Helfer und Einsatzkräfte am Unglücksort bei Palermo Foto: /

Jeden Tag sterben in Italien im Schnitt drei Menschen bei Arbeitsunfällen. Am Montag verloren in Sizilien erneut fünf Arbeiter ihr Leben. Die Behörden wirken überfordert.

Tödliche Arbeitsunfälle sind in Italien so alltäglich, dass sie nur noch selten Aufsehen erregen. Doch das Drama, das sich am Montag in einem Vorort von Palermo abspielte, bestürzt das ganz Land. Fünf Arbeiter, darunter ein 28-jähriger Familienvater mit zwei Kindern, erstickten bei Unterhaltungsarbeiten im Abwassersystem von Casteldaccia. Ein weiterer Arbeiter lag am Dienstag noch im Koma.

Die Männer waren ohne jegliche Schutzausrüstung und insbesondere ohne Atemmaske zu einem Speicherbecken hinabgestiegen und hatten Schwefelwasserstoff eingeatmet, der sich in der Luft über dem Becken angesammelt hatte. Schwefelwasserstoff ist ein hochgiftiges Gas, das in wenigen Sekunden zum Verlust des Bewusstseins und zum Tod führen kann, wenn es in hoher Konzentration eingeatmet wird.

Einer nach dem andern stieg hinab

Erschütternd war nicht nur die Opferbilanz, sondern auch der Ablauf des tödlichen Dramas. Laut ersten Erkenntnissen war zunächst nur ein Arbeiter zum Becken hinunter gestiegen. Als er nicht mehr auf Zurufe reagierte, stieg der nächste zu ihm hinab ins Dunkel, um nachzusehen und ihm wenn nötig zu helfen. Als auch der zweite Arbeiter nicht mehr reagierte, stiegt der dritte hinunter, ebenfalls in der Absicht, die Kameraden zu retten. So ging es weiter, bis schließlich der siebte Arbeiter Angst bekam und die Rettungsmannschaften alarmierte. Spezialisten der Feuerwehr bargen in der Folge die fünf toten und den bewusstlosen Arbeiter. Die Konzentration des Schwefelwasserstoffs sei um das Zehnfache über dem Grenzwert gelegen, betonte der Einsatzleiter der Feuerwehr, Girolamo Bentivoglio. Und: „Hätten sie Schutzmasken getragen, würden wir jetzt nicht die Toten zählen.“

Vor dem Unfall in Casteldaccia waren in diesem Jahr bereits weitere 191 Menschen bei Arbeitsunfällen ums Leben gekommen; im Jahr 2023 waren es insgesamt 1024 gewesen, also durchschnittlich drei pro Tag. Der letzte schlimme Unfall ereignete sich erst vor einem Monat: In einem Pumpspeicherkraftwerk hatte sich bei Revisionsarbeiten unter dem Wasserspiegel eine Explosion ereignet; danach kam es zu einem Wassereinbruch. Sieben Arbeiter ertranken. Landesweite Betroffenheit hatte auch ein Unfall auf der Zugstrecke von Mailand nach Turin ausgelöste: Fünf Gleisarbeiter wurden im vergangenen August von einem Schnellzug überrollt, weil der Streckenverantwortliche es versäumt hatte, die Männer vor dem herannahenden Zug zu warnen.

Die Behörden wirken überfordert

Wie alle größeren Arbeitsunfällen hat auch das absurd anmutende Sterben in Casteldaccia politische Reaktionen ausgelöst. Staatspräsident Sergio Mattarella sprach von einem „inakzeptablen Massentod“ und forderte eine „gemeinsame Anstrengung, um solche Tragödien künftig zu verhindern“. Regierungschefin Giorgia Meloni kondolierte den Angehörigen und versprach, dass über die Unfallursachen Klarheit geschaffen werde. Doch insgesamt wirken die Behörden und Institutionen jedes Mal überfordert.

Laut den Gewerkschaften besteht das Hauptproblem bei den Arbeitsunfällen darin, dass große Unternehmen und auch die öffentliche Hand immer häufiger Arbeiten an private Dritte vergeben, die dann den Auftrag erneut aufteilen. Bei jeder dieser Vergaben werde der Preis gedrückt, am Ende würden die Arbeiten von Firmen ausgeführt, die weder über geschultes Personal noch über ausreichende Kenntnisse der Sicherheitsbestimmungen verfügten. Das scheint auch beim Unfall bei Palermo so gewesen zu sein: Nach ersten Erkenntnissen hatte die Stadtregierung den Auftrag für den Unterhalt der Kanalisation an eine Firma vergeben, deren Angestellte zumindest teilweise nicht über die nötigen Berufskenntnisse verfügten.