Die Fußballbegeisterung in Australien ist sehr unterschiedlich verteilt. Foto: imago//Keith McInnes

Die Auftritte der australischen Fußballerinnen wecken durchaus Interesse und Neugier im Gastgeberland, aber nicht in jedem Winkel der Nation kommt die Weltmeisterschaft so richtig an.

Es ist nicht gerade so, dass jeder Pub in Australien sein Programm ändert, weil gerade die Frauen-Weltmeisterschaft im Fußball läuft. Im Grand Hotel Wyong, was besser klingt als es hier in Wahrheit ist, haben sie zwar fast ein Dutzend Fernseher für Sportübertragungen im Erdgeschoss des integrierten Pubs hängen, aber trotzdem ist noch nie Fußball gezeigt worden. Manchmal finden die Bediensteten angeblich die Sender nicht.

Die Wahrheit ist, dass es sich hier um einen Anlaufpunkt für raue, trinkfeste Herrschaften handelt, die schlicht nach den typischen Sportarten des Landes verlangen: Rugby, Cricket – und natürlich Australian Football. Ausgerechnet die Ortschaft mit dem Basislager der deutschen Fußballerinnen kann sich im Kern also für Fußball nicht erwärmen, was aber auch nicht schlimm ist.

„Football Fatty“ macht als Fan der „Matildas“ Furore

Es reicht ja, wenn in den großen WM-Städten ein Mix aus Neugier und Begeisterung entsteht, die in Einzelfällen auch in Ekstase umschlägt. Dafür steht beispielsweise Fatima Flores, die mit ihrer gedrungenen Figur und ihrem breiten Lachen schon so etwas wie der Superfan der „Matildas“, der australischen Nationalspielerinnen, geworden ist. Liebevoll „Football Fatty“ genannt, die natürlich fürs zweite WM-Gruppenspiel gegen Nigeria (Donnerstag 12 Uhr MESZ/ZDF) schon wieder aus dem Häuschen ist. Die Fifa hat mit ihr ein Werbevideo gedreht.

Flores war schon bei der WM 2019 in Frankreich dabei, als die australischen Fußballerinnen in Grenoble vor den Augen von Fifa-Präsident Gianni Infantino mit einem 4:1 gegen Jamaika den Achtelfinaleinzug schafften. Vierfache Torschützin: Sam Kerr. Es heißt bis heute, dass jene stimmungsvolle Partie am Fuße der Alpen Infantino einen Anstoß gab, das Teilnehmerfeld einer Frauen-WM rasch zu erweitern.

Welchen Fortschritt insbesondere der WM-Mitausrichter Australien gemacht hat, war vielleicht nicht beim schwer erkämpften 1:0 im Auftaktspiel gegen Irland zu sehen. Dafür aber im langen Vorlauf, in dem unter anderem ein Sieg gegen Europameister England heraussprang. Es ist fürs Team eine Tragödie, dass sich ausgerechnet die für den FC Chelsea spielende Torjägerin Kerr im Abschlusstraining an der Wade verletzt hat. Viel wird darüber spekuliert, was die 29-Jährige denn nun wirklich habe.

Was ist mit Sam Kerrs Wade?

Als Kyra Cooney-Cross von einem „Wadenriss“ sprach, gingen Schockwellen durch die Reporterschar. Australiens Verband stellte sofort klar, dass die Mitspielerinnen nicht in die medizinischen Informationen eingeweiht seien und dass die junge Mittelfeldspielerin versehentlich die falsche Terminologie verwendet habe.

Mag ja sein, aber der Kompressionsverband um die Wade der Angreiferin ist nun einmal da. Es scheint, als könne Sam Kerr frühestens in der K.-o.-Runde helfen, obwohl sie doch in allen Großstädten auf den Werbetafeln abgebildet ist. Ihr Konterfei ist omnipräsent. Keine leichte Aufgabe für Nationaltrainer Tony Gustavsson, diesen Zwiespalt zu moderieren: seine Starspielerin nicht abzuschreiben – und ihre Vertreterinnen stark zu reden.

„Ich denke, wir haben den besten Kader, den wir je hatten“, sagte Mittelfeldspielerin Tameka Yallop fast schon trotzig. Das zweite Gruppenspiel wird jetzt in Brisbane gespielt, wo es wärmer und sonniger ist als in den anderen Spielorten. Deshalb können hier auch vom 23. Juli bis 8. August 2032 bedenkenlos die Olympischen Sommerspiele steigen. Die Vergabe befördert die Stadt international aus dem Schatten von Sydney und Melbourne, und es ist kein Zufall, dass sich Australiens Nationalteam gerade hier ihr Stammquartier gesucht hat.

Im Irish Pub geht’s ab

Annehmlichkeiten wie bei der Heim-WM haben Mary Fowler oder Caitlin Foord nicht mal bei ihren Vereinen in Europa: Jeder Wunsch wird ihnen im Rydges South Bank Brisbane von den Lippen abgelesen. Wer müde ist, kann vor sein Zimmer ein kleines Schild stellen mit der Bitte, nicht gestört zu werden.

Am Spieltag wird es anderswo wieder laut: Die Fanzone am Tumbalong Park im Herzen von Sydney ist kein Geheimtipp, wohl aber der Irish Pub James Squire. Hier treffen sich insbesondere jene Studentinnen, die aus Europa kommen, und ihre dort erworbene Vorliebe für den Fußball in Australien teilen können. Mancherorts geht das, wenn Australien spielt. Nur nicht in Wyong.