Winterstimmung bei der Waiblinger Michaelskirche: Nach den Festtagen wird das gotische Gebäude zur unbeheizten „coolen Kirche“. Foto: Gottfried Stoppel

Die einen setzen auf Decken und kürzere Predigten, andere stellen die Heizung komplett ab oder haben ohnehin keine: Wie sparen Kirchengemeinden im Rems-Murr-Kreis und der Region Energie und Kosten?

Ob die Gläubigen, welche einst die im Jahr 1490 vollendete Michaelskirche in Waiblingen besuchten, in der Winterzeit Decken gegen die Kälte mitbrachten? Sicher ist, dass es in der gotischen Kirche aus dem 15. Jahrhundert lange Zeit keine Heizung gab. Mittlerweile lässt sich das Gotteshaus zwar dank einer Vorrichtung im Fußboden, die mit warmer Luft arbeitet, heizen. Das müsse aber langsam, im Verlauf mehrerer Tage geschehen, sagt die Pfarrerin Antje Fetzer von der evangelischen Kirchengemeinde Waiblingen: „Man darf nicht zu stark heizen, sonst entsteht Schwitzwasser in der Orgel und es bildet sich Schimmel. Deshalb heizen wir die Kirche auch nicht für einzelne Tage hoch.“

Für die Orgelstimmung braucht es 18 Grad Celsius

Dieser Tage wird in der Kirche aber ohnehin Energie gespart, genauso wie in Amtsstuben und Büros. Für Gottesdienste wird die Michaelskirche auf 15 Grad erwärmt. Konzertgänger dürfen mit etwas höheren Temperaturen von 18 Grad Celsius rechnen, denn diese Temperatur braucht es, um die Orgel richtig zu stimmen.

„Wir hatten erst kurz überlegt, ob wir enger zusammenrücken und unsere Gottesdienste ins Jakob-Andreä-Haus verlegen“, erzählt Antje Fetzer, die für den Pfarrbezirk Michaelskirche zuständig ist. Doch sehr viele Gemeindemitglieder hätten sich gewünscht, den Gottesdienst in der gotischen Kirche anstatt im Gemeindehaus zu feiern und eine geradezu berührende Anhänglichkeit zur Michaelskirche gezeigt: „Mal sehen, wie es uns dann bei 4 Grad Celsius geht.“

Je nach Wetterlage könnten solch eisige Zeiten im Januar auf die Besucher der Michaelskirche zukommen, denn von 9. Januar an wird das altehrwürdige Gebäude zur „coolen Kirche“ – sprich: die Heizung wird komplett abgedreht, und zwar bis zum 18. März.

Um der Kälte ein Schnippchen zu schlagen, wird die für gewöhnlich ungefähr eine Stunde dauernde Liturgie in dieser Zeit auf 35 Minuten verkürzt. Decken will die Kirchengemeinde keine zur Verfügung stellen. „Wenn wir Decken kaufen, ist der Einspareffekt dahin“, sagt Antje Fetzer, „wir hoffen, dass die Leute einfach selbst welche mitbringen.“ Immerhin sei die Kirche aber mit Sitzkissen aus Filz ausgestattet: „Die geben von unten her schön warm.“

Waiblinger Katholiken feiern bei maximal 13 Grad

In der katholischen Seelsorgeeinheit Remstaltor, zu der Weinstadt, Kernen und Remshalden gehören, finden die Gottesdienste ebenfalls weiter in den Kirchen statt, in andere Gebäude verlegt wird nichts. „Wir haben die Temperaturen etwas gedrosselt, aber frieren soll niemand – das ist unser Weg“, sagt Angela Dippon vom Pfarrbüro der katholischen Kirche St. Anna in Weinstadt-Beutelsbach.

Die katholische Kirchengemeinde Sankt Antonius Waiblingen folge dem Vorschlag der Diözese, berichtet der Pfarrvikar Gerhard Idler. Und dieser laute: maximal 13 Grad Celsius in Gottesdiensten. In Sankt Antonius wie auch in Sankt Johannes in Korb gibt es Fußbodenheizungen, die während der kalten Jahreszeit durchgehend laufen. Die Kirche Sankt Maria in Neustadt-Hohenacker ist hingegen mit Heizstrahlern unter den Sitzen ausgestattet, die bei Kälte angeworfen werden können. Decken könne man dort der Sicherheit wegen nicht einsetzen, sagt Gerhard Idler – das Risiko, dass beim Kontakt mit den Heizstrahlern etwas zu kokeln beginne, sei zu groß.

