Treibt das Team an: Julian Nagelsmann Foto: dpa/Federico Gambarini

Bundestrainer Julian Nagelsmann will nach dem 2:3 gegen die Türkei nicht alles schlechtreden, kritisiert seine Spieler vorher aber heftig.

Nein, eine Brandrede war es nicht, zu der Julian Nagelsmann am Samstagabend um kurz vor Mitternacht ansetzte. Eine Wutrede hielt der Bundestrainer auch nicht in der Aufwärmhalle des Berliner Olympiastadions, die zum großen Pressekonferenzraum umgestaltet wurde. So sprach Nagelsmann auf dem Podium unterm grellen Scheinwerferlicht leise, aber sehr bestimmt – denn seine Botschaft nach dem 2:3 gegen die Türkei hatte es in sich. Der erste Vergleich mit den großen Problemen in der Amtszeit seines Vorgängers Hansi Flick aus dem Auditorium hatte Nagelsmann verärgert, und so setzte er zur Replik an. „Wir können jetzt wieder anfangen, alles schwarzzumalen und alles schlecht zu sehen“ sagte er. „Da werden wir aber nicht weiterkommen als Fußballnation.“ Und: „Ich bin weit davon weg, alles negativ zu sehen.“

Kritische Fragen

Das muss Nagelsmann nach seinem Auftakt als Bundestrainer mit dem 3:1 gegen die USA und dem 2:2 gegen Mexiko ja auch nicht – der Coach registrierte nun aber nach dem 2:3 gegen die Türkei die kritischen Fragen, weshalb er mit Blick auf die Aufbruchstimmung in Richtung EM schnippisch reagierte.

Am Morgen danach sah der DFB-Präsident Bernd Neuendorf angesichts der Aussagen in der Nacht offenbar die Notwendigkeit, dem Bundestrainer zur Seite zu springen. „Wir gefallen uns oft darin, in eine toxische Situation zu kommen, alles schlechtzureden, und das war es nicht“, sagte Neuendorf am Sonntagvormittag bei Bild-TV. Volles Vertrauen habe er in den Bundestrainer, ergänzte Neuendorf noch. Und weiter, etwas kryptisch: „Wir müssen Stärken stärken.“

Welche Stärken Neuendorf da genau meinte, ist nach dem weitgehend blutleeren Auftritt gegen die Türken nur zu erahnen – und Nagelsmann selbst war es ja, der noch vor seinen Stimmungsappellen an die Fußballnation am Samstagabend den Finger in die Wunde legte und seine Mannschaft nach dem 2:3 heftig kritisierte. So nervte es den Trainer, dass „einige Spieler nicht die hundertprozentige Überzeugung“ hatten.

Keine Emotionen

Die Emotionen fehlten seinen Jungs, lautete Nagelsmanns Diagnose: „Die Taktik ist zweitrangig, es ist immer erst die Emotion – wenn du da auf 100 Prozent bist, kannst du taktisch auch deutlich schlechter sein“, sagte er. Und weiter: „Wenn die Emotionen nicht so sind, musst du taktisch brillant sein, um das Spiel trotzdem positiv zu gestalten.“ Wie eine in Teilen emotionslose Mannschaft nun wiederum Euphorie im Land entfachen und passend zu seinen Aussagen eine Stimmung, die nicht von Schwarzmalerei geprägt ist, erzeugen soll – das ließ Nagelsmann offen.

Schon an diesem Dienstag geht es in Wien gegen die Österreicher mit ihrem Trainer Ralf Rangnick (20.45 Uhr/ZDF) – die Aufgabe wird nicht leichter als jene gegen mittelklassige Türken. „Die Österreicher bringen extreme Emotionalität rein“, sagte Nagelsmann und ergänzte dies: „Da müssen wir auf demselben Niveau sein, jeder einzelne Spieler.“ Ein Bundestrainer, der Emotionen von seinen Nationalspielern einfordern muss – die Zeichen des Wochenendes sind nicht die besten rund um die DFB-Elf.