Zum Wochenende entfallen fast alle Coronamaßnahmen – unter anderem die Maskenpflicht in Außenbereichen. Foto: imago/Ralph Peters

Für manch einen markiert das Ende der meisten Coronamaßnahmen einen „Freedom Day“. Ältere und Vorerkrankte können sich nun aber kaum noch gegen Infektionen schützen, mahnt der Epidemiologe Ralf Reintjes.

Am Sonntag entfallen fast alle Coronamaßnahmen. Der Hamburger Epidemiologe Ralf Reintjes von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften erinnert daran, dass die Gefahren für Ältere und Vorerkrankte dadurch zunehmen.

Herr Reintjes, kommt das Ende der Coronamaßnahmen zu früh?

Vermutlich schon. Wir haben ja immer noch enorm hohe Infektionszahlen, zumal eine enorme Dunkelziffer. In den nächsten Wochen ist ohne Schutzmaßnahmen mit mehr Infektionen zu rechnen. Außerdem sind die Sterbezahlen auf einem für meinen Geschmack zu hohen Niveau. Dass man mit dem Ende der Maßnahmen nicht länger wartet und das erst bei niedrigeren Infektionszahlen umsetzt, ist für mich als Epidemiologe schwer nachzuvollziehen.

Wie stark wird die Inzidenz steigen?

Es ist wenig sinnvoll, über konkrete Inzidenzniveaus zu sprechen. Der Wert ist inzwischen ja sehr ungenau. Wir wissen nur, dass wir derzeit sehr, sehr viel Corona haben. Was relativ zuverlässig sein wird ist die Zahl der Menschen, die sterben.

Im vergangenen Frühjahr hat das gute Wetter mitgeholfen, die Infektionszahlen zu senken.

Der saisonale Effekt wird sich demnächst auswirken. Auf so einem hohen Infektionsniveau kann das aber dauern. Es spricht einiges dafür, dass wir für längere Zeit auf einem hohen Infektionsniveau verharren. Die Krankheit wird in vielen Fällen mild verlaufen. Aber es werden leider auch noch viele Menschen sterben. Am 2. April beginnt quasi ein Realexperiment, wie wirksam Masken in Innenräumen sind und was die Trennung von Geimpften und Ungeimpften mittels 2G nützt und das vor dem Hintergrund des kommenden Frühlingseffekts der die Infektionszahlen senken wird.

Wie kann man sich denn noch vor einer Infektion schützen?

Im Grunde können Sie lediglich Kontakte, vor allem in Innenräumen, meiden. Für vulnerable Gruppen ist der 2. April kein Freedom Day, sondern ein Unfreiheitstag. Auch die Wirksamkeit von Masken lässt stark nach, wenn kaum einer welche trägt. Die Viruslast um Sie herum steigt. Das wird de facto zu einer Durchseuchung führen.

Was ist wahrscheinlicher: dass wir in ein paar Wochen sagen, es sei doch nicht so schlimm – oder dass es eine Sommerwelle gibt?

Es gibt viele Einflussfaktoren, darunter das Wetter, das Verhalten der Menschen ohne Schutzmaßnahmen sowie das Level an Durchseuchung. Ich sehe eine Tendenz für einen beginnenden saisonalen Rückgang, aber Sommerwellen sind nicht ausgeschlossen – in Südafrika und Südamerika konnten wir sie bereits beobachten. Ganz viel hängt davon ab, ob in nächster Zeit eine neue Variante mit ganz anderen Eigenschaften auftaucht.