Die italienische Küstenwache zieht vor der Küste von Lampedusa Flüchtlinge aus dem Mittelmeer, die in Seenot geraten sind. Foto: AFP/ITALIAN COASTGUARD

Angesichts dieser Entwicklung wird darüber gestritten, wie die Zahl der Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern erhöht werden können.

Europa reagiert zunehmend hilflos auf die steigende Zahl von Migranten. Wegen des ruhigen Sommerwetters wagen offensichtlich immer mehr Menschen die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer. Ziel sind vor allem Italien und Griechenland. Laut Zahlen des Innenministeriums in Rom gelangten bis Montag knapp 100 000 Menschen über den Seeweg ins Land - mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Auch in Griechenland ist nach Informationen aus Regierungskreisen in den vergangenen Tagen ein deutlicher Anstieg der Zahl der Menschen registriert worden, die versuchen, von der türkischen Ägäisküste auf griechische Inseln überzusetzen.

Harter Wettbewerb unter den Schleppern

Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex meldet steigende Zahlen. Seit Jahresbeginn haben so viele Migranten illegal in die EU einzureisen versucht wie seit 2016 nicht mehr, teilte die Behörde in Warschau mit. Bis einschließlich Juli wurden 176 100 unerlaubte Grenzübertritte verzeichnet. Allein über die zentrale Mittelmeerroute Richtung Italien und Malta gelangten über 89 000 Personen nach Europa, mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr. Für die Entwicklung macht die Behörde einen harten Wettbewerb unter kriminellen Menschenschmugglern und gesunkene Preise bei Schleppern in Libyen und Tunesien verantwortlich.

Angesichts dieser Zahlen wird in der EU immer lauter darüber gestritten, wie die Zahl der Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern erhöht werden könnten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat dazu bereits Anfang August ein Maßnahmenpapier vorgelegt. Gleichzeitig arbeitet die Europäische Union (EU) an einer Asylreform. Auch dieses Gesetzespaket umfasst neue Regeln sowie die Überarbeitung bestehender Rechtsvorschriften für die Abschiebung. Die EU-Institutionen wollen das Paket noch vor der Europawahl im Juni 2024 verabschieden.

EU will Zahl der Abschiebungen erhöhen

Laut Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union, haben die EU-Staaten 2022 insgesamt 422 400 sogenannte Rückführungsentscheidungen ausgestellt und damit Migranten zur Ausreise aufgefordert. Allerdings wurde weniger als ein Viertel daraufhin tatsächlich in ein Land außerhalb der EU zurückgeführt. Ein zentrales Problem ist, dass die Herkunftsländer und Drittstaaten oft die Zusammenarbeit bei der Rücknahme von Personen verweigern. Zudem wehren sich viele Betroffene gegen ihre Abschiebung. Häufig verlassen sie den EU-Staat, der die Abschiebung vornehmen möchte, und stellen einen neuen Asylantrag in einem anderen Land.

Die EU-Staaten kooperieren bisher wenig bei Abschiebungen. Aus diesem Grund soll in Zukunft die Zusammenarbeit innerhalb der EU gestärkt und ein gemeinsames europäisches System für Abschiebungen entwickelt werden. Nach dem Willen der Kommission sollen EU-Staaten zum Beispiel die Rückführungsentscheidungen gegenseitig anerkennen. Die Entscheidungen werden seit März zentral im sogenannten Schengener Informationssystem (SIS) gespeichert.

Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen

Die Asylreform sieht vor allem vor, dass ankommende Asylbewerber mit geringer Bleibechance schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden. Dahinter stehen die sogenannten Grenzverfahren. Haben Menschen eine Staatsangehörigkeit, deren Anerkennungsquote für Asyl bei unter 20 Prozent liegt, oder sind sie über einen sicheren Drittstaat in die EU eingereist, sollen sie an der Grenze festgehalten werden. Ihr Anspruch auf Asyl soll dann direkt vor Ort und innerhalb von zwölf Wochen in einem Schnellverfahren geprüft werden. Wer keine Aussicht auf Asyl hat, soll direkt abgeschoben werden.