenberger Rathaus etwa oder auch in Gärtringen.

Max Nowak ist überzeugt, dass Masken noch eine ganze Zeit lang auch das Bild in den Läden prägen werden. „Viele fühlen sich einfach sicher damit, vor allem bei den aktuell hohen Inzidenzen.“ Andere Hygiene-Maßnahmen wie der Plexiglas-Spuckschutz an den Kassen oder Desinfektionsspender würden sich wohl noch lange halten, davon ist Kowak überzeugt. „Wir werden die Desinfektionsspender an den Eingängen behalten und regelmäßig alle Griffbereiche wie Türen, Rolltreppen und Aufzüge weiterhin desinfizieren“, sagt auch Edip Özerol, der Center Manager der Mercaden. Auch die Corona-Teststation werde weiter bestehen.

„Geändert hat sich durch Corona auch die Einstellung zu Krankheiten“, sagt Nowak. „Wenn heute jemand erkältet ist, bleibt er zuhause oder macht einen Coronatest, bevor er zur Arbeit geht.“ Auch das, so hofft, der Geschäftsinhaber, werde hoffentlich auch in Nachpandemiezeiten so bleiben.

Info

3-G-Regel
 Am Sonntag, 3. April, ist die neue Corona-Verordnung in Kraft getreten. Bis dato mussten Gäste von Restaurants und Cafés entweder geimpft, genesen oder negativ getestet sein. Nun darf jeder ohne Nachweis ins Lokal.

Maskenpflicht
 Die Maskenpflicht in Gaststätten und im Einzelhandel ist aufgehoben. Weiter benötigt wird eine Maske aber beim Besuch von Arzt- und Zahnarztpraxen, in Krankenhäusern und Altenheimen sowie von Mitarbeitern von Rettungsfahrzeugen. Auch für Passagiere in Bussen, Zügen und Flugzeugen gilt weiter die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Auch die meisten Rathäuser lassen Besucher nur mit Maske  und nach vorheriger Terminvereinbarung ein.