Auch gemeinsame Sport-Einheiten gehören zum Heimaturlaub dazu. Foto: Werner Kuhnle

Raus aus dem Alltag und Gemeinschaft genießen – das geht bei „Urlaub ohne Koffer“ in Steinheim. Das sei auch gut für die Psyche, sagt eine Expertin. Ein Besuch bei einem besonderen Angebot für Senioren.

Bei der gemeinsamen Gymnastik geht’s rund, in der Spielhölle wird gezockt, in den Liegestühlen relaxt, beim Mittagessen so richtig geschlemmt: Endlich Urlaub! Das gilt dieser Tage nicht nur für jede Menge Schüler und Familien, sondern auch für 30 Seniorinnen und Senioren in Steinheim. Sie machen „Urlaub ohne Koffer“: Drei Tage lang Wohlfühl-Auszeit im Gemeindehaus tagsüber mit allem drum und dran. All inclusive sozusagen.

Nachts wird daheim im eigenen Bett geschlafen. Ein Fahrdienst holt die Senioren morgens ab und bringt sie abends nach Hause. So ein richtiger Urlaub mit wegfahren, das gehe nicht mehr, sagt zum Beispiel Lina Baudisch, eine der Teilnehmerinnen. „Aber das hier ist richtig schön.“

„Wegen der Gemeinschaft“

Richtig schön finden alle, die man fragt, vor allem das Gemeinsame, das Schwätzen mit anderen, das Zusammensitzen beim Essen, beim Kaffee, beim Brettspiel, bei den Aktionen im Programm. Die Steinheimerin Gerda Krauß ist 89 Jahre alt und kommt immer wieder zu „Urlaub ohne Koffer“. „Wegen der Gemeinschaft“, sagt sie.

Wie sie sind viele der älteren Menschen, vor allem Frauen, verwitwet, und verbringen ihren Alltag sonst weitgehend alleine. „Dass man die Unterhaltung wieder hat“, freut sich eine andere Teilnehmerin an der dreitägigen Auszeit. „Da erfährt man mal wieder, was in den Ortschaften los ist.“

Und der Austausch und die gewinnbringende, wohltuende Begegnung sowie Aktivitäten machen nicht nur offenkundig Spaß, sie unterstützten gesundes Altern und stärkten das Gehirn, sagt Sarah Straub, Psychologin und Demenz-Expertin. Das belege eine eine Vielzahl an Studien.

Ob die Gemeinschaft, das Aktivsein Krankheiten wie Demenz oder Depressionen vorbeugen kann? Hier unterscheidet die Expertin klar zwischen den unterschiedlichen Diagnosen. „Demenzerkrankungen sind in ihrer Entstehung sehr komplex, und es ist nicht möglich, das Erkrankungsrisiko auf Null zu setzen, egal wie gesund man lebt“, sagt Sarah Straub. „Aber ein aktiver, gesunder Lebensstil und das Pflegen sozialer Kontakte wirken tatsächlich dahingehend präventiv, dass sie das Erkrankungsrisiko senken helfen.“ Oder, wer schon eine Demenzdiagnose hat, könne von solchen Aktivitäten profitieren, „denn sie stärken vorhandene Ressourcen und können so den demenzbedingten Abbauprozess verlangsamen“.

Im Fall von möglichen Depressionen würde die Diplom-Psychologin einen solchen „Urlaub ohne Koffer“ auf jeden Fall als vorbeugend bezeichnen. „Wer eine entspannte Zeit mit netten Menschen verbringt und sich nachhaltig weder allein noch einsam fühlt, der schützt sich in vielen Fällen vor depressiven Episoden.“

„Wir bieten hier Wohlfühl-Tage an“

Für die entspannte Zeit bei „Urlaub ohne Koffer“ sorgt ein gut 20-köpfiges Team um den Organisator und „Reiseleiter“, den Diakon Reiner Klotz. „Wir bieten hier Wohlfühl-Tage an und wollen die Senioren ein bisschen verwöhnen“, erklärt er das Konzept des Angebots, das es in Steinheim bereits seit gut 15 Jahren gibt.

Für das Verwöhn-Programm legen sich die Macher ordentlich ins Zeug. Täglich gibt es unter anderem Gymnastik, eine Andacht und ein Nachmittagsprogramm mit bunten Gästen – von der Mundart-Künstlerin bis zum Zauberer. Auch die Verpflegung kann sich sehen lassen. „Wenn Sie hier nicht zwei Kilo zunehmen, waren Sie nicht im Urlaub“, sagt Klotz gern zu seinen Gästen.