Pierre (Jean Dujardin) Foto: Verleih

Denis Imberts Film „Auf dem Weg“ über den Selbstfindungstrip eines Abenteurers orientiert sich an einer authentischen Geschichte. Aber ist die auch interessant?

Beim Wandern gehen nicht nur die Beine auf die Reise, sondern auch die Gedanken. Die hatte der Abenteurer und Partyhengst Pierre (Jean Dujardin) lange mit Alkohol und Arbeit betäubt. Nach einem Balkonsturz im Suff und wochenlangem Koma will der Autor von Reiseliteratur den Raum zwischen seinen Ohren wieder durchpusten lassen auf einer 1300 Kilometer langen Tour zu Fuß von den südlichen Alpen bis an den Strand der Normandie.

Die Ärzte erklären Pierre für verrückt, und auch dessen Verleger (Olivier Charasson) zeigt ihm den Vogel. Trotzdem zieht Pierre los, zunächst alleine, über kurze Phasen begleitet von seiner Schwester Céline (Izïa Higelin) und seinem Freund Arnaud (Jonathan Zaccaï). „Auf dem Weg“, über Geröll, Schlamm und Sand, wird unter der Regie von Denis Imbert nicht nur zur körperlichen Bewährungsprobe für den schwer lädierten Pierre, sondern auch zu einer Konfrontationstherapie mit dessen eigenen Fehlern und Bedürfnissen.

Mal wieder ein Selbstfindungstrip

Wem dieser Plot bekannt vorkommt, irrt sich nicht: In den letzten Jahren haben Filme wie „ Der große Trip“ (2014) oder auch „Ich bin dann mal weg“ (2015) das Feld filmisch verarbeiteter Selbstfindungstrips schon abgegrast. Wie diese Vorläufer beruft sich auch Regisseur Denis Imbert auf eine wahre Geschichte. Der Reiseschriftsteller Sylvain Tesson stürzte 2012 von einem Dach, musste sich wie die Filmfigur Pierre mühsam aufrappeln. Tessons Buch „Sur les Chemins noirs“ (Auf schwarzen Wegen) diente Imbert als Vorlage.

Der inzwischen fast inflationär gebrauchte Verweis, Film oder Buch XY beschreibe authentisch Erlebtes, wird allerdings gern bemüht, um letztlich banale Geschichten aufzuwerten. Als seien die angeblich nicht fiktiven Erzählungen näher dran an den Menschen und deren Erfahrungen.

In Wahrheit funktionieren diese nach der immer gleichen Dramaturgie: Ein innerlich verlorener Mensch bricht auf, trifft auf seinem Weg andere, mit denen er über Gott und die Welt reflektiert, lernt sich dabei besser kennen und wieder lieben, um am Ende gestärkt aus dieser Erfahrung hervorzugehen. Sean Penns „Into the Wild“ (2008) über das tragisch endende Selbstversorgungsabenteuer des Christopher McCandless ist eine rühmliche Ausnahme.

Schöne Frankreichaufnahmen

„Auf dem Weg“ folgt dagegen als klassisch konstruiertes Stationendrama schnurstracks solchen ausgetretenen Pfaden. Interessant ist darin vor allem Jean Dujardins Spiel, der Pierre als mal kernigen, mal verletzten Einzelgänger und Landschaftseroberer gibt, mit Wanderstöcken bewaffnet, den eigenen kaputten Beinen, rutschigen Pisten und unzähligen Kilometern trotzend.

Wer selbst nicht mehr gut zu Fuß ist, kann zumindest mit den Augen an Pierres Seite die vielfältigen Landschaften Frankreichs durchwandern, die Aufnahmen von Kamerafrau Magali Silvestre de Sacy zeigen die raue Schönheit des Landes abseits der bekannten Metropolen. Ansonsten ist „Auf dem Weg“ vor allem ein Film, um eigene Vorsätze für das kommende Jahr zu prüfen. Überraschungen hält er nicht parat.

Auf dem Weg. Frankreich 2023. Regie: Denis Imbert. Mit Jean Dujardin, Izïa Higelin. 94 Minuten. Ab 6 Jahren