So könnte die Mitte des Urbanen Dorfs einmal aussehen. Foto: UTA Architekten und Stadtplaner

Vom 10. August an liegt der Entwurf für das IBA-Projekt im Rathaus Rommelshausen aus. Es geht also voran. Andernorts wackeln Projekte für die Bauausstellung angesichts schwieriger Rahmenbedingungen.

Vom kommenden Donnerstag an liegt in Kernens Rathaus in Rommelshausen der Bebauungsplanentwurf für das Quartier Hangweide aus. Damit sei „ein weiterer Projekt-Meilenstein“ erreicht, hieß es in der letzten Sitzung des Gemeinderats vor der Sommerpause. Das Gremium hat den Planentwurf für das „Zukunftsquartier Hangweide“ gebilligt. Dieser kann nun sechs Wochen lang, bis zum 25. September, eingesehen werden. Bürger und sogenannte Träger öffentlicher Belange können in diesem Auslegungszeitraum zu dem Projekt für die in Stuttgart und die Region seit vier Jahren ins Rollen gebrachte Internationale Bauausstellung 2027, kurz IBA’27, Stellung nehmen und eventuelle Bedenken vorbringen.

Wohnraum für 1300 Menschen vorgesehen

Im Quartier Hangweide sind nach derzeitigem Stand der Planungen 15 Baufelder vorgesehen, davon zwei für sogenannte Mobility Hubs mit modernen Vorkehrungen für den ruhenden Verkehr. Vorgesehen sind 640 Wohneinheiten für etwa 1300 Menschen. Ziel ist es, so wurde auch in den Gremiumssitzungen in Kernen nochmals erläutert, auf dem gut acht Hektar großen Gelände ein sozial durchmischtes, verdichtetes und autoarmes „Urbanes Dorf“ mit viel Grün und Begegnungsraum zu schaffen.

Der Bebauungsplan sei dafür gewissermaßen „der Baurechts-Guide“, heißt es dazu von der Kommune. Er liefere den rechtlichen Rahmen für Bauvorhaben. Er habe exakt festzulegen, wie und was gebaut werden darf und regele auch die spätere Nutzung. Einzusehen ist der Planentwurf im Rathaus in Rommelshausen, Stettener Straße 12, während der üblichen Dienstzeiten im Flur des zweiten Stocks. Die Unterlagen können von jedem eingesehen werden, betont die Kernener Verwaltung. Ebenso stünden dieselben Unterlagen auf der Homepage der Gemeinde Kernen zur Verfügung.

70 Prozent der Dachfläche für Solarenergie

Schon im Vorfeld hatten sich durch die frühzeitige Beteiligung von Bürgern und Trägern öffentlicher Belange einige Änderungen ergeben. Im Norden des Plangebiets wurde der Geltungsbereich des Bebauungsplanes in die zukünftige Friedrichstraße erweitert, um die Dorfpromenade der Hangweide anschließen zu können. Bei der Nutzung im Sondergebiet Mobility Hub wurden in den Katalog eine Energiezentrale und eine Paketstation aufgenommen. Entlang der westlichen Randbebauung ist gegenüber von landwirtschaftlichen Ackerflächen nun eine Entwässerungsmulde und ein kleiner Damm zum Schutz der Bebauung vorgesehen. Die westliche Randwegumfahrung wiederum entfällt. Die Außenfläche der geplanten Kita wird erweitert. Bei offener Bauweise ist die Gebäudelänge auf maximal 50 Meter beschränkt, und mindestens 70 Prozent der Dachfläche ist im gemeinschaftlich organisierten Dorf mit urbaner Infrastruktur für Solarenergie vorzusehen.

Ende dieses Jahres, so lautet die weitere Planungsperspektive für das ambitionierte Kernener IBA-Projekt, will man im Gemeinderat einen abstimmungsreifen Bebauungsplan vorlegen. Im Fall der Zustimmung könnte dann im Frühjahr 2024 die Erschließung des Geländes beginnen.

