Herz-Expertin: Mariuca Nicotera Foto: H. Schmidt

Verkalkte Herzklappen: Wie kann man sie erkennen und wie behandeln? Ein Vortrag in Sindelfingen stößt auf reges Interesse.

Verkalkte Herzklappen klingen nach einem Thema, mit dem man sich lieber nicht freiwillig auseinandersetzen möchte, und von dem man wahrscheinlich eher wenig versteht. Aber: Der Vortrag, den Mariuca Nicotera an den Kliniken Sindelfingen über die Diagnose und Behandlung verkalkter Herzklappen hielt, stieß auf reges Interesse. Dies wiederum ist der Sinn der Reihe „Medizin für Sie“. Was Mariuca Nicotera, Chefärztin der Klinik für Innere Medizin – Kardiologie/Nephrologie an den Kliniken Sindelfingen berichtete, klang deshalb gar nicht komplex, sondern sehr verständlich.

Eine Lanze für die Vorsorge

„Das Herz funktioniert wie ein Ventil“, erklärte die Referentin. Ungefähr 2,8 Milliarden Mal öffnen und schließen sich die vier Herzklappen im Verlauf eines 75-jährigen Lebens. Rund 200 000 Menschen in Deutschland haben Herzklappenfehler, hauptsächlich an der Mitral- oder Aortenklappe. Ein geringerer Teil davon ist angeboren, der größere altersbedingter Verschleiß. Am häufigsten, so die habilitierte Fachärztin für Innere Medizin, ist die Aortenklappe verkalkt, gefolgt von Undichtigkeiten wie der Mitralinsuffizienz. Trotzdem bleibt die Erkrankung meist erst viele Jahre oder sogar Jahrzehnte unbemerkt. Erst wenn Symptome mit Luftnot, Druck auf der Brust bis hin zu kurzen Bewusstlosigkeiten auftreten, suchen die Patienten ärztliche Hilfe.

Natürlich brach Mariuca Nicotera auch eine Lanze für die Vorsorge. Ein erfahrener Arzt könne einen Klappenfehler eigentlich bereits mit dem althergebrachten Stethoskop erkennen, sagte sie schmunzelnd. Trotzdem werde heute fast immer Ultraschall eingesetzt, um ganz sicher zu gehen, wie das Problem genau aussieht. Dann muss je nach Schwere und Art entschieden werden, ob eine medikamentöse oder doch die operative Therapie angesagt ist. „Mit der OP beseitigt man das Problem“, stellte die Kardiologin klar. Medikamente würden nur die Symptome bekämpfen, die Ursache bleibe bestehen.

Eindrucksvolle Bilder

1960 wurden erstmals Herzklappen beim Menschen verpflanzt und die Operation, bei der Brustkorb geöffnet wird, ist heute Routine. Wird eine mechanische Klappe eingepflanzt, sind die Patienten lebenslang auf blutverdünnende Medikamente angewiesen. Bei biologischen Klappen werde nach zehn bis 15 Jahren ein oft erneuter Austausch notwendig. Eindrücklich waren die Bilder, auf denen eine gesunde Herzklappe einer verkalkten gegenüberstellt wurde: Die gesunde hat einen Durchmesser von der Größe einer Zwei-Euro-Münze; der Durchmesser der verkalkten ist kleiner als ein Ein-Cent-Stück.

Als weitere und weitaus schonendere Operationsmethode stellte Mariuca Nicotera das katheter-gestützte Tavi-Verfahren vor. Diese Methode gibt es seit 2002 und kommt vor allem in Amerika in größerem Stil zum Einsatz. Dabei wird eine neue kleingefaltete (biologische) Aortenklappe über die Leiste zum Herzen geführt und ohne Vollnarkose an der richtigen Stelle platziert. Das Öffnen des Brustkorbs ist nicht nötig.

Nach vier Stunden wieder fit

Mariuca Nicotera, die solche Eingriffe derzeit noch in Stuttgart durchführt, weiß aus eigener Erfahrung, wie rasch sich ältere Patienten, für die eine herkömmliche Operation aus gesundheitlichen Gründen nicht in Frage kommt, erholen. „Dass der Patient nach vier bis fünf Stunden an der Bettkante sitzt und selbstständig essen kann, ist unser Ziel“, sagte sie sie.

Wer mit welcher Methode behandelt wird, entscheidet das Team mit allen beteiligten Ärzten. Das Tavi-Verfahren wird hierzulande bislang bei über 75 Jahre alten Patienten angewendet. „Die Herz-OP bleibt noch der Gold-Standard“, fasste die Chefärztin zusammen. Allerdings hofft sie, dass das Alter mit nach und nach auch in Deutschland vorliegenden Langzeitdaten gesenkt werden kann. Noch haben die Kliniken Sindelfingen keine eigene Herzchirurgie, am neuen Standort Flugfeld wird es aber so weit sein – und die Chefärztin trifft bereits Vorbereitungen für einen erfolgreichen Start.

Der nächste Vortrag aus der Reihe „Medizin für Sie“ findet am Dienstag, 5. September, statt. Das Thema dann lautet: „Wenn die Nieren versagen“. Er beginnt um 19 Uhr im Konferenzraum Chesterfield im Untergeschoss der Klinken Sindelfingen