Bei Operationen kommen immer häufiger Roboter zum Einsatz. Sie können die Chirurgen bei schwierigen Eingriffen unterstützen. Foto: imago/Amelie Benoist

Der roboter-assistierten Chirurgie gehört die Zukunft. Manche Entwicklungen werden aber durch den Datenschutz ausgebremst.

Eine Orange wirklich sauber zu schälen ist Millimeterarbeit. Mit einem OP-Roboter ist das allerdings kein Problem. Mit allergrößter Präzision entfernt ein kleiner Greifer das feine, weiße Gewebe um das Fruchtfleisch. Einige Meter entfernt sitzt der „Operateur“ an einer Konsole mit einem Bildschirm, steuert mehrere Roboterarme und kontrolliert über superhochauflösende Kameras immer wieder die Fortschritte. Was in diesem Moment ein Spiel ist, kann in Wirklichkeit Leben retten.

Das US-Unternehmen Intuitive gilt als Pionier der roboter-assistierten Chirurgie und präsentierte jüngst in Brüssel, wie die Zukunft im Operationssaal aussehen wird. Getrieben wird die Entwicklung durch den rasanten Fortschritt der Roboter- und Computertechnik. Musste früher etwa bei einer Prostataoperation der Patient richtig aufgeschnitten werden, laufen solche Eingriffe längst minimalinvasiv ab. Auf ihren Einsatz vorbereitet werden die Mediziner inzwischen auch in einem eigenen Schulungszentrum von Intuitive in Freiburg im Breisgau.

Der Mensch sitzt an den Schalthebeln

Die Operationen würden nicht von einem Roboter durchgeführt, betont das Unternehmen, die Kontrolle über den Eingriff habe immer der Mensch, der von der Technik unterstützt werde. So sei es möglich, selbst an schwer zugänglichen Stellen mit größter Präzision zu operieren. Auch könne ein Tumor viel sauberer entfernt werden. Zudem kann jederzeit ein zweiter Fachmann zur Operation zugeschaltet werden, der in einer anderen Stadt oder sogar auf einem anderen Kontinent sitzen kann. Mit dieser Technik könnte auch ein Spezialist in Washington einen komplizierten Eingriff in Stuttgart selbst durchführen. Das aber ist noch Zukunftsmusik.

Denn bisweilen wird die Weiterentwicklung der medizinischen Geräte etwa durch Beschränkungen beim transnationalen Datenaustausch ausgebremst. „Unser Ziel ist es, die Qualität und Sicherheit von Operationen und damit die Ergebnisse für die Patientinnen und Patienten durch datenbasierte Chirurgie zu verbessern“, betonen die Verantwortlichen von Intuitiv. Ihre Forderung ist es, dass die Politik für die Zukunft eine verbesserte Umgebung schaffen sollte, in der die Fortschritte bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und roboter-assistierten Tools und Technologien im Gesundheitssektor einfacher integriert werden können.

Der Datenschutz als Bremser

Das Thema Datenaustausch ist allerdings ein sehr schwieriges Thema. Dabei geht es nicht nur um die Weiterentwicklung der roboter-assistierten Chirurgie, sondern auch um die Verbesserung von Forschung und Therapiemöglichkeiten. Der Datenschutz, der vor allem in Deutschland äußerst rigide ausgelegt wird, ist in diesem Fall allerdings nur eines von mehreren Hindernissen. Denn viele Daten liegen längst vor, oft sind sie allerdings nicht miteinander vergleichbar. In der Regel sind die Informationen an so vielen verschiedenen Stellen gelagert, mit teilweise unterschiedlichen Nutzungsbestimmungen, dass eine flächendeckende Auswertung nur schwer möglich ist.

Eine sehr deutliche Meinung zu diesem Thema hat der Europaparlamentarier Peter Liese. „Wir haben in Deutschland zu lange geschlafen“, lautet das ernüchternde Fazit des CDU-Politikers. Inzwischen laufen auf EU-Ebene die Diskussionen über einen „Europäischen Raum für Gesundheitsdaten“. Patienten könnten ihre Krankengeschichte, Testergebnisse oder Verschreibungen dann mit Krankenhäusern und Ärzten in der gesamten EU teilen. Ein Arzt in Frankreich könne dann etwa die Krankengeschichte eines Portugiesen einsehen, der in Paris krank wird, und die richtigen Medikamente verschreiben, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides bei der Präsentation des Vorhabens. Unnötige Untersuchungen würden überflüssig. Das zweite Ziel des Vorschlags ist, dass Forscher, Industrie und öffentliche Institutionen das Potenzial der Daten nutzen können.

EU-Parlament will europäischen Datenraum

Die Realisierung ist allerdings noch in weiter Ferne, denn nicht nur die EU-Staaten müssen eine gemeinsame Linie finden, auch im Europaparlament gibt es konträre Ansichten. Der Gesundheitsausschuss sei für einen einfacheren Datenaustausch, sagt Peter Liese, der Innenausschuss agiere mit Blick auf die Datensicherheit eher vorsichtig. Inzwischen haben sich allerdings die führenden Ausschüsse zusammengerauft und jüngst für die Schaffung eines „Europäischen Raums für Gesundheitsdaten“ gestimmt. Der vernetzen elektronischen Patientenakte scheint also zumindest im Parlament nur noch wenig im Wege zu stehen.

Der CDU-Europaparlamentarier Liese betont, dass der Umgang mit den Gesundheitsdaten transparent und nicht über die Köpfe der Patienten hinweg geschehen darf. Interessante Aussagen gibt es dazu, welche Informationen die Bürger wem überlassen würden. Die Mehrheit (61 Prozent) der Befragten einer repräsentativen Umfrage des europäischen Verbraucherverband Beuc hat kein Problem damit, allgemeine Informationen zum Gesundheitszustand, unter anderem zu Allergien und Krankheiten, herauszugeben. Knapp 70 Prozent wollen aber keine Auskunft über Gewohnheiten wie Ernährung, Bewegung und Drogenkonsum herausrücken. Genetische Daten oder Angaben zur sexuellen Gesundheit will kaum jemand teilen.

Nicht jeder soll die Daten bekommen

„Gesundheitsdaten sind unglaublich sensibel, und unsere Umfrage zeigt, dass Menschen nicht alles oder blindlings teilen wollen“, sagte Beuc-Generaldirektorin Monique Goyens. Die repräsentative Umfrage wurde in acht EU-Ländern, darunter Deutschland, durchgeführt. Die Bereitschaft, Daten zu teilen, hänge auch stark von Vertrauen ab, so ein Ergebnis der Untersuchung. Ihrem Hausarzt würden 88 Prozent der Befragten ihre Daten anvertrauen. Ganz schlechte Karten hätten Versicherungen, heißt es in der Studie, nur 8 Prozent der Befragten würden ihnen ihre Patientendaten überlassen.