Im Technologiezentrum: Regina Brückner leitet das gleichnamige Unternehmen mit ihrem Mann. Foto: Jürgen Bach

Regina Brückner führt rund 500 Mitarbeitende im Leonberger Familienunternehmen. Konstruiert werden Maschinen zur Veredelung von Textilien, ein Gebiet, das jeden tangiert – aber kaum bekannt ist.

Ja, sie war die Tochter des Firmengründers, sie war jung, sie war eine Frau und hatte das Unternehmen kennengelernt in einer Funktion, die man heute als Trainee bezeichnen würde. Aber Regina Brückner wurde unterschätzt – vielleicht gerade deshalb. Doch Regina Brückner wusste, was sie konnte – und sah sich alsbald mit einer existenziellen Frage konfrontiert. Damals, in den 1990er-Jahren, hatte der Finanzchef des Unternehmens eben dieses um viel Geld gebracht. Er musste sich dafür später vor Gericht verantworten und sei auch verurteilt worden, sagt Brückner. Aber für sie sei es eine „extreme Situation“ gewesen. „Wir haben alles auf den Kopf gestellt. Wir haben alles neu gedacht, weil die Situation so eng war.“ Klar sei aber auch gewesen: „Wir machen auf jeden Fall weiter.“

Die Fremd-Geschäftsführung war fortan Vergangenheit, 1999 übernahmen Regina Brückner, die Tochter des Firmengründers Kurt Brückner, sowie ihr Ehemann die Geschäftsführung. Die Frage nach der Frau an der Spitze stellte nicht.

Brückner ist als Firmenname nicht jedem geläufig, wenngleich jeder mit den Produkten des Unternehmens Berührungspunkte hat. Das elastische, einer Ziehharmonika ähnliche Verbindungsteil zwischen Zugwaggons etwa wird auf Maschinen von Brückner beschichtet, ebenso der Finger, der zum Ein- und Aussteigen an das Flugzeug angedockt wird oder auch die Gepäcktransportbänder am Flughafen. Von Stoffen für die Outdoorbekleidung abgesehen. Immer ist die Basis ein textiles Material, das maschinell bearbeitet wird.

Brückner zählt nach eigenen Angaben seit vielen Jahren zu den führenden Systemanbietern unter anderem für die Textilindustrie oder eben artverwandte Industriezweige. Konstruiert werden Maschinen zum Beispiel für die Beschichtung von Schutzbekleidung für die Feuerwehr oder auch Textilbeton, aus dem etwa Brücken entstehen.

Zum Zeitpunkt, als Regina Brückner und ihr Mann die Geschäftsführung übernahmen, bestand das Unternehmen 50 Jahre: Reginas Vater Kurt hatte 1949 die Brückner Klimatechnik GmbH in Stuttgart gegründet, ein kleines Ingenieurbüro. Haupterzeugnisse waren Klimaanlagen und kleine Trocknungsmaschinen für die Papier- und Textilindustrie. Sie wurden nach Brückners Konstruktionszeichnungen extern gefertigt.

1953 zog das Unternehmen nach Leonberg, um zu expandieren. Sieben Jahre später, im Jahr 1960, wurde in Oberbayern ein neuer Fertigungsstandort gegründet. Das Unternehmen wuchs, die Fläche in Leonberg reichte nicht mehr aus. Später wurde die Produktion vollständig von Leonberg weg nach Oberbayern verlagert.

In Leonberg befindet sich heute das Technologiezentrum. Dort steht eine Versuchsanlage zur Beschichtung und Ausrüstung von Textilien, Technischen Textilien und Vliesstoffen. Ein angeschlossenes Labor soll das direkte Gespräch mit dem Kunden über das Produkt ermöglichen. Ergebnisse können direkt überprüft und im Zweifel optimiert werden.

Firmengründer Kurt Brückner starb im Jahr 1995. Für seine Tochter hatte sich die Frage nach der Zukunft des Unternehmens nicht gestellt. „Mein Vater hatte die Hoffnung, dass das Unternehmen in der Familie weitergeführt wird. Aus der Verpflichtung heraus habe ich es übernommen.“

Sie hatte es ihrem Vater früh versprochen – das galt. Nie sei im Raum gestanden, doch etwas anderes zu machen. Brückner sagt das ohne Groll, sie wertet nicht. Sie hatte Textiltechnik bis zum Vordiplom studiert, später studierte sie Deutsche Literatur, Volkswirtschaftslehre und Organisationspsychologie. Vor allem letzteres schätze sie bis heute, sagt die Unternehmerin. In diesem Studienfach geht es um die Wechselbeziehung zwischen Individuum und Organisation, etwa den Umgang mit arbeitsbedingten Belastungen.

„Manchmal braucht es eine Krise, um Neues zu gestalten“, sagt Brückner rückblickend. In ihrem Fall bedeutete es, das Unternehmen neu aufzustellen. Die Veränderung in den Folgejahren sei massiv gewesen. Innovationen beispielsweise bekamen wieder einen besonderen Stellenwert. Heute fertigt das Unternehmen ausdrücklich nach Kundenwunsch. „Wir bauen hundert bis 150 Anlagen im Jahr. Nie sind zwei identische dabei“, sagt die 54-Jährige.

Sie hat eine Verantwortung für 440 Mitarbeiter und 40 Auszubildende beziehungsweise Studenten – und hat auch deshalb eine klare Haltung zu den Rahmenbedingungen für den baden-württembergischen Mittelstand: „Wir sitzen hier in Deutschland nicht auf einer goldenen Insel.“

Auch Brückner agiere auf einem weltweiten Markt, „auf dem alles miteinander im Wettbewerb steht: Technologie, Arbeitskräfte, Material. Viele Menschen weltweit möchten in ähnlichem Wohlstand leben wie wir – und sind bereit, sich dafür auch entsprechend anzustrengen.“ Auch deshalb wünsche sie sich weniger Bürokratie: „Das bringt niemandem etwas. Es führt auch nicht zu neuer Beschäftigung.“