Dieses Foto vom 12. Oktober 2023 von Planet Labs PBC zeigt eine als „T22“ bekannte Militärbasis im Nordosten Jordaniens. Foto: -/Planet Labs PBC via AP/dpa

Nachdem Tod von US-Soldaten bei einem Drohnenangriff in Jordanien fürchten iran-treue Milizen jetzt Vergeltungsschläge der Amerikaner.

Pro-iranische Milizionäre im Nahen Osten gehen in Deckung: Nach dem Tod von drei US-Soldaten bei einem Drohnenangriff auf ihren Stützpunkt im Dreiländereck von Syrien, Irak und Jordanien haben iran-treue Kämpfer in der Region die Hauptquartiere ihrer Milizen geräumt, weil sie amerikanische Vergeltungsschläge fürchten. Die USA könnten nach ihren ersten Verlusten seit Ausbruch des Gaza-Krieges auch den Iran selbst ins Visier nehmen.

Das Regime in Teheran setzt seit Monaten verbündete Milizen ein, um US-Streitkräfte im Nahen Osten anzugreifen. Damit will der Iran im Konflikt zwischen der Hamas und dem US-Partner Israel Flagge zeigen, ohne selbst in den neuen Nahost-Krieg verwickelt zu werden. Doch der Angriff auf den US-Stützpunkt zeigt, dass Teheran die Kontrolle über seine Hilfstruppen verliert: Der iranisch-amerikanische Konflikt eskaliert, ohne dass die beiden Seiten das eigentlich wollen.

US-Präsident in Bedrängnis

Der „Islamische Widerstand im Irak“, ein Zusammenschluss pro-iranischer Milizen, hatte nach eigenen Angaben am Sonntag eine Kamikaze-Drohne auf den US-Stützpunkt im Dreiländereck stürzen lassen. Die Drohne explodierte in den Mannschaftsquartieren des Vorpostens „T22“ auf jordanischem Boden, tötete drei Soldaten und verletzte mindestens 34 weitere. Wie viele US-Soldaten in „T22“ stationiert sind, ist nicht bekannt. Im Irak befinden sich rund 2500 amerikanische Soldaten, in Syrien 900.

US-Präsident Joe Biden kündigte Vergeltung an. Einige amerikanische Politiker fordern, die US-Militärs sollten Stellungen der iranischen Revolutionsgarde in der Region oder den Iran selbst angreifen. US-Militärs haben seit Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober mehr als 150 Angriffe pro-iranischer Milizen auf amerikanische Stützpunkte im Nahen Osten gezählt. Biden, der einen schwierigen Wahlkampf vor sich hat, ließ die meisten Angriffe bisher mit örtlich begrenzten Schlägen beantworten. Im Januar tötete eine US-Drohne einen pro-iranischen Milizenchef. Innenpolitische Gegner nennen Biden wegen seiner relativ zurückhaltenden Reaktion einen „Feigling“. Jetzt könnte Biden größere Militärschläge anordnen.

Auch wenn „T22“ von pro-iranischen Milizen beschossen wurde – im Interesse der iranischen Führung sei der Drohnenangriff nicht gewesen, sagt der Iran-Experte Arash Azizi. Wahrscheinlich sei der Beschuss das Werk „übereifriger irakischer Milizen“ gewesen, sagte Azizi unserer Zeitung. Dieser „Übereifer“ ist schon länger ein Problem für die iranische Führung. Pro-iranische Gruppen beklagen, dass Teheran trotz seiner oft großspurigen anti-amerikanischen und anti-israelischen Rhetorik nur wenig tut, um Amerika und Israel zu schwächen. Die irakischen Milizen beschweren sich nach Angaben von Azizi, dass sie von US-Raketen und -Kampfflugzeugen angegriffen würden. „Sie sagen: Die Amerikaner achten darauf, keine Iraner zu treffen, aber sie haben kein Problem damit, Iraker zu töten.“

Iran will keine direkte Konfrontation mit den USA

Teheran distanzierte sich am Montag von dem Angriff auf „T22“ und erklärte, die Kräfte des „Widerstandes“ handelten eigenständig. Mit ähnlichen Formulierungen hatte die iranische Regierung in den vergangenen Wochen auch die Angriffe der pro-iranischen Huthi-Miliz auf Schiffe im Roten Meer kommentiert. Doch die Taktik, Partner in der Region zu Angriffen auf US-Militärs zu ermuntern und sich gleichzeitig davon zu distanzieren, funktioniert nach den US-Verlusten nicht mehr: Die iranische Regierung kann nicht die Führungsrolle in der so genannten „Achse des Widerstands“ gegen USA und Israel beanspruchen und gleichzeitig so tun, als sei sie nur Zuschauer.

Der Angriff auf „T22“ bringt deshalb das oberste Ziel der Islamischen Republik in Gefahr: einen direkten militärischen Zusammenstoß mit USA und Israel zu verhindern, weil der Iran dabei den Kürzeren ziehen dürfte. Der Iran verfügt zwar über tausende von Raketen, doch seine Flugabwehr ist schwach und seine Luftwaffe veraltet. „Obwohl Teheran eine Ausweitung des Krieges oder einen direkten Zusammenstoß mit den USA vermeiden will, wird der Iran von der ‚Achse des Widerstands‘ in exakt eine solche Konfrontation hineingezogen“, sagt Arash.

Signale der Deeskalation dürfte die iranische Führung allenfalls hinter verschlossenen Türen an die USA aussenden. Am 1. März stehen Neuwahlen des Parlaments und des einflussreichen Expertenrates an. Teheran achtet deshalb darauf, öffentlich keine Schwäche zu zeigen. Außenamtssprecher Nasser Kanaani machte Israel für die Eskalation verantwortlich und sagte, es gebe Kräfte, die Amerika in den Krieg ziehen wollten. Doch er fügte hinzu: Der Iran wolle nicht, dass sich der Gaza-Krieges in der ganzen Region ausbreite.