Von Disneys „Frozen“ über Einhörner bis hin zu Minecraft und Detektiven – bei Reyhan Reegen wird jeder fündig, der eine Party organisieren muss. Foto: Gottfried Stoppel

Seit 20 Jahren versorgt Reyhan Reegen Kindergeburtstage, Hochzeiten und andere Feiern mit Luftballons und Dekomaterial. Bisher lief das Geschäft immer gut – doch nun weiß sie nicht, wie es weitergehen soll.

Olaf, der Schneemann aus „Frozen“, grinst an ein paar Hogwarts-Wimpeln vorbei. An der Wand hängen Wikinger-Schilde aus Schaumstoff, daneben ganze Garnituren aus Pappbechern, -tellern und Girlanden mit Einhörnern, Detektiven und Minecraft-Motiven. Wer den Laden oberhalb eines Drogeriemarkts in der Backnanger Innenstadt betritt, merkt sofort: Bei Reyhan Reegen gibt es fast nichts, was es nicht gibt. Die Weissacherin versorgt mit ihrer Firma „Partystrolche“ Kindergeburtstage, aber auch Hochzeiten und Firmenfeiern mit Luftballons, Dekoration und Partyzubehör.

Seit 20 Jahren gibt es die Partystrolche als Versand, seit 2008 das Ladengeschäft. Die 52-Jährige lässt jede Menge Herzblut einfließen: „Jeder Artikel ist sorgfältig und mit Liebe ausgewählt“, betont sie. Der Partybedarf, aber auch die Folienballons inklusive Füllung sind es, derentwegen Kunden ins Geschäft kommen. Das Ziel, sagt Reegen, sei es immer gewesen, alles, was man für einen Kindergeburtstag braucht, aus einer Hand anzubieten. „Das alles hier ist einfach schön bunt, wir machen den Kindern eine Freude und bringen ihre Augen zum Leuchten.“ Sie ist selbst zweifache Mutter und weiß, wie sich das anfühlt.

Immer sei das Geschäft gut gelaufen, sagt Reegen. „Seit Anbeginn gab es jedes Jahr eine Steigerung.“ Doch jetzt, im Herbst 2023, stecken die Partystrolche in einer schweren Krise. Alles fing mit Corona an. Partys waren damit erst einmal passé. Wie andere Geschäfte auch mussten die Partystrolche während des Lockdowns vorübergehend schließen. „Die Coronahilfen, die wir in Anspruch genommen haben, flossen quasi direkt in die Miete“, erinnert sich die Geschäftsführerin zurück.

Eine zusätzliche Hürde für das Geschäft war die Plastikverordnung der EU, die im Sommer 2021 in Kraft trat. Zwar führten die Partystrolche schon vorher kein reines Plastikgeschirr. Umweltschutz sei ihr wichtig, sagt Reegen: „Wir lassen unsere eigenen Serien in Europa produzieren, alles ist aus FSC-zertifiziertem Papier.“ Aber die Pappbecher und -teller enthielten jeweils eine dünne Schicht Kunststoff, damit sie nicht durchweichen. „Lange Zeit gab es gar keine Druckerei, die die EU-Vorgaben erfüllen konnte.“ Doch nach langer Recherche konnten die Partystrolche vor rund einem Jahr auf komplett plastikfreie Pappteller und -becher umstellen. Auch die Restbestände der alten Ware konnten immerhin noch verkauft werden.

Selbst Spielzeug-Riesen haben teils wirtschaftliche Probleme

Aber seit Corona sei die Welt nicht mehr dieselbe: „Das Sozialverhalten der Leute hat sich geändert“, sagt Reegen. Das – und die Auswirkungen der Energiekrise – habe Auswirkungen auf die ganze Branche. Sie stehe mit anderen Händlern im engen Kontakt, denen es nicht besser geht. Einige haben auch aufgehört. „Sogar MyToys, ein echter Riese, macht in ein paar Wochen dicht.“ Damit fällt auch ein weiterer Abnehmer für Partystrolch-Produkte weg. Was Reegens Misere nicht besser macht: Nach Jahrzehnten ohne Schulden hatte sie sich zur Coronazeit zu einem KfW-Kredit überreden lassen – und steht nun vor einem Schuldenberg.

Wenn sie einfach nur Misswirtschaft betrieben hätte, wäre das für Reegen eine Sache. „Aber wir sind da unverschuldet hineingeraten, wie viele anderen Betriebe auch.“ Die ganzen Jahre über blieb sie am Ball, informierte sich, was bei den Kids gerade angesagt ist, brachte eigene Serien und Motive teils Jahre vor den Mitbewerbern auf den Markt und knüpfte auf Messen Netzwerke mit anderen Abnehmern und Zulieferern.

Sie erzählt, dass sie immer versucht habe, alle gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, während sie mitbekam, dass über Amazon auch hierzulande chinesische Produkte von fragwürdiger Qualität munter weiterverkauft werden durften. Nicht, dass sie nicht bereit wäre, Opfer zu bringen: Um Miete zu sparen, haben die Partystrolche das Lager verkleinert, Ausverkäufe organisiert, viele Waren gingen auch für einen Bruchteil ihres Werts an einen Sonderpostenhändler. „Wir haben auch versucht, an allen Kostenschrauben zu drehen.“

Reegen hat inzwischen ein zweites Standbein mit einer Social-Media-Agentur. Aber an den Partystrolchen hängt ihr Herz. Sie zeigt auf die Regale mit fröhlich-bunten Partysachen und kämpft mit den Tränen: „Das ist mein Baby, ich will doch Menschen glücklich machen.“ Ihr Geschäft und ihre beiden Mitarbeiter aufgeben will sie nicht ohne Kampf. Auch wenn sie sich erst gegen den Gedanken gewehrt hat, eine Spendenkampagne ins Leben zu rufen, hat sie nun doch eine solche auf der Plattform Gofundme ins Leben gerufen. „Das fühlte sich erst einmal an wie eine Bankrotterklärung“, sagt sie. Aber jetzt hoffen Reegen und ihre Mitarbeiter, dass die Spenden helfen, bis die kostensparenden Maßnahmen und die Straffung des Sortiments Wirkung zeigen.