Iris Rauskala ist seit vergangenem Juni Rektorin der Ludwigsburger Beamtenhochschule. Foto: Simon Granville

Preußischer Gehorsam gehört der Vergangenheit an. Darauf muss sich auch die Ausbildung an der Hochschule für Verwaltung und Finanzen einstellen, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert.

Mehr Bürgernähe statt nur Paragrafen – wer in der Verwaltung arbeiten möchte, braucht heute eine umfassendere Ausbildung als früher. Dafür möchte Iris Rauskala sorgen, die seit letztem Juni Rektorin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg ist. Vor 50 Jahren wurde diese gegründet und gilt als eine der beiden Kaderschmieden Baden-Württembergs für künftige Staatsdiener – die Schwesterhochschule ist in Kehl.

Lange Zeit war die Ludwigsburger Hochschule wegen ungerechtfertigter Zulagen für einige Professoren in den Schlagzeilen. Die Qualität der Ausbildung ist allerdings unstrittig. Nicht ohne Grund, findet die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin Rauskala, die in der österreichischen Übergangsregierung 2019 Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung war: „Die Hochschule hat ein reizvolles Profil und ist auch innerhalb der deutschen Hochschullandschaft etwas Besonderes.“

Das soll sie auch bleiben, indem das Studium an die sich ständig wandelnden Herausforderungen der Verwaltung angepasst wird, sodass die Absolventen bestmöglich vorbereitet sind. „Man muss Probleme in rascher Taktung lösen, dazu müssen wir die digitale Technik noch viel mehr in den Dienst des Gemeinwohls stellen“, fordert Rauskala.

Bürger wollen mehr beteiligt werden

Doch was zählt heute überhaupt noch das Gemeinwohl, das die Verwaltung ihrem Selbstverständnis nach vor Augen hat? Dazu gab es am Mittwochabend eine Podiumsdiskussion in der Musikhalle – im Rahmen eines Festakts, mit dem das Jubiläumsjahr der Hochschule eröffnet wurde. „Der Vorrang des Gemeinwohls wird nicht mehr so wie früher akzeptiert, stattdessen sollen zunehmend Partikularinteressen durchgesetzt werden“, konstatierte etwa Ralf Broß vom Deutschen Städtetag. Die Stuttgarter Bürgermeisterin Alexandra Sußmann berichtete sogar, ohne Beteiligung der Bürger könne man keine Projekte mehr umsetzen. „Das ist zwar oft mühsam und langwierig, aber ohne eine Partizipation fällt uns das Ganze auf die Füße.“

Die zunehmenden Ansprüche einzelner Bürger gegenüber der Verwaltung dürften neben dem allgemeinen Fachkräftemangel einer der Gründe dafür sein, dass auch in Ludwigsburg die Zahl der Studienbewerber sinkt. „Bis vor Kurzem mussten wir uns nur wenige Gedanken um die Werbung machen; das hat sich geändert“, so Rauskala. „Wer innovative Köpfe anziehen will, muss zeigen, dass er selbst über die entsprechenden Rahmenbedingungen verfügt.“

Digitalisierung und Persönlichkeitsentwicklung

Es gehe dabei um große strategische Projekte und um die Anpassung der Hochschule an gesellschaftliche Entwicklungen. Dazu gehört auch der jüngste Studiengang, das digitale Verwaltungsmanagement, dessen erste Absolventen in diesem Sommer fertig werden. Im Hinblick auf die Digitalisierung in Verwaltung und Ausbildung sieht sie in Baden-Württemberg noch einigen Nachholbedarf.

Doch auch die Persönlichkeitsentwicklung der künftigen Verwaltungsexperten soll im Studium eine Rolle spielen. „Es gibt beispielsweise immer weniger Bürgermeisterkandidaten – viele wollen sich das nicht mehr antun“, stellt sie fest. Deshalb ist es wichtig, die Resilienz zu fördern – die Fähigkeit, auf Probleme und Veränderungen mit einer Verhaltensanpassung zu reagieren und so psychisch stabil zu bleiben. Derzeit erarbeite das vierköpfige Rektorat die Struktur- und Entwicklungsplanung für die nächsten Jahre. Wichtig ist ihr dabei: „Das muss von allen mitgetragen werden.“

Rektorin mit vielfältigem Hintergrund

Auch sie selbst lerne immer noch. Denn „die Verwaltungsstruktur in Deutschland ist anders als die in Österreich, schon aufgrund der Größe des Landes“. Was ihr dabei hilft, ist ihre persönliche Neugierde und Offenheit. „Es ist immer spannend, rauszukommen und zu schauen: ‚Wie ist das in anderen Ländern?’“ sagt Rauskala. „Man muss ja das Rad nicht immer wieder neu erfinden.“ Außer in Österreich hat sie auch in der Schweiz und in Südtirol gearbeitet.

Ihr familiärer Hintergrund ist ebenfalls international: Ihr Vater ist Finne, ihre Mutter Österreicherin. Die Familie ihrer Frau hingegen stamme aus dieser Region, erzählt sie – mit ein Grund, warum sie sich in Ludwigsburg beworben habe. Auch die schwäbische Mentalität, „sofern man überhaupt von einer solchen reden kann“, ist ihr deshalb schon ein bisschen vertraut.

Generell, betont sie, schätze sie regionale Besonderheiten. „Ich bin für ein Europa der Vielfalt: man soll merken, wo man gerade ist.“ An ihrer neuen Heimat schätzt die Naturfreundin die schöne Kulturlandschaft und freut sich darauf, Baden-Württemberg „so nach und nach zu entdecken“ – kulinarische Genüsse eingeschlossen.

Die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen

Geschichte
 Im Jahr 1973 wurde die Höhere Verwaltungsschule Stuttgart in den Hochschulbereich eingegliedert und zur Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Stuttgart. In der Landeshauptstadt blieb sie auch bis 1984. Dann zog sie aus Platzgründen – und wohl gegen den erheblichen Widerstand von Studenten und Dozenten – nach Ludwigsburg. Im September 1999 wurden dort die Hochschulen für öffentliche Verwaltung (FHöV) und für Finanzen (FHF) zusammengelegt – so entstand der seitdem gültige Name.

Bekannte Absolventen
 Der heutige Landrat Dietmar Allgaier hat an der Hochschule studiert, ebenso Steffen Jäger, der Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg, und Gerd Maisch, der frühere Oberbürgermeister von Vaihingen an der Enz.