Am Wochenende stürmte ein Mann bei einem Klimaprotest die Bühne, weil er sich über Thunbergs Rede ärgerte. Foto: dpa/Peter Dejong

Greta Thunbergs Aussagen zum Nahost-Konflikt spalten Fridays for Future. Die deutsche Bewegung muss sich umstrukturieren – ohne dabei ihre globalen Klimaziele aus den Augen zu verlieren.

Die Botschaft war klar. „We stand with Palestine“, schrieb der internationale Account der Klimabewegung Fridays for Future Ende Oktober auf der Social-Media-Plattform Instagram. „Wir unterstützen Palästina.“ Das Leid der Israelis, der Hamas-Terror? Wurden nicht erwähnt. Die deutsche Gruppe der Klimabewegung reagierte mit einer klaren Distanzierung auf dieses Statement: „Nein, wir stimmen nicht mit den Inhalten überein.“ Die Nahost-Debatte spaltet die weltweite Fridays for Future-Bewegung.

So geeint sich Fridays for Future über Jahre hinweg bei klimapolitischen Themen zeigte, so zerrissen ist die Bewegung dieser Tage wegen ganz anderer Fragen. Im Fokus des Konflikts steht Greta Thunberg. Die schwedische Aktivistin gilt als Gründerin von Fridays for Future. Inzwischen ist sie 20 Jahre alt und droht, ihre eigene Bewegung zu spalten. Und trotz klarer Distanzierung stellt sich die Frage, ob die deutschen Fridays for Future so weitermachen können wie bisher – oder ob sich die Gruppe ganz lösen, vielleicht sogar umbenennen müsste.

Ein alter Konflikt

Dass es abseits vom Klimaschutz verschiedene politische Einstellungen in der Bewegung gibt, zeichnet sich schon länger ab. Schon vor anderthalb Jahren distanzierte sich die deutsche Gruppe von Aussagen der Mutterorganisation. In Deutschland gilt die Klimaaktivistin Luisa Neubauer als Gesicht der Bewegung, sie sprach kürzlich in einem Interview über das Problem. „Unter denen, die sich auf der internationalen Ebene übers Internet austauschen, sind auch Menschen, die aus der deutschen Bewegung ausgeschlossen wurden: wegen Hass, Hetze, Antisemitismus“, sagte sie dem „Zeit Magazin“.

Im Zuge des aktuellen Konflikts wird deutlich, wie zerrissen die Fridays for Future sind – auch bei der ganz grundsätzlichen Frage, ob sie sich als Klimabewegung überhaupt dazu positionieren müssen, dürfen oder sollten. Bei einer Klima-Kundgebung in Amsterdam am Wochenende stürmte ein Mann auf die Bühne und kritisierte Thunberg dafür, eine Klimademonstration für politischen Protest zu nutzen. „Ich fühlte mich missbraucht“, sagte der Niederländer dem „Spiegel“.

„Denken darüber nach, wie es weiter geht“

Was bedeutet das für die Fridays von Future in Deutschland? Auf eine Anfrage dieser Redaktion, ob eine Trennung von der Internationalen Gruppe im Raum steht, antwortet die Pressestelle von Fridays for Future Deutschland nicht. „Wir haben jetzt erst mal alle Prozesse mit der internationalen Bewegung ausgesetzt und denken darüber nach, wie es weiter geht“, sagt ein Sprecher der Landesgruppe Baden-Württemberg im Gespräch mit dieser Zeitung.

Doch der Druck auf die deutsche Bewegung wächst. Nicht zuletzt, weil sich Thunberg explizit in deutsche Richtung wandte. Mit verschwörungsideologischer Rhetorik warf sie westlichen Medien vor, den „strukturellen Genozid an Palästinensern“ zu unterstützen. Das kritisierte Neubauer wiederum im Interview mit dem „Zeit Magazin“. „Wenn jemand darüber schreibt, dass die Medien Menschen manipulieren, damit sie auf der Seite von Israel stehen, dann brauche ich auch keinen Experten, um die antisemitischen Narrative darin zu sehen.“

Reicht das?

Wie soll eine Zusammenarbeit aussehen, wenn das Wertefundament innerhalb der Organisation nicht mehr geteilt wird? „Fridays for Future in Deutschland agiert als eigenständige Organisation und ist schon lange über Greta als Person herausgewachsen“, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit. Mit einer klaren Positionierung versucht man sich von Greta Thunberg und der internationalen Bewegung zu distanzieren. Aber reicht das? Prozesse auszusetzen, sie zu pausieren, bedeutet auch, sie vorerst nicht gänzlich auszuschließen.

„Es ist nicht ganz unkompliziert, sich formal zu trennen, weil es ja keine formalen Strukturen gibt“, sagte Neubauer noch kürzlich. Es sieht so aus, als fiele die Trennung von der Mutterorganisation schwer. Zumal sie im Widerspruch zum eigentlichen Kern der Bewegung steht: „Wenn wir uns jetzt nur noch auf Deutschland fokussieren würden, widerspricht das dem Umstand, dass die Klimakrise global ist. Es braucht also eine Form von globaler Bewegung“, so Neubauer. Daher sei auch eine Umbenennung erst einmal zweitrangig.

Ein Blick auf die Social-Media-Kanäle der nationalen Accounts zeigt: Viele positionieren sich überhaupt nicht zum Konflikt, einige vertreten die Auffassung Thunbergs. Österreich, Deutschland und die Schweiz haben Statements gegen den Terror der Hamas veröffentlicht. Wäre also eine gemeinsame Abspaltung möglich? Noch ist unklar, wie Fridays for Future Deutschland weitermachen will. Doch ausgestanden ist der Konflikt wohl noch lange nicht.