Packender Brahms: Das Daimler-Sinfonieorchester gastiert in der Aula des Albert- Einstein-Gymnasiums Foto: Stefanie Schlecht

Das Daimler-Sinfonieorchester gibt ein Benefizkonzert für Lions-Club Böblingen-Sindelfingen zugunsten der großen Sportvereine beider Städte.

Denken Sie, was ich die Nacht träumte. Ich hätte meine verunglückte Symphonie zu meinem Klavierkonzert benutzt und spielte dieses. Vom ersten Satz und Scherzo und einem Finale furchtbar schwer und groß. Ich war ganz begeistert.“ Das schrieb Johannes Brahms während der Komposition seines ersten Klavierkonzerts an seine Freundin (und Geliebte?) Clara Schumann. Furchtbar schwer und groß ist es heute immer noch, aber im Gegensatz zu früher zählt es zu den beliebtesten spätromantischen Kompositionen überhaupt – wegen seiner extrovertierten Emotionalität.

Bei der Uraufführung 1859 fiel das Werk durch

Dabei war es bei seiner Präsentation 1859 im Leipziger Gewandhaus bei Publikum und Kritik komplett durchgefallen. In einer Kritik hieß es: „ein Würgen und Wühlen, dieses Zerren und Ziehen, dieses Zusammenflicken und wieder Auseinanderreißen von Phrasen und Floskeln …“

Mit Brahms‘ d-Moll-Konzert wurde nun das Konzert des Daimler-Sinfonieorchesters in der gut besuchten Aula des Böblinger Albert-Einstein-Gymnasiums eröffnet. Doch bevor die Musik zu ihrem Recht kam gab es ausführliche Begrüßungen. Das Konzert war eine Benefizveranstaltung des Lions-Clubs Böblingen-Sindelfingen. Gefördert werden sollen vom Erlös die Kinder- und Jugendsportprogramme der Sportvereine VfL Sindelfingen und SV Böblingen. Und so begrüßten nicht nur der Präsident des Lions-Clubs Hans-Jörg Bühler, sondern auch Jochen Raisch als Vorstand des Böblingen Sportvereins und Anne Köhler vom VfL Sindelfingen.

Junger Pianist aus Stuttgart überzeugt

Das Daimler-Sinfonieorchester Stuttgart hatte sich unter seinem Dirigenten Matthias Baur nicht nur Brahms‘ außerordentlich schwieriges Klavierkonzert vorgenommen, sondern in der zweiten Hälfte auch Dvoraks siebte Sinfonie in d-Moll. Solist war der junge Pianist Marcel Mok. Mok wurde 1994 in Stuttgart in eine deutsch-taiwanesische Familie hineingeboren. Seit 2013 studiert er bei Prof. Klaus Hellwig in Berlin, wo er seit 2021 sein Konzertexamen fortführt. Er hat bereits jetzt ein erstaunliches Niveau. Brahms‘ Konzert ist weniger ein klassisches Virtuosenkonzert, sondern es enthält etliche sehr kompliziert zu bewältigende Phrasen. Mok zeigte sich diesen unbequemen Herausforderungen glänzend gewachsen, seien es nun die gefürchteten Oktavtriller, die die Spannweite der Hände über die Maßen beanspruchen, oder die brachialen Doppeloktaven im ersten Satz, die auch dazu dienen, das Klavier im Klangvolumen gegen das Orchester auszubalancieren.

Temperamentvoll, aber kontrolliert realisierte er die schnellen Passagen und Kontraste dieses Stückes, fand aber auch in den lyrischen Momenten, vor allem im träumerischen Adagio, den richtigen Tonfall. Brahms bezeichnete diesen Satz als ein sanftes Tonporträt von Clara Schumann.

Mok artikulierte auf dem Flügel klanglich ausgesprochen transparent, ein bisschen fehlen ihm noch die Misterioso-Klänge, die vielen Brahms-Kompositionen eine geheimnisvolle Atmosphäre verleihen. Aber er lernt ja noch und befindet sich auf einem hervorragenden Weg.

Im Gegensatz zum jungen Pianisten besteht das Orchester aus sogenannten Amateuren, die in der Regel keine professionelle Grundausbildung haben, aber mit viel Liebe Musik machen. Das Zusammenspiel von Solist und Orchester ist nicht nur für Amateure, sondern auch für Profiorchester anspruchsvoll und man darf sicherlich auch anmerken, dass hier einige Fehler passierten, die aber der Gesamtwirkung keinen Abbruch taten.

Begeisterter Applaus für Orchester und Solist

Lew Vlassenko, legendärer Klavierchef des Moskauer Konservatoriums, war ohnehin der Meinung, dass das Allerwichtigste beim Musizieren „the spirit of the music“ sei. Das Publikum belohnte den jungen Pianisten und natürlich auch das Orchester mit begeistertem Applaus und vielen Bravi, so dass Mok eine Zugabe spendierte – Brahms‘ Intermezzo op. 117/1.

Jeweils 2500 Euro gehen an die SV Böblingen und den VfL Sindelfingen

Nach der Pause konnte das Orchester bei Dvoraks wunderbar klangsatter Sinfonie etwas stärker als vorher aus sich heraus gehen. Dvorak pflegte wie Beethoven durch die Wälder zu wandern und sich von den Naturlauten inspirieren zu lassen. Im Gegensatz zu Brahms stets etwas steinbruchartig wirkender Komposition wird Dvoraks Stück häufig charakterisiert durch einen nicht enden wollenden, melodiösen Fluss. Das Daimler-Sinfonieorchester realisierte die Partitur mit herzhaften Kontrasten, beschwingten Rhythmen und insgesamt gut abgemischten Klangfarben. Auch hier gab es am Ende des Konzertes begeisterten Applaus und als Zugabe noch einmal eine Prise Musik aus der soeben gehörten Sinfonie.

Die Sportvereine können sich jeweils über 2500 Euro freuen.