In São Paulo feierte Lula mit seinen Anhängern seinen Wahlsieg. Foto: AFP/CAIO GUATELLI

Luiz Inácio Lula da Silva erkämpft sich in Brasilien eine dritte Amtszeit. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro unterliegt dem linken Ex-Präsidenten. Kann Lula das Land versöhnen?

Ein erbittert geführter Wahlkampf ist zu Ende: Der linksgerichtete frühere Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva hat die Präsidentschaftswahl in Brasilien gewonnen. Der frühere Staatschef kam in der Stichwahl auf 50,90 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt in Brasília in der Nacht zum Montag nach Auszählung der Stimmen bekanntgab. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt demnach 49,10 Prozent. „Dieses Land braucht Frieden und Einheit, erklärte Lula in São Paulo vor jubelnden Anhängern. Bolsonaro hat seine Niederlage bisher nicht eingeräumt. 

Lula rief nun zur Einheit auf. „Die Brasilianer wollen nicht mehr kämpfen“, sagte der 77-Jährige in seiner Siegesansprache. „Niemand will in einem gespaltenen Land leben, das sich in einem Zustand des ständigen Krieges befindet.“ Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wieder herzustellen: „Es gibt keine zwei Brasilien, nur ein Volk.“

Er ging unter anderem auf die Hungerkrise ein, von der mehr als 33 Millionen Brasilianer betroffen sind. „Heute sagen wir der Welt, dass Brasilien zurück ist“, erklärte Lula und versprach, gegen die Abholzung im Amazonasgebiet vorzugehen.

Erkennt Bolsonaro seine Niederlage an?

Der Amtsinhaber reagierte bisher nicht öffentlich auf das Ergebnis - auch nicht in den Online-Netzwerken, wo Bolsonaro für gewöhnlich sehr aktiv ist. Alle Augen richten sich nun auf ihn - viele Brasilianer befürchten, dass Bolsonaro ähnlich wie der abgewählte US-Präsident Trump eine Wahlniederlage nicht akzeptieren wird. Mit Bolsonaros Niederlage scheitert ein brasilianischer Präsident das erste Mal an der Wiederwahl.

„In jedem Land der Welt hätte mich der unterlegene Kandidat angerufen, um seine Niederlage eingestehen“, sagte Lula vor seinen Anhängern. „Er hat mich immer noch nicht angerufen. Ich weiß nicht, ob er anrufen wird und ob er es eingestehen wird.“ Er führte fort: „Ich wäre gern nur glücklich, aber ich bin zur Hälfte glücklich, zur Hälfte besorgt.“

Feuerwerk in Rio de Janeiro und São Paulo

Der Sieg Lulas war von seinen Wählern in manchen Städten wie Rio de Janeiro und São Paulo mit Feuerwerken und Freudenschreien begrüßt worden. Wie Reporter der Nachrichtenagentur beobachteten, feierten Hunderttausende in São Paulos Straßen. „Lula, das ist ein Synonym für Hoffnung, Hoffnung, bessere Tage zu sehen“, sagte die mitfeiernde Lehrerin Alexandra Sitta. 

Einige Anhänger Bolsonaros versammelten sich in der Hauptstadt Brasília und weigerten sich, das Ergebnis zu akzeptieren. „Das brasilianische Volk wird eine gefälschte Wahl nicht schlucken und unser Land einem Dieb überlassen“, sagte die 50-jährige Lehrerin Ruth da Silva Barbosa. 

Glückwünsche von Biden und Macron

Bald nach Bekanntgabe des Ergebnisses trudelten derweil die ersten Glückwünsche internationaler Politiker ein. „Ich gratuliere Luiz Inácio Lula da Silva zu seiner Wahl zum nächsten Präsidenten nach freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen“, erklärte US-Präsident Joe Biden. Er freue sich auf die Zusammenarbeit zwischen den USA und Brasilien.

Der französische Staatschef Emmanuel Macron beglückwünschte Lula zu seiner Wahl, die „eine neue Seite in der Geschichte Brasiliens aufschlägt“. „Zusammen werden wir unsere Kräfte bündeln, um die vielen gemeinsamen Herausforderungen anzugehen und das Band der Freundschaft zwischen unseren Ländern zu erneuern“, schrieb Macron bei Twitter. 

Am Wahlsonntag hatten von der Verkehrspolizei eingerichtete Kontrollpunkte für Unruhe gesorgt, welche die Anreise zu Wahllokalen erschwerten. Die Kontrollen fanden im Nordosten des Landes statt, wo Lula besonders starken Rückhalt hat.

Schmutziger Wahlkampf

Der ohnehin erbittert geführte Wahlkampf war im Endspurt immer schmutziger geworden. Die Brasilianer wurden vor allem in sozialen Medien und Whatsapp-Gruppen von einer Flut von Falschinformationen überschwemmt. Die Fernsehdebatten, in denen Lula und Bolsonaro sich gegenseitig mit Vorwürfen überzogen, wirkten dagegen geradezu gesittet.

Viele Anhänger des 77-Jährigen verbinden Lula mit den goldenen Zeiten Brasiliens, als die Wirtschaft aufgrund der hohen Rohstoffpreise boomte und die Regierung mit Hilfe von Sozialprogrammen Millionen Menschen aus der bittersten Armut holte. Für seine Gegner hingegen ist Lula verantwortlich für Korruption und Vetternwirtschaft.

Lula saß im Gefängnis

2018 war Lula selbst wegen Korruption und Geldwäsche zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden und verbrachte 580 Tage im Gefängnis. Im vergangenen Jahr hob ein Richter am Obersten Gerichtshof das Urteil aus formalen Gründen auf. Lula erhielt seine politischen Rechte zurück und kehrte bald auch wieder auf die politische Bühne zurück.

Die Unterstützer von Bolsonaro sehen ihren Staatschef als Verteidiger traditioneller Familienwerte und wirtschaftlicher Freiheit und als Bollwerk gegen den angeblich drohenden Kommunismus. Allerdings stieß er mit seinen zum Teil vulgären Ausfällen gegen Frauen, Homosexuelle und Indigene auch viele Menschen vor den Kopf. Durch seine Blockade beim Klimaschutz, seine eigenwillige Corona-Politik und seine Angriffe auf demokratische Institutionen wie den obersten Gerichtshof isolierte er Brasilien auf der Weltbühne immer mehr.

Die Wahl in Brasilien hat auch international eine wichtige Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Zudem ist Brasilien mit seinen enormen natürlichen Ressourcen, dem hohen Anteil an grüner Energie und der großen Agrarwirtschaft ein potenziell wichtiger Handelspartner.