Zur positiven Perspektive dieses IBA-Projekts trägt bei, dass der Landkreis trotz – oder wegen – der Flaute beim privaten Mietwohnungsbau, steigender Zinsen und versiegender Förderquellen an seinem Ziel festhalten will, bis 2027 mindestens 500 bezahlbare Wohnungen neu zu bauen. Das haben Landrat Richard Sigel und Kreisbau-Geschäftsführer Dirk Braune jüngst bei der Jahresbilanz der Kreisbaugruppe bekräftigt.

In diesem Zusammenhang soll auch das Projekt Hangweide von dem Tochterunternehmen des Kreises weiter vorangetrieben werden. Knapp ein Drittel des Areals wird von der Kreisbau erschlossen. Den gleichen Anteil hat sich die Immobiliengesellschaft der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gesichert, der Rest liegt in der Zuständigkeit der Gemeinde Kernen.

Der Kreis nimmt viel Geld in die Hand

Seitens des Kreises sorgt unter den aktuellen Bedingungen ein aus dem vergangenen Jahr datierender Strategiewechsel für weitgehende Planungssicherheit, den der Kreistag trotz massiver finanzieller Verpflichtungen abgesegnet hat. Statt die Immobilien auf der Hangweide wieder zu verkaufen, bleiben diese nach der Fertigstellung im Bestand. Die Kreisbau wird im Urbanen Dorf selbst als Vermieter auftreten. Zunächst muss sie aber – zusammen mit dem Projekt auf dem alten Waiblinger Klinikareal – gut 100 Millionen Euro in die Hand nehmen. Die finanzielle Grundlage dafür hat der Kreistag im vergangenen Herbst geschaffen.

Die Neuausrichtung des Kreises passt dabei durchaus zum Konzept des teils genossenschaftlich und mit vielen gemeinschaftlichen Elementen angedachten Urbanen Dorfs. Außerdem, so sagte Landrat Richard Sigel, zahle sich nun die Strategie aus, einen eigenen Wohnungsbestand aufzubauen und nicht lediglich Projekte an private Bauträger zu vergeben.

Wie etwa beim Winnender IBA-Projekt „wäre andernfalls auch hier wahrscheinlich Stillstand“, sagte der Kreisbau-Geschäftsführer Dirk Braune. Der Baustart an der Hangweide könne der Auftakt für eines der wenigen IBA-Projekte sein, bei denen man im Jahr der Bauausstellung 2027 „tatsächlich schon etwas sehen kann“.

IBA’27-Projekte im Rems-Murr-Kreis

Projektliste
 Zusätzlich zu den bisherigen vier Kreisvertretern mit Projekten auf der inzwischen auf 23 wegweisende IBA-Vorhaben angewachsenen Projektliste haben dieser Tage drei weitere Kandidaten aus dem Rems-Murr-Kreis den Sprung auf diese Liste geschafft: Die Waiblinger Projekte „Bahnhofsvorplatz Waiblingen“ und „Neues Wohnen Korber Höhe“ sowie das Schorndorfer Generationenquartier „Leben in der Vorstadt Schorndorf“.

Rückschlag
 Winnenden hat aus Finanzgründen das Baugebiet „Untere Schray“ bis auf Weiteres zurückgestellt. Folglich wird vom IBA-Projekt der „Produktiven Stadt“ zumindest bis zur Internationalen Bauausstellung 2027 wohl nichts Konkretes zu sehen sein. Laut der ins IBA-Programm aufgenommenen Präsentation sollten sich dort unter dem Titel „Produktives Stadtquartier Winnenden – am Werkshof zu Hause“ Produktionshallen und Mehrfamilienhäuser zwischen Feldern und Wiesen verteilen. Geplant war ein „Quartier, das Gewerbe und Wohnen zusammenbringt“.