Zuversichtlich: Janina Berger im Jugendhaus Warmbronn Foto: Simon Granville/Simon Granville

Janina Berger, eine Frau mit Down-Syndrom, leistet seit September im Jugendhaus Warmbronn ihren Bundesfreiwilligendienst ab. Das Inklusions-Experiment funktioniert in mancherlei Hinsicht so gut, dass man dort Pläne schmiedet.

Perfektion im herkömmlichen Sinn ist nicht die Stärke von Janina Berger (20). Beim Tischfußball kullert ihrem blauen Abwehrspieler der Ball ins Eigentor und sie sagt „Oje, oje“. Klar, das passiert auch hoch bezahlten Fußballprofis, aber als jemand alkoholfreies Radler bestellt, saust sie fröhlich zur Bar und bringt naturtrübes, also auch spezielles, Radler zur Sitzgruppe. Auch mit dem Wechselgeld habe Janina Berger manchmal Probleme, sagt Fabian Baumhauer (31), der Leiter des Warmbronner Jugendhauses: „Der Umgang mit Geld ist ein Lernfeld.“ Aber auch diese Probleme seien eigentlich Chancen, weil sie Gespräche zwischen der jungen Frau mit Down-Syndrom und den Jugendlichen auslösen würden. Die Jugendlichen würden so in eine helfende Situation katapultiert.

An diesem Nachmittag sind keine Jugendlichen im Treff Warmbronn – Jugendhaus Leonberg. Zufall, heißt es, vielleicht auch zu kalt draußen. Aber Baumhauer, gelernter Sozialpädagoge, braucht kein Publikum, um über sein Lieblingsthema zu referieren – die Perspektiven, die sich ändern müssten, damit auch Menschen mit Behinderung im ersten Arbeitsmarkt Chancen hätten. Klar, wenn er Janina Berger, die trotz ihres zusätzlichen Chromosoms und der damit einhergehenden Einschränkungen seit September im Jugendhaus ihren Bundesfreiwilligendienst ableistet, mit der Aufgabe betrauen würde, den Kinderkino-Nachmittag selbstständig zu organisieren und durchzuziehen, dann würde vermutlich kein Film laufen. „Aber sie kann sechs Stunden am Stück Popcorn machen und dabei gute Laune haben“, sagt Baumhauer. Gerade im Jugendhaus sei nämlich die Stimmung wichtig, sagt Baumhauer auch, das Klima, also jener Bereich, in dem Janina Bergers Stärken lägen.

Im Prinzip gelte das auch für eine Bankfiliale, findet der Jugendhaus-Leiter: „Wenn man aber immer nur danach geht, wer eine Aufgabe am schnellsten und am besten erfüllt, wird man Menschen mit Behinderung nicht gerecht. Man braucht eine Systemveränderung.“ Janina Bergers Traum nach Abschluss ihres Freiwilligenjahres sei ein Platz im ersten Arbeitsmarkt, „aber die realistische Perspektive für Menschen mit Down-Syndrom ist zu 95 Prozent die Arbeit in einer Behindertenwerkstatt.“ Janina Bergers Schule war ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum, sie wohnt mit ihrer Mutter in Leonberg. Wenn man sie fragt, was sie nach ihrem Freiwilligenjahr machen möchte, fläzt sie sich auf das alte Jugendhaus-Sofa und sagt: „Da gibt’s verschiedene Wege, ich kann Musik und Technik machen.“ Wenn man in Erfahrung bringen möchte, was sie im Jugendhaus arbeitet, sagt sie: „Ich kann sehr gut in der Küche Pizzateig machen, die Wäsche und Pflanzen gießen.“ Und die Jugendlichen? „Die finden mich cool“, sagt Janina Berger, und ihr selbstbewusstes Lachen lässt keine Scham darüber erkennen, dass ihr ein paar Zähne fehlen. Ihre Lieblingsbeschäftigung im Warmbronn sei „Kehren!“

Ein Platz im ersten Arbeitsmarkt

Die Frage ist, wer die Kosten trägt

Janina Berger hat eine Art, die Welt zu beschreiben, die intensiv mit Inklusion befasste Menschen gerne besonders nennen. Wenn man sie beispielsweise fragt, wann sie arbeitet, dann setzt sie sich gerade hin und antwortet: „Von 12 Uhr entweder bis 18, 19, 21, 23 oder 24 Stunden.“ „Ich glaube, du fühlst dich wirklich wohl im Jugendhaus“, kommentiert dies Elisabeth Kolofon, die kommunale Inklusionsvermittlerin. Darauf Janina Berger: „Das stimmt wohl auch wieder.“ Da könnte man sich durchaus vorstellen, dass sie imstande ist, daran mitzuwirken, das Jugendhaus mit Zuversicht zu möblieren.

Deshalb hat Fabian Baumhauer einen Plan für die Zeit nach Janina Bergers Praktikums-ähnlichem mit monatlich 450 Euro bescheiden entlohntem Jahr im Jugendhaus: „Wir würden sie sofort hinterher hier anstellen!“ Die Frage sei halt, wer die Kosten trage. Er hoffe diesbezüglich auf die Vermittlung der kommunalen Inklusionsvermittlerin. „Für mich ist das ein Erprobungsjahr“, sagt Elisabeth Kolofon, „wenn das Jugendhaus etwas ist, das Janina liegt, dann würde ich das unterstützen.“ Grundsätzlich vertritt Kolofon die Ansicht: „Man muss Behinderten die Chance geben, zu zeigen, was sie können.“ Janina Berger kann Wirklichkeit auf eine für sie erfreuliche Art interpretieren: „Weißt du, was du im Jugendhaus verdienst?“, will die Inklusionsvermittlerin von der Frau mit Down-Syndrom wissen. „Nein, das weiß ich nicht“, antwortet Janina Berger. „Viel oder wenig?“, hakt Elisabeth Kolofon nach. Die Antwort kommt lachend: „Natürlich viel!“