Nato-Generalsekretär Stoltenberg eröffnet eine Sitzung auf dem Gipfel in Vilnius. Die Allianz verpflichtet sich, die Ukraine weiter zu unterstützen, der größte Wunsch Kiews wird aber nicht erfüllt. Foto: dpa/Mindaugas Kulbis

Statt einer Zusage für einen Beitritt zum Bündnis bekommt Kiew nur die Zusage für mehr Waffenlieferungen. Dem ukrainischen Präsidenten aber ist das zu wenig, und er macht aus seiner Frustration keinen Hehl.

Wolodymyr Selenskyjs größter Wunsch wird nicht erfüllt. Immer deutlicher wird, dass die Ukraine auch auf dem zweitägigen Nato-Gipfel in Vilnius keine offizielle Einladung zum Beitritt bekommen wird. Hinter den Kulissen wurde lange an den Formulierungen gefeilt, um diese Absage so freundlich wie möglich zu verpacken. Schließlich hieß es in dem Text: „Die Zukunft der Ukraine ist in der Nato. Wir bekräftigen unsere auf dem Gipfeltreffen 2008 in Bukarest eingegangene Verpflichtung, dass die Ukraine ein Mitglied der Nato wird (...).“ Zu einer Einladung der Ukraine zu einem Bündnisbeitritt wird die Nato der Erklärung zufolge allerdings erst in der Lage sein, „wenn die Verbündeten sich einig und Voraussetzungen erfüllt sind“. Als konkrete Beispiele werden „zusätzliche erforderliche Reformen im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors“ genannt.

Die Ukraine fordert ein klares Signal

Der ukrainische Präsident machte angesichts dieses Zögerns aus seiner Frustration keinen Hehl. „Es sieht so aus, als ob es keine Bereitschaft gibt, die Ukraine in die Nato einzuladen oder sie zum Mitglied der Allianz zu machen,“ schrieb er auf Twitter. Selenskyj hatte noch am Vorabend des Gipfels verbindliche Zusagen von der Nato verlangt. Die Ukraine verdiene die Mitgliedschaft. „Nicht jetzt, denn jetzt herrscht Krieg, aber wir brauchen ein klares Signal“, betonte er.

Mit der Einschränkung in der Erklärung wird auf die Vorbehalte von Ländern wie Deutschland und den USA eingegangen. Sie hatten in den Verhandlungen darauf gedrungen, dass ein Nato-Beitritt weiter an die Erfüllung von Bedingungen geknüpft sein sollte. So muss nach Bündnisstandards zum Beispiel das Militär einer zivilen und demokratischen Kontrolle unterliegen.

Deutschland liefert mehr Waffen an Kiew

Deutschland zählt nach den USA zu den größten Unterstützern der Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte zum Auftakt des Nato-Gipfels an, dass die Bundesregierung noch mehr Waffen, Munition und militärische Ausrüstung im Wert von knapp 700 Millionen Euro liefern werde. Unter anderem soll die von Russland angegriffene Ukraine weitere 40 Schützenpanzer vom Typ Marder, 25 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1A5 und fünf Bergepanzer aus Industriebeständen sowie zwei Abschussgeräte für Patriot-Flugabwehrraketen der Bundeswehr bekommen.

Waffen neuer Qualität sind in dem Hilfspaket nicht enthalten. Die von der Ukraine geforderten Marschflugkörper Taurus werden weiter nicht geliefert. Die Ukraine wünscht sich diese Waffen, um Stellungen der russischen Streitkräfte in der Ukraine weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Die Bundesregierung ist dabei zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen können. Großbritannien liefert als erstes Nato-Land bereits jetzt Marschflugkörper. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte an, dass auch Frankreich nun solche Waffen liefern will. Die USA halten sich damit noch zurück, genauso wie Deutschland.

Schwedens Weg in die Nato ist frei

Die Bundesregierung hat für die Ukraine seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 bis zum 30. Juni 2023 bereits Rüstungslieferungen für 3,9 Milliarden Euro aus Bundeswehr- und Industriebeständen genehmigt. Hinzu kommen Lieferungen, die nicht genehmigt werden müssen.

Wegen der Unstimmigkeiten in Sachen Ukraine geriet ein Erfolg für Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg etwas aus dem Fokus. Er konnte am Montagabend nach monatelangen Verhandlungen ein Ende der türkischen Blockade der Bündniserweiterung ankündigen. Präsident Recep Tayyip Erdogan stimmte demnach bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zu, das für die Aufnahme Schwedens nötige Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament zur Zustimmung vorzulegen. Schweden könnte bereits im Herbst das 32. Bündnismitglied werden.

Die Erweiterung der Nato zeigt Putins Scheitern

Stoltenberg wertete die Erweiterung des Verteidigungsbündnisses als Zeichen für ein Scheitern der Politik Putins. „Er zog in den Krieg, weil er weniger Nato wollte. Er bekommt mehr Nato“, sagte er. Dass Finnland schon Mitglied sei und Schweden nun Mitglied werde, zeige, dass Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ein „großer strategischer Fehler“ gewesen sei. Er habe sowohl die Ukrainer und die Geschlossenheit der Nato unterschätzt.