Das Schifa-Krankenhaus ist das Größte im Gazasteifen. Foto: Victor R. Caivano/AP/dpa

Israel liefert sich erneut Gefechte in der Klinik. Derweil schickt die Regierung eine neue Delegation zu den Vermittlungsgesprächen über eine Feuerpause. Die Ereignisse im Überblick:

Gaza/Tel Aviv - Vor dem Hintergrund anhaltender Kämpfe im Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza hat die israelische Armee die Menschen in dem Gebäude sowie in den umliegenden Vierteln zum Verlassen der Konfliktzone aufgerufen.

"Um Ihre Sicherheit zu gewährleisten, müssen Sie das Gebiet sofort nach Westen und dann (...) zum humanitären Bereich in Al-Mawasi (an der Gaza-Küste) evakuieren", schreibt ein israelischer Militärsprecher auf der Plattform X. Der Aufruf richtete sich an alle Personen im Stadtteil Rimal sowie im Schifa-Krankenhaus und seiner Umgebung. Augenzeugen zufolge wurden über dem Gebiet auch Flugblätter mit diesem Aufruf abgeworfen.

Israels Armee: Hamas hat sich neu gruppiert

Kampfeinheiten der israelischen Streitkräfte waren in der Nacht zum Montag in das größte Krankenhaus des Gazastreifens eingerückt. Ein Armeesprecher hatte das damit begründet, dass sich die islamistische Hamas neu gruppiert und im Spitalskomplex verschanzt habe. Nachrichtendienstliche Informationen deuteten darauf hin, dass die Klinik von ranghohen Mitgliedern der Hamas zur Durchführung terroristischer Aktivitäten genutzt werde. Die Angaben lassen sich unabhängig nicht überprüfen.

Ursprünglich hatte die Armee erklärt, dass für die Patienten und das medizinische Personal keine Verpflichtung bestehe, das Krankenhaus verlassen zu müssen. Augenzeugen berichteten am Montagvormittag, dass die Kämpfe anhielten. Die israelische Armee habe bis dahin rund 80 Menschen festgenommen, unter ihnen medizinisches Personal. Nach diesen Angaben, die sich gleichfalls nicht unabhängig überprüfen lassen, halten sich in dem Komplex 3000 Patienten und 10.000 Kriegsvertriebene auf.  

Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium teilte mit, dass das unangekündigte militärische Vorgehen Israels im Schifa-Krankenhaus "auf die Zerstörung des Gesundheitswesens im Gazastreifen abzielt". Die Hamas hielt in einer Erklärung fest: "Die israelische Armee begeht ein neues Verbrechen gegen das Schifa-Krankenhaus."

Hamas Funktionär getötet

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben im Schifa-Krankenhaus einen ranghohen Funktionär der Hamas getötet. Es handele sich dabei um Faik al-Mabhuh, Leiter einer Abteilung für innere Sicherheit der Hamas, die auch für operative Einsätze zuständig sei, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung des Militärs und des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet. Al-Mabhuh sei auch "zuständig für die Koordinierung von Hamas-Terroraktivitäten im Gazastreifen" gewesen. Von der Hamas gab es zunächst keine offizielle Bestätigung für den Tod von Al-Mabhuh. 

Al-Mabhuh sei getötet worden, nachdem Geheimdienstinformationen über die Anwesenheit ranghoher Hamas-Mitglieder in dem Schifa-Krankenhaus eingegangen seien, erklärte die Armee. Er habe sich bewaffnet in einem Gebäude des Krankenhauskomplexes versteckt gehalten und sei bei einer Konfrontation mit den Truppen getötet worden, hieß es in der Mitteilung. In dem Raum neben seinem Versteck seien mehrere Waffen gefunden worden.

Israel schickt Delegation nach Katar

Israel wird derweil erstmals seit zwei Wochen wieder an den indirekten Verhandlungen über eine vorläufige Waffenruhe und Freilassung der Geiseln im Gaza-Krieg teilnehmen. Das israelische Sicherheitskabinett habe die Abreise einer Delegation unter Leitung des Chefs des Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, an diesem Montag nach Katar genehmigt, berichteten israelische Medien.

In der dortigen Hauptstadt Doha bemühen sich die Vermittler Katar, Ägypten und die USA, die zuletzt ins Stocken geratenen Gespräche über eine vorläufige Waffenruhe und einen Austausch von israelischen Geiseln gegen palästinensische Häftlinge voranzubringen. Israels Sicherheitskabinett habe der Delegation aber nur ein allgemeines Mandat erteilt, schrieb der gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid vom Nachrichtenportal "Axios" auf der Plattform X (vormals Twitter).

Netanjahu bekräftigt Einsatz in Rafah

Die Drohung mit einer unmittelbar bevorstehenden Offensive in Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens sei nach Ansicht israelischer Beamter und Analysten ein wichtiges Druckmittel Israels bei den Gesprächen, berichtete das "Wall Street Journal". In Rafah suchen derzeit nach Schätzungen 1,5 Millionen Palästinenser auf engstem Raum und unter elenden Bedingungen Schutz. Hilfsorganisationen warnen vor vielen weiteren zivilen Todesopfern.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte vor seinem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag nochmals klargemacht, dass er an einem Militäreinsatz in Rafah festhalte und ein Ende des Gaza-Krieges vor Erreichen aller israelischen Ziele entschieden ablehne. Scholz wiederum redete Netanjahu bei seinem Besuch ins Gewissen und verwies auf das immense Leid der Zivilbevölkerung. "Wir können nicht danebenstehen und zusehen, wie den Palästinensern der Hungertod droht", sagte Scholz. "Das ist nicht das, wofür wir stehen." 

