Ein BGH-Urteil könnte die Bankbranche teuer zu stehen kommen. Foto: obs/halloAnwalt GmbH & Co. KG

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs verlangen viele Bankkunden Geld zurück. Die Finanzaufsicht Bafin warnt die Banken vor enormen Kosten.

Frankfurt - Die Finanzaufsicht Bafin rechnet nach einem höchstrichterlichen Urteil zu Kontogebühren mit hohen Kosten für die Banken. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Ende April in einem Verfahren gegen die Postbank erklärt, das Institut dürfe die Entgelte nicht ohne ausdrückliche Zustimmung seiner Kunden ändern. Gebührenerhöhungen in der Vergangenheit wurden damit für nichtig erklärt, die Betroffenen können einen Teil ihres Geldes zurückfordern. Wenn sich die Entscheidung auch auf andere Institute und Entgelte erstrecken sollte, könnten die Kosten für die Banken „bis zur Hälfte des Jahresüberschusses“ erreichen, erklärte der kommissarische Bafin-Chef Raimund Röseler.

Da die schriftliche Begründung für das BGH-Urteil noch nicht vorliegt, seien die endgültigen Folgen noch nicht klar, betonte Röseler. Die Stiftung Warentest vertritt allerdings schon seit Wochen die Auffassung, dass nahezu alle vergangenen Gebührenerhöhungen von Banken und Sparkassen unwirksam seien. „Auf unwirksame Erhöhungen entfallende Zahlungen sind bis zurück zum 1. Januar 2018 zu erstatten“, schreibt die Stiftung auf ihrer Website Test.de. Röseler nannte dies eine „Vermutung“, die er allerdings als „plausibel“ einstufte. Auf Test.de stehen Musterschreiben für die Anmeldung von Erstattungsansprüchen bereit.

Möglicherweise greift das Urteil auch für Depot- oder Kartengebühren

Nach Einschätzung der Bafin ist denkbar, dass die BGH-Entscheidung neben Kontoführungsentgelten auch Gebühren für Wertpapierdepots oder Kreditkarten betrifft. Unter Berücksichtigung all dieser möglichen Folgen kam die Finanzaufsicht zu dem Ergebnis, dass die Rückforderungen die Hälfte des Jahresüberschusses der betroffenen Institute aufzehren könnten.

Der Hintergrund: Der BGH hatte mehrere Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Postbank für nichtig erklärt. Danach gilt die Zustimmung zu Änderungen der AGB – auch bezüglich der Entgelte – als gegeben, wenn der Kunde nach einer entsprechenden Ankündigung nicht widerspricht. Solche Klauseln verwenden praktisch alle Banken und Sparkassen.

Zweistellige Zahl von Banken auf der „Intensivstation“

Die Folgen der Coronakrise für das Bankensystem sind nach Einschätzung der Bafin beherrschbar. Diese Entwarnung gelte allerdings nur „für die Branche als Ganzes“, erklärte Röseler. „Das eine oder andere Institut, das schon vor der Krise auf wackligen Beinen stand, übersteht die Pandemie möglicherweise nicht.“ Eine zweistellige Zahl der rund 1700 deutschen Kreditinstitute befinde sich „auf der Intensivstation“ der Aufsicht. „Da kümmern sich die Kollegen permanent um das Geschäftsmodell und die Risikoentwicklung.“ Unter den Sorgenkindern befinden sich auch bereits bekannte Fälle wie die insolvente Greensill Bank und die in Abwicklung befindliche Wirecard Bank.

Die Wirecard Bank gehörte zum Wirecard-Konzern, der im vergangenen Jahr nach Bilanzfälschungen in die Insolvenz geschlittert war. Der Skandal offenbarte schwere Missstände auch bei der Finanzaufsicht, deren Präsident Felix Hufeld Ende März seinen Posten räumte. Sein designierter Nachfolger Mark Branson soll in wenigen Wochen sein Amt antreten.

Zudem soll die Bafin mehr Befugnisse und zusätzliches Personal erhalten. Röseler sprach von einem „deutlichen Zugewinn an Schlagkraft“. Auch bei den Banken wolle man künftig „noch intensiver hinter deren Fassade schauen“.