Die katholische Messe bietet etwas Bewegung

Gottesdienste bei 3 Grad Celsius habe er auch schon hinter sich, sagt der Pfarrvikar. „Das ist schon etwas abenteuerlich, aber harmlos, wenn man bedenkt, was die Menschen in der Ukraine gerade erleben.“ Kürzer als sonst seien die Gottesdienste nicht. „Eine Messe ist eine Messe und dauert eine Stunde.“ Immerhin biete der katholische Gottesdienst mit seiner Choreografie einige Bewegung: „Man sitzt nicht nur, sondern steht zwischendurch auf und kniet hin.“

Auch in der Stadtkirche zu Schorndorf finden weiterhin ganz regulär Gottesdienste statt, allerdings bei niedrigen Temperaturen, berichtet Pfarrerin Dorothee Eisrich: „Die Heizung wird so eingestellt, dass an der Orgel 13 Grad herrschen – denn das braucht sie, um nicht in die Knie zu gehen.“ Die Schorndorfer Kirche sei seit dem Jahr 2015 mit sogenannten Wärmetruhen im Boden ausgestattet, aus denen warme Luft ströme.

Gottesdienste werden verkürzt

Bei rund 13 Grad Celsius lasse sich gut Gottesdienst feiern, findet Pfarrerin Eisrich, nennt aber zwei Ausnahmen: „Wenn Kinder und Streicher im Gottesdienst sind, wird die Temperatur etwas höher eingestellt.“ Auch in Schorndorf sind die Gottesdienste derzeit etwas kürzer als sonst: Anstatt einer Stunde dauern sie nur eine Schulstunde, sprich 45 Minuten. Das komme ganz gut an, berichtet Dorothee Eisrich.

Für fröstelnde Kirchenbesucher hält die Stadtkirche in Schorndorf auch Decken bereit. Und im vorderen Drittel der Kirche, so verrät die Pfarrerin, gebe es zudem Heizstrahler unter den Sitzen, also eine zusätzliche Wärmequelle. Dorothee Eisrich lacht und sagt, sie hoffe, dass diese Extraheizung „den netten pädagogischen Effekt hat, dass die Leute Lust bekommen, in der Kirche etwas weiter vorne zu sitzen“.

Warme Kleidung ist das Gebot der Stunde

Tiefstwert
Viele Kirchengemeinden in der evangelischen Landeskirche haben die Maximaltemperatur in Kirchen auf 16 oder 17 Grad Celsius gesenkt, andere weichen in Gemeindehäuser aus, wo meist Temperaturen zwischen 17 und 19 Grad herrschen. Die 17 Grad gelten zum Beispiel in der Stuttgarter Stiftskirche. Knapp darunter liegen die Temperaturen in der Marienkirche in Reutlingen, die im 13. und 14. Jahrhundert erbaut wurde und ein Wahrzeichen der Stadt ist. In der Kilianskirche in Heilbronn geht man noch etwas tiefer – das Gebäude wird auf 15 Grad Celsius geheizt. Für fröstelnde Besucher liegen 100 Decken bereit. Die Gläubigen können natürlich auch wärmende Decken von zu Hause in die Kilianskirche mitbringen. Zudem strömt unter den gepolsterten Sitzbänken der Kirche, die auf einem Holzpodest stehen, warme Luft heraus.

Heizstrahler aus
Die Besucher der Gottesdienste im Ulmer Münster dürfte die Sparmaßnahme wohl eh ziemlich kalt lassen: Laut Dan Peter, dem Sprecher der Evangelischen Landeskirche, verfügt die Kirche über gar keine zentrale Heizung. Die Besucher sind also niedrige Temperaturen im Winter gewöhnt – diese Woche sollen es um die 4 Grad sein. Die in die Bänke integrierten Heizstrahler erzielen zwar rund 8 Grad, werden aber wohl nicht eingeschaltet, da sie Stromfresser sind, heißt es. „Besucher und Besucherinnen sind gebeten, sich warm anzuziehen inklusive Mützen, Handschuhen und warmen Stiefeln“, so Dan Peter.

Schutzmaßnahmen
Nach den Vorgaben der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart darf zum Schutz der Orgeln und des Kircheninventars eine Grundtemperatur von fünf Grad nicht unterschritten werden. Die Nutztemperatur soll bei maximal 13 Grad liegen.