Israel habe aber noch keine Truppen für den Einmarsch in die an Ägypten grenzende Stadt in Stellung gebracht, berichtete das "Wall Street Journal". Netanjahus Regierung stecke in einer Zwickmühle, zitierte die Zeitung einen Militäranalysten des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv.

Netanjahu könne keine Truppen nach Rafah beordern, bevor er nicht einen klaren Evakuierungsplan für die Menschen dort aufgestellt habe. Man werde in Rafah vorgehen, sagte Netanjahu am Sonntag zu Beginn einer Kabinettssitzung. Das werde einige Wochen dauern, aber es werde passieren. Unklar war, ob er damit meinte, dass der Einsatz in Rafah in einigen Wochen stattfinden oder mehrere Wochen dauern würde.

Netanjahu: Neuwahlen würden Krieg beenden und Israel lähmen

Einige in der internationalen Gemeinschaft versuchten, den Krieg zu beenden, bevor alle Ziele erreicht seien, zitierte die "Jerusalem Post" Netanjahu weiter. "Sie tun dies, indem sie falsche Anschuldigungen gegen die israelischen Streitkräfte, gegen die israelische Regierung und gegen den israelischen Ministerpräsidenten erheben", fügte Netanjahu demnach hinzu.

"Sie tun dies, indem sie versuchen, jetzt, mitten im Krieg, Wahlen herbeizuführen. Und sie tun dies, weil sie wissen, dass Wahlen jetzt den Krieg beenden und das Land für mindestens sechs Monate lähmen würden", zitierte die Zeitung Netanjahu.

Biden: Mehr Hilfe für Gaza und Feuerpause dringend notwendig

US-Präsident Joe Biden machte unterdessen erneut deutlich, dass er eine Aufstockung der humanitären Hilfe für die Menschen im Gazastreifen und eine Verständigung über eine Feuerpause für dringend notwendig hält. Man müsse außerdem vorankommen mit einer Zweistaatenlösung, die der "einzige Weg" zu dauerhaftem Frieden und Sicherheit sei. Damit ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Netanjahu lehnt eine solche Zweistaatenlösung genauso ab wie die Hamas.

Israel macht derweil weiter Jagd auf die Anführer der Hamas im Gazastreifen. Man werde weiter im Einklang mit dem Völkerrecht gegen die Hamas vorgehen, die systematisch Krankenhäuser und zivile Infrastruktur benutze, erklärte die Armee bei der Bekanntgabe über einen erneuten Einsatz im Schifa-Krankenhaus.

Auch die US-Regierung hatte Israels Darstellung gestützt, wonach die Hamas das größte Krankenhaus im Gazastreifen als Kommandozentrum und Waffenlager benutzt haben soll. Das israelische Militär war bereits Mitte November trotz massiver internationaler Kritik in das Schifa-Krankenhaus eingedrungen. Dort fand die Armee nach eigenen Angaben einen Tunnelkomplex der Hamas.

Bericht: Zerstörung der Tunnel kann das ganze Jahr dauern

Die Zerstörung der weitverzweigten unterirdischen Tunnel der Islamisten könnte nach Ansicht der israelischen Militärexpertin Miri Eisin noch das ganze Jahr über dauern, berichtete das "Wall Street Journal". "Alles, was es braucht, ist ein offener Tunnel, von dem wir nichts wussten, damit die Hamas-Kämpfer vom Süden in den Norden kommen können", sagte die frühere Offizierin der israelischen Streitkräfte der US-Zeitung. Die andauernden Kämpfe ließen erahnen, wie schwierig es sein könnte, die Hamas zu unterwerfen, schrieb die Zeitung. Die Hamas habe zwar die Kontrolle über einen Großteil des Gazastreifens verloren, setze aber den Kampf von den Tunneln aus fort. Die Kämpfe würden dabei sporadischer.

Die Hamas hatte den Vermittlern kürzlich einen neuen Vorschlag vorgelegt. Darin verlangt die Hamas nicht mehr, dass Israel den Krieg beendet, bevor die ersten Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden. Dem Vorschlag zufolge würden die Islamisten die Einstellung der Kampfhandlungen durch Israel erst zur Voraussetzung für eine zweite Phase der Geiselfreilassungen machen.

Damit näherte sich die Hamas den Inhalten eines mehrstufigen Plans an, den die Vermittler vor mehreren Wochen vorgelegt hatten und den Israel akzeptiert hatte. Weil sich die Hamas nun bewegt hat, ist Israel bereit, erstmals seit zwei Wochen wieder an den indirekt geführten Vermittlungsgesprächen in Katar teilzunehmen. Direkt verhandeln Israel und die Hamas nicht.

Am 7. Oktober vergangenen Jahres hatten Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen im Zuge eines Massakers in Israel rund 250 Menschen verschleppt. Während einer Feuerpause Ende November kamen 105 Geiseln frei. Laut Israels Regierung sind noch rund 100 Geiseln am Leben. Das Massaker war der Auslöser des Krieges im Gazastreifen.