Kein Handschlag zwischen Marta Kostyuk (li.) und Aryna Sabalenka Foto: dpa/Frank Molter

Ein Zuschauereklat überschattet den French-Open-Auftakt. Marta Kostyuk verweigert bewusst den Handschlag.

Vor zwei Monaten tat der oberste Sportfunktionär so, als sei in der Welt des Tenniszirkus alles irgendwie in Ordnung. Thomas Bach, der IOC-Boss aus Tauberbischofsheim, hielt damals wieder einmal ein Plädoyer für die Teilnahme russischer und belarussischer Akteure an den Olympischen Spielen 2024 in Paris – und landete bei einem Damenturnier im texanischen Austin. Dort hätten sich doch auch eine ukrainische und eine russische Spielerin friedlich gegenübergestanden, Marta Kostyuk und Warwara Gratschowa. Und so solle es dann auch bei den Medaillenwettbewerben in Frankreichs Hauptstadt sein, im Sommer nächsten Jahres, so Bach.

Von Frieden oder gar Freude konnte allerdings schon damals keine Rede sein, entgegen der sehr selektiven Wahrnehmung Bachs. Marta Kostyuk, die 20-jährige Ukrainerin, hatte damals als Siegerin wie immer ihrer Gegnerin den Handschlag verweigert – so wie sie es schon seit Kriegsbeginn tut. Es gab auch nicht die üblichen Zeremonien bei jenem Endspiel in Austin, kein gemeinsames Foto der Finalistinnen, keine gegenseitigen Höflichkeitsworte. Kostyuk sagte später, sie würde am liebsten Partien wie diese verweigern, könne es aber nicht, „weil sonst meine Karriere vorbei ist.“

Sie sagte auch, dass sie und viele ihrer Landsfrauen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine versuchten, „Athleten aus Russland und Belarussland aus unserem Sport zu verbannen“. Auch eine andere ukrainische Sportlerin erregte damals Aufsehen: Lessja Zurenko, die sich vor ihrer Drittrundenpartie aus dem Masters-Turnier in Indian Wells wegen Panikattacken zurückzog, nicht zuletzt wegen einer frostigen Unterredung mit dem Chef der Damentour WTA, dem wendigen Amerikaner Steve Simon. Der Spitzenfunktionär hatte Zurenko ins Gesicht gesagt, wenn Athletinnen aus Russland und Belarussland den Krieg unterstützten, sei das eben „ihre Meinung“.

Gleich zum Auftakt der French Open im Stadion Roland Garros – wo 2024 auch die olympischen Medaillengewinner ermittelt werden – rückten die Spannungen in der keineswegs heilen Tennisfamilie nun sofort wieder in den Fokus. Der Eklat spielte sich auf dem Centre-Court ab – mit Kostyuk, der 20-jährigen Ukrainerin, und Aryna Sabalenka, der 25-jährigen Belarussin, der Nummer 2 der Weltrangliste und Mitfavoritin auf den Titel.

Und den französischen Tennisfans, die Kostyuk ausbuhten und auspfiffen, als sie ihrer Gegnerin nach der mit 3:6 und 2:6 verlorenen Auftaktpartie den Handschlag verweigerte. Sichtlich getroffen von dieser skandalösen Reaktion, sprach Kostyuk später: „Die Leute sollten sich schämen. Ich glaube nicht, dass sie sich in zehn Jahren gut fühlen, wenn sie daran denken, was sie heute getan haben.“ Auch demnächst werde sie ihren Gegnerinnen aus Russland und Belarus nicht die Hand geben: „Ich kann nicht verstehen, warum manche denken, dass ich meine Meinung ändern würde.“

Kostyuk wehrt sich ja schon seit Monaten gegen eine gewisse Gleichgültigkeit, mit der viele im professionellen Tennisbetrieb über die Kriegsgeschehnisse hinweggehen und sich, wie sie sagt, nicht in ihrer „Scheinnormalität“ stören lassen wollen. Ihre eigene Normalität sei der ständige Gedanke an den Krieg, „Tag für Tag, Stunde für Stunde“: „Ich kann nie abschalten und richtig Ruhe finden.“ Nach der Erstrunden-Niederlage in Paris berichtete sie auch davon, wie dieser Tag für sie begonnen hatte, frühmorgens um 5 Uhr, mit Nachrichten im Dauertakt aus der bedrohten Heimat. Es stellte sich dann heraus, dass Russland den bisher massivsten Drohnenangriff auf ukrainische Ziele angeordnet hatte, 54 Drohnen wurden dabei auf Kiew gezielt, Kostyuks Geburtsstadt.

Sabalenka, die Siegerin, erklärte hinterher, die Zuschauer seien offenbar nicht informiert gewesen, dass ein verweigerter Handschlag inzwischen handelsüblich sei. Vermutlich bekämen die Ukrainerinnen zu Hause Probleme, wenn sie doch ihren russischen und belarussischen Gegnerinnen die Hand gäben. Sie sagte auch, ihre Gegnerin habe diesen Abgang jedenfalls nicht verdient gehabt. Kostyuk forderte derweil klarere Worte, nicht nur von Sabalenka: „Ich kenne viele im Tennis, aus Russland oder Belarus, die den Krieg unterstützen. Wer es nicht tut, muss es auch klar sagen. Sie haben schließlich eine riesige Plattform – in einer der größten Sportarten auf der Welt.“