Der Rohbau für die Erweiterung des Landratsamts am Alten Postplatz in Waiblingen steht. Foto: Gottfried Stoppel

Der Rohbau für die Erweiterung des Landratsamts in Waiblingen ist fertiggestellt. Die Architekten sprechen von einem beispielhaften Modell für künftiges behördliches Bauen, der Waiblinger Baubürgermeister von einem „echten Grund zur Freude“.

Durch die meisten Öffnungen in der Fassade pfeift noch der Wind, doch die Fenster stehen schon bereit. Der Rohbau für die vierstöckige Erweiterung des Landratsamts am „neuen Alten Postplatz“ in Waiblingen, wie der Landrat Richard Sigel den Standort bezeichnet, steht. Ziemlich genau ein Jahr und vier Monate nach der Grundsteinlegung hat er jetzt zusammen mit am Bau Beteiligten, Nachbarn und Kreisräten das Richtfest gefeiert.

Neue Arbeitswelt

Mit der Fertigstellung der Gebäudehülle sieht der Kreisverwaltungschef einen „weiteren Meilenstein“ seiner Gesamtimmobilienkonzeption gesetzt, mit der er zwei Ziele verfolgt: die Landkreisverwaltung bis zum Jahr 2030 klimaneutral und an zwei Standorten konzentriert moderne Arbeitsstrukturen und -abläufe zu gestalten.

Die neue Arbeitswelt, die auf der ehemaligen Tiefgarage zwischen Zulassungsstelle, Polizei und der Villa Roller entsteht, wird in Hybridbauweise erstellt. Rund 80 Prozent des Gebäudes besteht aus Holz. Lediglich dort, wo es die Statik erfordert, etwa in dem Bereich der Aufzüge, wird Beton eingesetzt. „So viel Holz wie möglich, so wenig Beton wie nötig“, lautet das Credo des Stuttgarter Büros a+r, das für den Entwurf verantwortlich zeichnet. Das spart laut dem Architekten Hellmut Schiefer, der das Projekt federführend betreut, nicht nur 75 Prozent des mit einem solchen Bauvolumen normalerweise verbundenen CO2-Ausstoßes ein, auch im späteren Betrieb wird das Bauwerk nach den Kriterien des Gebäudeenergiegesetzes als klimaneutral eingestuft.

Großflächige Photovoltaikanlagen auf Dach und Fassade sollen so viel Strom produzieren, dass damit der Eigenbedarf weitgehend selbst gedeckt werden kann. Das Regenwasser wird in Zisternen gespeichert, überschüssiges Nass über einen eigens angelegten Kanal direkt in die Rems geleitet. Schiefer beim Richtfest: „Die Immobilie am Alten Postplatz ist, so wie sie konzipiert ist, wegweisend. Sie kann als Modellprojekt gesehen werden, die das Bauen in der Zukunft widerspiegelt.“

Auch die Stadt Waiblingen ist zufrieden

Auch aus städtebaulicher Sicht sind die Beteiligten offenkundig zufrieden. Waiblingens Baubürgermeister Dieter Schienmann attestierte beim Richtfest, dass die schwierige Planungsaufgabe, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und architektonische Ansprüche an dieser Stelle unter einen Hut zu bekommen, bestens gelungen sei. Das in seiner Massivität der Nachverdichtung nicht unumstrittene Gebäude passe sich wie ein gelungener Schlussstein in das Entree der Stadt ein, so Schienmann. Ein „homogenes harmonisches Ganzes“ sei entstanden. „Ein echter Grund zur Freude!“

Dass sich bereits aktuell Kommunen wie Freiburg für eine Übertragung des Waiblinger Modells interessieren, liegt hingegen wohl eher an der inneren Struktur der Behörde. Das Gebäude werde nämlich nicht nur schön, sondern sei auch an den Abläufen ausgerichtet, sagt dazu Richard Sigel. So ist dieses in drei Zonen unterteilt, in denen der öffentliche Bereich, der über ein separates Treppenhaus zu erreichen ist, so knapp wie möglich gehalten wird. Wer dort im Empfang sein Anliegen vorgetragen hat, wird danach von einem zuständigen Mitarbeiter in darin anschließenden, wechselseitig nutzbaren Beratungszimmern bedient.

Flexible Gruppenräume statt „Zellenbüros“

Der mit Abstand größte Bereich, das sogenannte Back-Office, ist den Mitarbeitern des Landratsamts vorbehalten. Das habe einerseits den Vorteil, dass die Arbeitswelt der Behörde in flexible Gruppen- statt klassischer „Zellenbüros“ unterteilt werden könne. Andererseits werde auch die Sicherheit der Behördenmitarbeiter deutlich erhöht. Eine Notwendigkeit, die etwa zu Zeiten der Flüchtlingskrise Mitte der 2010er Jahre besonders evident geworden sei, wie der Landrat betont.

Einzug Anfang 2025 geplant

Der Innenausbau soll bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein, sodass die rund 350 Mitarbeiter Anfang 2025 einziehen könnten. Damit wäre man, mit kleinen Abweichungen, nicht nur weitgehend im Zeitplan. Auch die Kosten bleiben im Rahmen. Knapp 90 Millionen Euro hat sich der Landrat für die Neubauten an der Rötestraße und am Alten Postplatz sowie die Sanierung des bestehenden Hauptgebäudes genehmigen lassen. Rund zwölf Prozent liege man darüber, was der Landrat und der Finanzdezernent Peter Schäfer angesichts der Auswirkungen des nicht vorhersehbaren Ukraine-Kriegs für mehr als vertretbar halten. Beide gehen davon aus, dass man auch auf der Zielgeraden von Überraschungen finanzieller Art gefeit sein wird. Schließlich sind 93 Prozent der Bauleistungen bereits vergeben.

Immobilienkonzeption

Konzentration
 2018 hat der Kreistag die von Landrat Richard Sigel vorgeschlagene Gesamtimmobilienkonzeption beschlossen. Diese sieht vor, die bisher auf ein Dutzend Standorte verteilte Verwaltung an zwei Orten zu konzentrieren. Von den dazu nötigen zwei Neubauten ist einer bereits fertiggestellt. An der Rötestraße haben im vergangenen Mai das Ordnungs-, Ausländer- und Gesundheitsamt ihren Betrieb aufgenommen.

Zukunft
 Bereits kommenden Monat soll im sanierten Westflügel des Hauptgebäudes die Wiedereröffnung des Sitzungssaals gefeiert werden. Angrenzend daran sind multifunktionale Sitzungs- und Besprechungsräume entstanden, die auch vom Bereich Katastrophenschutz genutzt werden. Die nächsten Schritte sollen die Sanierung der Backnanger Außenstelle in der Erbstetter Straße sowie des Hochhauses am Alten Postplatz sein. Über eine Sanierung der Pagode aus den frühen 1980er Jahren muss noch entschieden werden.