Die deutschen Fußballerinnen bestreiten gegen die Niederlande und Brasilien echte Härtetests. Mit Melanie Leupolz ist erst zum dritten Mal in der DFB-Geschichte eine Mutter dabei.
Es waren zackige Kommandos, die am Mittwochmorgen in einer Ecke des Trainingsplatzes auf dem DFB-Campus erklangen. Fitnesstrainer Julius Balzmeier scheuchte die deutschen Fußballerinnen bei strahlendem Sonnenschein, aber kühlen Temperaturen durch einen anspruchsvollen Parcours mit vielen koordinativen Elementen. Als dann der Ball bei Alexandra Popp, Svenja Huth und Lina Magull ins Spiel kam, stand auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wachsam daneben. Ihre Aufforderung: „Sauber arbeiten!“
Es ist die Losung für die Länderspiele gegen die Niederlande in Sittard (Karfreitag 20 Uhr/Sportstudio.de) und gegen Brasilien in Nürnberg (Dienstag 18 Uhr/ARD). So viele Ungenauigkeiten wie zuletzt gegen Schweden (0:0) sollte sich der Vize-Europameister nicht noch einmal leisten, um vor der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) keine größeren Zweifel an Form und Fitness zu säen.
Leupolz hat bis kurz vor der Geburt viel Sport gemacht
Gerade die physischen Komponenten entwickeln sich auf internationalem Niveau rasanter als das technische Niveau. Diese These bestätigt der Sportliche Leiter Joti Chatzialexiou. Er spricht deshalb einer nach anderthalb Jahren zurückgekehrten Spielerin ein Riesenkompliment aus: Melanie Leupolz wurde im September vergangenen Jahres zum ersten Mal Mutter und bestreitet bereits seit Ende Januar für den FC Chelsea wieder Pflichtspiele. Ihr Fitnesszustand nach der Babypause sei auf einem exzellenten Niveau, heißt es.
„Ganz wichtig war, dass ich bis kurz vor der Geburt relativ viel Sport gemacht habe“, sagte die 28-Jährige in einem DFB-Interview. Die Übungen hatte sie per Zoom-Call mit den Chelsea-Experten durchgesprochen. Nach der Entbindung habe sich ihr Körper „gut erholt: Ich bin selbst erstaunt, dass es so schnell geklappt hat.“
Ein gebrochenes Nasenbein kann die Nationalspielerin nicht bremsen
Vergangene Woche beim Vorstoß ins Halbfinale der Champions League gegen Olympique Lyon wurde sie zum Sinnbild der Entschlossenheit, weil sie blutüberströmt ausgewechselt werden musste. „Wenigstens passt die Farbe meiner Nägel“, schrieb sie danach in ihrer Instagram-Story. Wie erst jetzt herauskam, hatte sie sich das Nasenbein gebrochen, das am Mittwoch in Frankfurt gerichtet wurde. Es war der ausdrückliche Wunsch der 75-fachen Nationalspielerin, deswegen nicht abzureisen. Sie will mit Maske bald wieder trainieren. Und sie hofft darauf, dass sie vor großer Kulisse gegen Brasilien im Max-Morlock-Stadion beim Abschied von Dzsenifer Marozsan zum Einsatz kommt: Beide haben bei der EM 2013 und den Olympischen Spielen 2016 gemeinsam die letzten großen Titel gewonnen.
Für ihre dritte WM unternimmt Leupolz in London so manchen Spagat. „Es ist sehr anstrengend, daraus muss man kein Geheimnis machen.“ Bei der Betreuung ihres Sohnes wird vieles über den Arbeitgeber geregelt, wenn sie dann den restlichen Tag mit ihm verbringe, gebe ihr das „enorm viel Energie“. Der Verein hat ihren Vertrag als Zeichen der Wertschätzung bis 2026 verlängert, und Teammanagerin Emma Hayes, die selbst Mutter ist, steht voll hinter ihrer Nummer acht. Generell müsse noch mehr getan werden, findet Leupolz, „denn es gibt inzwischen immer mehr Fußballerinnen, die diesen Weg gehen“. Man könne nach der Rückkehr „sogar besser als vor der Schwangerschaft“ sein. Die gebürtige Allgäuerin möchte ausdrücklich anderen Frauen zeigen, „dass es möglich ist, Karriere und Familien vereinen zu können“ – wenn entsprechende Unterstützung vorhanden ist.
Die sichert ihr fürs Nationalteam auch Voss-Tecklenburg zu: „Ich habe viel mit Melli telefoniert. Sie ist auf einem guten Weg.“ Die 55-Jährige freute sich bereits vor der Maßnahme auf „spannende Gespräche“, schließlich war sie mit 25 ziemlich ungeplant die erste deutsche Nationalspielerin, die nach der Geburt ihrer Tochter Dina wieder die Schuhe schnürte – damals als Alleinerziehende fast ohne Rückendeckung. „Es gab Momente, in denen ich mich gefragt habe: ‚Martina, kannst du das noch?‘“, sagte die Bundestrainerin einmal.
Die USA oder die skandinavischen Länder sind fortschrittlicher
Es verging viel Zeit, bis mit der aktuell erneut schwangeren Torhüterin Almuth Schult eine zweite Nationalspielerin folgte, die nach der Geburt ihrer Zwillinge unter größten Anstrengungen zurückkam, aber zur EM in England im Vorjahr ihren Stammplatz dauerhaft an Merle Frohms verloren hatte.
Melanie Leupolz ist erst die dritte in der langen Geschichte des deutschen Frauenfußballs, der auf diesem Gebiet weit weniger fortschrittlich ist als die USA oder die skandinavischen Länder.