Drei Frauen, eine Frage: Karin Groschwitz-Mertens, Susanne Geiger und Birgit Hamm ((von links) wollen die Herrenberger sensibilisieren. Foto: Eibner-Pressefoto/Michael Memmler

Aufrüttelnde Fragen und klare Ansagen: Mit bunten Kreidebotschaften machen engagierte Frauen in Herrenberg auf das Thema Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Der Anlass ist der offizielle Aktionstag am 25. November, doch Gründe gibt es täglich.

Am Bahnhof, an den Schulen, an der Stabi und an anderen zentralen Stellen in der Stadt sind nun eine Menge Slogans zu finden: „Frei leben ohne Gewalt“, „#Jede Vierte“, „Nein heißt Nein“, „Ohne Gewalt leben!“ und „Wie könnte ich dich lieben, wenn du mich schlägst?“, steht dort auf dem Asphalt oder an Mauern geschrieben.

Botschaften aus Kreide

Verfasst haben die Botschaften Mitglieder des Gleichstellungsbüros, des Herrenberger Frauennetzwerkes, des Gemeinderats und der Frauenliste. Vom Bahnhof sind sie ab dem Donnerstagnachmittag sternförmig ausgeschwärmt, um überall in Herrenberg das Bewusstsein gegen Gewalt an Frauen zu schärfen. Zwar haben sie auf ein „bisschen mehr Frauen gehofft“, sind aber guten Mutes. Manche Frauen werden sich auch nach Feierabend noch an der Aktion beteiligen. Passanten bleiben neugierig stehen und beobachten die Frauen. „Wir brechen das Schweigen, wehren uns gemeinsam und setzen ein Zeichen“, sagt Birgit Hamm, seit zwei Jahren Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Herrenberg ist. „Alle sollen mitkriegen, dass es mitten unter uns passiert.“

Es war mutmaßlich in New York, wo Betroffene erstmals Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Raum mit Botschaften „angekreideten“. Damals ging es um das so genannte Cat-Calling, sexuell übergriffige Kommentare, denen Frauen im Alltag begegnen. An den Schauplätzen der sexuellen Belästigung hinterließen die Opfer ihre Kreidenachrichten.

Die Zahlen zu Gewalt an Frauen sind erschreckend: Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 113 Frauen von ihren Partnern getötet. „Statistisch gesehen ist der gefährlichste Mann im Leben einer Frau der Partner“, sagt Susanne Geiger von der Frauenliste. Juristinnen und Soziologinnen plädieren dafür, nicht von Ehekrisen oder Familiendramen, sondern von „Femiziden“ zu sprechen. „Sie wurden umgebracht, weil sie frei leben, sich kleiden oder trennen wollten“, stellt Susanne Geiger von der Frauenliste fest. Man müsse das als Femizid benennen und in die Statistik einfließen lassen. Noch hapere mit der statistischen Aufarbeitung.

Auch Männer können Opfer sein

Auch im Kreis Böblingen ist Gewalt gegen Frauen präsent. Während die Beratungsstelle Amila bei Häuslicher Gewalt im Jahr 2021 noch 263 Beratungsgespräche absolvierte, waren es in diesem Jahr allein bis August schon 274. „Corona hat die Zahlen raufgetrieben“, sagt Birgit Hamm. Vielleicht trauen sich aber auch mehr Frauen, sich gegen Gewalt zu Wehr zu setzen. Auch Männer können Opfer häuslicher Gewalt werden. „Etwa 20 Prozent der Opfer sind Männer“, sagt Birgit Hamm. Dabei handle es sich vor allem um psychische Gewalt. Neben Erwachsenen helfen die Beratungsstellen Amila, Thamar und das Waldhaus Hildrizhausen Kindern und Jugendlichen mit Gewalterfahrungen.

Am Freitagabend gipfelte die Ankreide-Aktion in einer Fahnenhissung mit Musik und Texten vor der Stadtbibliothek. Und das Kommunale Kino zeigte den Film „Der Taucher“, der von häuslicher Gewalt handelt.

Hilfe in der Not

Kontakt
 Amila ist unter der Telefonnummer 0 70 31/63 28 08 und der E-Mail-Adresse info@amila-beratung.de erreichbar. Außerdem können sich Frauen an die Beratungsstelle Thamar gegen sexualisierte Gewalt des Landkreises wenden (07031/22 20 60, E-Mail: beratungsstelle@thamar.de)

Männer
 Für Männer gibt es ebenfalls Ansprechpartner: die Männerberatung des Waldhauses Hildrizhausen (Telefon 07031/410 68913, seitz@waldhaus-jugendhilfe.de)