Das prunkvolle Haus an der Feuerseestraße 1 Foto: Gottfried /el

Die Stadtbau Schorndorf hat das Geburtshaus von Reinhold Maier, dem ersten Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, aufwendig und mit Liebe fürs Detail saniert. Wir haben eine Blick hineingeworfen.

Wäre das Reinhold-Maier-Geburtshaus ein historischer Daimler, es wäre vor rund fünf Jahren vermutlich als „unverbautes Liebhaberstück mit vielen Originalteilen, fahrbereit, aber ohne Tüv“ annonciert worden. Martin Schmidt, Architekt und Geschäftsführer der Stadtbau Schorndorf, brauchte damals jedenfalls keine zweite Meinung einzuholen, um zu wissen, dass dieses einst prachtvolle und noch dazu geschichtsträchtige Gebäude an der Feuerseestraße 1 ein besonderes Augenmerk verdient und sich die Sanierung lohnt. Die Stadtbau kaufte das Objekt für rund 450 000 Euro und steckte in den vergangenen knapp vier Jahren noch einmal etwa die gleiche Summe in die Sanierung und Modernisierung des denkmalgeschützten Gebäudes.

Gottlieb Maier war ein umtriebiger Zeitgenosse

Entworfen und erbauen lassen hat es der Schorndorfer Stadtbaumeister Gottlieb Maier vor knapp 150 Jahren. „Ein umtriebiger Zeitgenosse“, erzählt Martin Schmidt. „Es gibt noch heute viele Gebäude in der Stadt, die seine Handschrift tragen.“

Wie viele Häuser es genau sind, die der 1847 geborene Architekt und Baumeister in der Daimlerstadt entworfen hat, kann Schmidt nicht genau sagen. Fest steht aber: noch immer prägen Maiers Bauten das Schorndorfer Stadtbild, zum Beispiel die Schlosswallschule, das Karlsstift, die Hahn’sche Mühle, das Deutsche Haus und die Grabkapelle auf dem Alten Friedhof, wo sich übrigens das Familiengrab der Maiers befindet. Auch zahlreiche Stadthäuser und Villen entstammen Gottlieb Maiers Geist und Feder.

Das jetzt so prunkvoll wirkende Wohnhaus entwarf Gottlieb Maier in seiner ersten Version anno 1875 noch relativ einfach für sich und seine Familie, sagt Martin Schmidt. „Es war schmucklos und nüchtern. Im Erdgeschoss Mauerwerk, im Obergeschoss Holz.“ Erst in den Jahren 1899 erweiterte der Architekt sein Domizil und baute es entsprechend um. „Er fügte geschwungene Ziergiebel, einen Turm mit amphorenartigen Spitzen und Schmuckelemente hinzu und verlieh ihm so eine Mischung aus italienischem Barock und französischem Klassizismus“, erläutert Schmidt, dem die historischen Pläne und Bauanträge vorliegen. „Derartige Elemente findet man meines Wissens im Remstal kein zweites Mal“, schwärmt Martin Schmidt. Ob Gottlieb Maier mit den Verschönerungen seine Frau, die Nachbarn oder potenzielle Kunden beeindrucken wollte, kann man nur vermuten.

Zuletzt wohnte eine Nichte Maiers im Haus

In jedem Fall dauerte es bis 1946, ehe sein Sohn Reinhold, zu diesem Zeitpunkt bereits zum ersten Ministerpräsidenten des Landes Württemberg-Baden ernannt, einen Anbau und weitere kleinere Umbaumaßnahmen in Auftrag gab. Später zog es den Landesvater allerdings nach Stuttgart. Dennoch: rund 140 Jahre lang befand sich das Haus in Familienbesitz, berichtet Martin Schmidt. „Zuletzt wohnte eine Nichte von Reinhold Maier in der Hauptwohnung im ersten Stock.“ Nach ihrem Tod übernahm die Stadtbau das Kulturdenkmal und machte sich mit bewährten Handwerksbetrieben an die Arbeit. Zunächst ging es an die Fassade, die im Laufe der Jahre mehrfach überstrichen worden war. „Wir mussten mehrere Schichten Putz abkratzen, bis wir den Originalfarbton erahnen konnten“, erzählt Schmidt. Geworden ist es nun gelblich-sandfarben, drei im Vorgarten gesetzte Strahler lassen das Haus in neuem Glanz erscheinen. Aber nicht nur die Farbe, auch die brüchigen Fensterbänke mussten erneuert werden. Wo Schlosserarbeiten nötig waren, orientierten sich die Fachleute an bestehenden Ornamenten.

Überraschungen bei der Sanierung

Noch viel mehr gab es im Inneren des Gebäudes zu tun. „Weil Wohnungen im Erdgeschoss bewohnt waren, ging das aber nur peu à peu“, sagt der Stadtbau-Geschäftsführer. Vieles war gut erhalten und konnte weiter verwendet beziehungsweise hergerichtet werden: die alten Türen, das Fischgrätparkett aus Hartholz, die farbigen, bleiverglasten Fenster, die schwarz-weißen Karofliesen, der Stuck im Salon, die Stufen und das Geländer im Treppenhaus zum Beispiel. Keine Chance hatten jedoch der alte Teppich und die bis zu 400 Kilo schweren Nachtspeicheröfen. Letztere mussten mit einem Kran durch die Fenster gehoben werden. Bleiben durfte die 50 Jahre alte, grobfaserige Stofftapete im Treppenhaus – nach Reparatur und Anstrich.

Wer einen Altbau saniert, muss immer wieder mit Überraschungen rechnen: „Ich kam in die alte Küche im Obergeschoss, und da lag ein riesiger Schutthaufen, so groß wie von zwei vollen Schubkarren“, erinnert sich der Architekt. Die Frage, welcher Handwerker für den Berg verantwortlich war, erübrigte sich beim Blick nach oben: Es war ein Loch in der Decke. Feuchtigkeit und Schwerkraft hatten ihren Teil dazu beigetragen, dass Teile heruntergebrochen waren. Also zwei weitere Posten ins Aufgabenheft: „Dach und Dachterrasse abdichten.“ Stets erfolgten die Planungen und Arbeiten in enger Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde. „Wir haben einen guten Draht zur Behörde, wenn man unter Auflagen saniert, gibt es keine Lösungen von der Stange.“ Doch Modernisierungen waren dringend nötig; etwa beim Einbau elektrischer Leitungen, der Gasheizung oder bei der Einrichtung eines ordentlichen Bades mit Dusche. Auch wurden unter dem Dach aus mehreren einzelnen Kammern zwei komplett neue Wohnungen geschaffen; 60 und 80 Quadratmeter groß. Sechs Wohnungen umfasst das Reinhold-Maier-Haus jetzt. „Die Reaktionen auf die Sanierung waren bislang durchweg positiv“, sagt Martin Schmidt. „Bis auf die 160 Quadratmeter große Hauptwohnung sind alle vermietet“, sagt Schmidt. Es plagen ihn auch keine Sorgen, dass die Wohnung in der Beletage lange leer stehen könnte. Wer sich als Mieter bewerben möchte, kann sich übrigens direkt an die Stadtbau wenden.

Keine Lösungen von der Stange