Beziehung in der Krise: Franz Rogowski und Ben Whishaw als Tomas und Martin in „Passages“ Foto: Imago/Landmark Media

In dem queeren Liebesdrama „Passages“ sieht man Männer und Frauen beim Sex. Doch genügt das, um den Film mit dem deutschen Ausnahme-Schauspieler Franz Rogowski erst ab 18 Jahren freizugeben, wie es in den USA der Fall ist?

Die Entscheidung, dass sein Film „Passages“ über eine queere Dreiecksbeziehung in den USA mit der höchsten Altersfreigabe versehen wurde, bezeichnet der amerikanische Regisseur Ira Sachs in einem Interview mit der „Los Angeles Times“ als „deprimierend und reaktionär“. Das sogenannte „NC-17-Rating“ der Motion Picture Association, das Zuschauer unter 18 Jahren von einer Filmvorführung ausschließt, wird selten, teils wegen extremer Gewaltdarstellungen, aber vor allem wegen expliziter Sexszenen verhängt.

Der Film enthält nichts Ungehöriges

Filme wie Pedro Almodovars Komödie „Fessle mich!“ oder Steve McQueens Drama „Shame“, die in Deutschland für ein Publikum ab 16 freigegeben sind, dürfen in den USA erst 18-Jährige sehen. Damit wird oft auch der kommerzielle Erfolg eines Films gebremst. Dabei enthält „Passages“ nichts Ungehöriges, Ira Sachs schildert darin den Alltag des schwulen Paars Tomas (Franz Rogowski) und Martin (Ben Whishaw) in Paris. Tomas ist ein deutscher Filmemacher, der gerade an seinem neuesten Werk arbeitet und dabei die Lehrerin Agathe (Adèle Exarchopoulos) auf einer Party kennenlernt. Mit seinem britischen Mann Martin kriselt es ein bisschen, weshalb sich Tomas Hals über Kopf in eine Beziehung mit Agathe stürzt.

Martin schmeißt Tomas daraufhin aus der gemeinsamen Wohnung und beginnt eine Liaison mit dem Autor Amad (Erwan Kepoa Falé), den wiederum Tomas nicht leiden kann, weil der ihn hat abblitzen lassen. Als dann auch noch Agathe schwanger wird, tut sich Tomas schwer mit einer klaren Entscheidung, mit wem er zusammenleben will.

Martin, Tomas und Agathe beim Sex

Ira Sachs entwickelt seine Geschichte alltagsbezogen, trocken und unaufgeregt im Ton. Ein paar Mal zeigt er Martin, Tomas und Agathe beim Sex, die längste Szene zwischen Martin und Tomas ist etwa zwei Minuten lang, deutlich in der Darstellung von Lust und Nacktheit, aber keinesfalls lüstern oder gar pornografisch.

Viel interessanter als das Sexleben der Charaktere ist ihr Umgang mit Liebe, Intimität und Nähe. Tomas hält die Fäden in diesem Beziehungsgeflecht fest in den Händen und lässt sowohl Martin als auch Agathe als seine Marionetten tanzen, beide in der Hoffnung, von Tomas aufrichtig geliebt zu werden.

Die Vorurteile sind mit Händen greifbar

Ira Sachs entwickelt in vielen Szenen einen beeindruckend ungefilterten Realismus. Einmal erzählt er vom ersten Zusammentreffen von Tomas mit Agathes Eltern, nachdem Tomas eine Nacht mit Martin verbracht hat und viel zu spät in seltsamen Clubklamotten beim vereinbarten Mittagessen aufkreuzt. Die Vorurteile der Eltern gegen den bis vor Kurzem noch mit einem Mann lebenden Freund der Tochter sind mit Händen greifbar, ohne, dass Sachs seine Figuren allzu viel Worte darüber verlieren lässt.

Tomas’ Wut und Überforderung in diesem Moment ist verständlich, zugleich weiß man um seine dreist manipulativen Tricks, die er bei Martin und Agathe anwendet. Ira Sachs verlangt vom Publikum jedoch, die Geschichte selbst zu bewerten, und liefert keine Verurteilung. Vielleicht ist ihm genau das bei der Motion Picture Association zum Verhängnis geworden.

Passages: Frankreich, 2023. Regie: Ira Sachs. Mit Franz Rogowski, Adèle Exarchopoulos, Ben Whishaw. 92 Minuten. Ab 16 Jahren.