Solche Menschenmassen haben sich noch nicht oft auf dem Rathaushof versammelt. Foto:  

Der Rathaushof in Ludwigsburg konnte die Menschenmassen kaum fassen, die für Demokratie und Vielfalt Flagge zeigten. Trotz der großen Teilnehmerzahl blieb alles friedlich.

Als der Rathaushof eigentlich schon voll war, kamen immer noch Menschen. Junge, Alte, mit und ohne Migrationshintergrund, vielfältig, bunt, quer durch alle Gesellschaftsschichten. Manche hielten Regenbogenfahnen oder Europafahnen hoch, Gewerkschaftsmitglieder und Anhänger der Antifa schwenkten ihre Flaggen, ein Kind mit Migrationshintergrund hatte sich in eine Deutschlandfahne gehüllt, zwei junge Frauen hatten sich Peace-Zeichen auf die Wangen gemalt.

Andere setzten auf selbst gemachte Pappschilder. „Nie wieder ist jetzt“, war da zu lesen, „Menschenrechte statt rechte Menschen“ oder Hass ist keine Meinung“. So variantenreich die Texte auch waren, eines war allen gemeinsam: das Bekenntnis zur Demokratie, zur Vielfalt – und gegen Versuche am rechten Rand, die Gesellschaft zu spalten und Menschen mit nicht deutschen Wurzeln in ihre ursprünglichen Herkunftsländer zu schicken, zu „remigrieren“. Versuche, die durch Recherchen des Recherchezentrums Correctiv bekannt geworden waren.

Kämpfen für die Demokratie

Rund 7000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer schlossen sich der Welle der Empörung auf dem Ludwigsburger Rathaushof am Sonntagnachmittag an. Ein paar wenige hatten sich noch auf dem Akademiehof versammelt, wohin die Versammlung übertragen wurde. Der Synagogenplatz, auf dem wegen seiner Symbolik die Kundgebung ursprünglich hätte stattfinden sollen, hätte die Menschenmassen gar nicht fassen können. „Wir müssen für die Demokratie kämpfen. In den letzten Jahren ging es immer weiter nach rechts. Aber die sollen sehen, dass wir mehr sind. Wir sind froh, dass jetzt viele aus dem Loch kommen“, sagte Günther Ahner aus Ludwigsburg, ein Vertreter der älteren Generation unter den Teilnehmern. Er hielt ein selbst gemachtes Schild in den Händen, das ein Rechtsabbiegeverbot zeigte, darunter in Frakturschrift das Wort „Uffbassa“.

Aus Ilsfeld war Lara Boelsch nach Ludwigsburg gekommen. „Ich bin knapp 25, ich habe noch einiges an Zukunft hier“, sagte sie und: „Es ist wichtig, dass man die Wahlprogramme genau liest. Für viele, die nicht weiter denken, mag sich das Wahlprogramm der AfD gut lesen. Aber es wird schwere Folgen haben, wenn sie an die Regierung kommt.“

Eine Mahnung, genau hinzuschauen

Ein Loblied auf Pressefreiheit und Qualitätsjournalismus sang unter großem Applaus der Anwesenden die Ludwigsburger Grünen-Landtagsabgeordnete Silke Gericke, die zu der Kundgebung aufgerufen hatte. Vor allem an die jungen Menschen ging ihre Mahnung, bei den sozialen Medien genau hinzuschauen und Posts nicht unhinterfragt zu teilen. Ein Angriff auf die freien Medien sei auch ein Angriff auf die Demokratie.

Ludwigsburgs Oberbürgermeister Matthias Knecht bezeichnete es als „Wahnsinn“, dass ein Teil der Menschen, mit denen man Arbeit und Freizeit verbringe, „plötzlich weniger wert sein“ solle. Jochen Faber von der Initiative Synagogenplatz, sagte, angesichts von Ignoranz, Hochnäsigkeit und „völkischem Schwachsinn“ könne er „die ganze Zeit nur schreien“ und rief dazu auf, sich zu empören und sich zu engagieren. Für die Wirtschaft sprach Marcos Angas vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, dessen Vater in den Sechzigerjahren als Arbeitskraft nach Deutschland geholt wurde. Er betonte, was alles nicht möglich sei, wenn man Menschen mit ausländischen Wurzeln wieder nach Hause schicke. Und auch die Vertreter dreier unterschiedlicher Parteien im Bundestag – Sandra Detzer von den Grünen, Steffen Bilger von der CDU und Macit Karaahmetoglu von der SPD – demonstrierten trotz sonst unterschiedlicher Meinungen Einigkeit, indem sie gemeinsam auf die Bühne traten.