Ist dann mal weg: Der Leiter Wolfgang Werner verlässt die Flattichschule. Das Bild hinter ihm im Treppenhaus mag er gern. Es zeigt alle etwa 380 Schülerinnen und Schüler. Foto: Jürgen Bach

Wolfgang Werner verlässt nach 29 Jahren die Flattichschule in Korntal-Münchingen. Zuletzt war er der Chef, ein Job, den er erst gar nicht wollte – und dann liebte.

Baustellenerprobt ist Wolfgang Werner, zweifellos. Auf dem Schulcampus im Stadtteil Münchingen wurde eine Mensa gebaut, die Strohgäu-Förderschule zog zurück auf das Areal, aus der Flattichschule wurde eine reine Grundschule, nachdem die Werkrealschule wegfiel – und im Zuge der Digitalisierung wurden Leitungen für die elektronischen Tafeln gelegt, die die guten alten Kreidetafeln ersetzten.

Die nächste große Baustelle erlebt Wolfgang Werner dagegen nicht mehr – jedenfalls nicht als Leiter der Flattichschule. Wenn die Baumaschinen erst die Mehrzweckhalle errichten und dann die Buddenberg-Halle abreißen, widmet sich der 67-Jährige längst Dingen jenseits des Schulalltags: Wolfgang Werner verabschiedet sich jetzt nach 29 Jahren in den Ruhestand.

„Mir fehlte vorher nichts“

Die neue Halle, sagt Wolfgang Werner, bringt den Schulen Vorteile. Sie ermöglicht kurze Wege, sodass mehr Zeit für den Sportunterricht bleibt. Der finde wenig „im Mittelbau“ statt, sondern meist in den Randstunden, in der ersten oder letzten Schulstunde. Denn die Schüler müssen oft auch in die Sporthalle am Freizeitbad, zu Fuß dauert es etwa 15 Minuten dorthin. Ist der Sportunterricht gleich am Morgen oder kurz vor Mittag, treffen sich die Kinder vor Ort oder gehen von dort heim oder zurück zur Schule – und können die Sportstunde daher maximal nutzen.

Sportlehrer war Wolfgang Werner nie, Deutsch, Mathe und Wirtschaftslehre sind seine Fächer. „Mir fehlte vorher nichts“, erzählt er und meint die Zeit vor der Zeit als Schulleiter seit Herbst 2018, die 24 Jahre als Lehrer in Münchingen. Chef werden wollte er nie – doch er habe sich aus Verantwortung gegenüber der Schule auf den Posten beworben. „Ich habe mir die Leitung zugetraut und wollte im Leben mal mutig sein“, sagt Wolfgang Werner und lacht.

Die Neue ist aus Ludwigsburg

Sein Vorgänger Wolfgang Schoner ging damals in den Ruhestand, die Stelle blieb vakant, der Konrektor leitete die Schule interimsweise. Als auch der sich in den Ruhestand verabschiedete, hob Wolfgang Werner die Hand. Um dann zwei Jahre länger Schulleiter zu sein als geplant. Erst jetzt hat die Flattichschule mit Claudia Winker, die Konrektorin der Schlößlesfeldschule in Ludwigsburg, eine Nachfolgerin gefunden. Dass nach Wolfgang Schoner nun wieder jemand von außen kommt, sei nicht schlecht, sagt Wolfgang Werner. Frischer Wind tue gut, breche eingeschliffene Strukturen auf.

Rückblickend bereut Wolfgang Werner seine Entscheidung nicht, gleichwohl habe er am Anfang Zweifel und schlaflose Nächte gehabt. Das Amt des Schulleiters sei zwar sinnstiftend, „es gab meinem Berufsleben einen Kick und ist ein super Abschluss“, meint der 67-Jährige. Eine Schule zu leiten, sei zugleich eine Herausforderung, wegen Zwölf-Stunden-Tagen oder gestiegener Anforderungen. „Ich bin der Ansprechpartner für alles.“ Ohne die Unterstützung des Kollegiums hätte er den Posten nicht übernommen. „Vom Kollegen zum Chef zu werden, ist schon eine besondere Situation.“ Inhaltlich seien er und das Kollegium auf einer Linie gewesen, ständig im Austausch, der auch kritische Anmerkungen zuließ.

Mehr als nur unterrichten

Lehrer wollte Wolfgang Werner eigentlich auch nicht werden. Das sei eine Zufallsentscheidung gewesen. Er, der sein Referendariat im Schwarzwald gemacht hat, liebäugelte mit dem Beruf des Physiotherapeuten. Als seine Schwester Lehrerin wurde, sagte er sich: „Was die kann, kann ich auch.“ Auch das sei der richtige Entschluss gewesen.

Dabei war es Wolfgang Werner immer wichtig, mehr zu tun als zu unterrichten. Das sei seine Motivation. Er baute an der Flattichschule die Berufsorientierung auf und war im Landesmedienzentrum tätig, wo er die Lehrfilme sah, die seine Kollegen später landesweit im Unterricht zeigten, Medienbegutachtung genannt. Er hat mit Schülern Brot gebacken und verkauft und die Kinderkonferenz eingeführt. Und er hat ein AG-Programm aus dem Boden gestampft.

Kinder für Ehrenamt begeistern

Es sind Vereine und Eltern, die den Schülern tanzen, programmieren oder Schach beibringen. Weil er „was Attraktives“ haben wolle, begründet Wolfgang Werner, und weil für ihn die Grundschule eine Einrichtung sei, die im Ort vernetzt sein müsse, mit ihm verbunden. „Die Kinder sehen ehrenamtliches Engagement und übernehmen später vielleicht selbst mal ein Amt und geben damit etwas zurück“, hofft Wolfgang Werner. Und sie würden den Heimatraum kennenlernen. So haben Schüler mit dem Obst- und Gartenbauverein hinterm Friedhof eine Streuobstwiese angelegt. Fünf Apfelbäume stehen schon. Das sei ein wunderbares Projekt im Sinne der Nachhaltigkeit, des Umwelt- und Naturschutzes, findet Wolfgang Werner, dem eben diese Themen auch am Herzen liegen zu vermitteln. Der 67-Jährige hofft, seine Nachfolgerin führt die Projekte fort.

Dass die Coronapandemie überstanden ist, erleichtert ihn sehr. Man sei sich vorgekommen wie in einem anderen Film, „fast schon surreal war das“. Was habe die Schule nicht alles getan, tun müssen, um Infektionen zu vermeiden. Die Folgen seien noch immer zu spüren: „Die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, ging bei vielen Schülern verloren.“ Auch sei die Lesefähigkeit gesunken. Wolfgang Werner ist deshalb froh, dass mit dem sogenannten BiSS-Transfer die Leseförderung an Schulen verstärkt wird.

Nun verbringt er im September erst mal Urlaub in Holland. Er ist kürzlich Großvater geworden, der Enkel reist mit der Familie mit. Die Zeit danach, sagt Wolfgang Werner, lasse er auf sich zukommen.