Durch den Klimawandel werden Hitzewellen oder Starkregenereignisse häufiger. Was bedeutet das für unsere Infrastruktur – zum Beispiel für Bahngleise, Autobahnen oder die Schifffahrt? Und welche Anpassungen sind nötig? Toralf Staud hat Antworten.
Viele Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, scheinen heute noch sehr abstrakt. Der Autor Toralf Staud hat recherchiert, was die globale Erderwärmung für Deutschland im Jahr 2050 konkret bedeutet – zum Beispiel für die Verkehrssysteme. Herr Staud, mit Ihrem Buch „Deutschland 2050“ wagen Sie den Blick in die Zukunft. Ist die aktuelle Hitze ein Vorgeschmack?
Das ist wie ein Schaufenster in die Klimazukunft. Was heute eine krasse Hitzewelle ist, ist bei ungebremstem Klimawandel Mitte des Jahrhunderts nicht mehr ungewöhnlich. Aber das ist nur ein Aspekt. Es wird oft so getan, als würde es durch den Klimawandel einfach ein bisschen wärmer. Das ist ein fatales Missverständnis. Es wird krassere Hitzewellen geben, aber es wird auch mehr Extremwetterereignisse wie Starkregen geben.
Was bedeutet das für unsere Verkehrssysteme?
Wir leben in Mitteleuropa in einer gemäßigten Klimazone – unsere Infrastruktur ist auf relativ milde und stabile Klimaverhältnisse ausgelegt. Die Klimaanlagen der älteren ICEs zum Beispiel sind nicht für enorme Hitze gemacht. Die Hitze kann auch dazu führen, dass der Asphalt auf Straßen weich wird, dass Start- und Landebahnen von Flughäfen aufbrechen oder Zuggleise verbiegen. Wird der Klimawandel nicht gebremst, wird es auch viel häufiger Starkregen und Überschwemmungen geben, was zum Beispiel dazu führen kann, dass Hänge abrutschen oder Gleise überschwemmen. Gerade in Baden-Württemberg liegen Bahnstrecken oft an Flüssen oder Hängen. Durch Dürre werden Bäume anfälliger für Windbruch, umstürzende Bäume oder abbrechende Äste können Strom- und Oberleitungen herunterreißen. Wir erleben auch häufiger Waldbrände oder Böschungsbrände, die den Verkehr bremsen können. Kurz gesagt: Mit einem ungebremsten Klimawandel bekommen wir künftig viel mehr Störungen im Verkehrssystem. Oder wie ein Experte gesagt hat, mit dem wir für unser Buch gesprochen haben: „Irgendwo ist immer was unterbrochen.“
Aktuell hat der Rhein niedrige Pegelstände, das beeinträchtigt zum Beispiel die Schifffahrt.
2018 gab es dort auch schon extremes Niedrigwasser. Das hat die BASF in Ludwigshafen damals 250 Millionen Euro gekostet, weil Frachtschiffe wochenlang nicht mehr durchkamen oder zu wenig Flusswasser zur Kühlung der Anlagen verfügbar war. Manche mussten gedrosselt oder abgeschaltet werden. Niedrigwasser hat viele Folgen für die Logistikbranche, auch Kraftwerken fehlt Kühlwasser. Klimamodelle hatten solche Probleme erst ab Mitte des Jahrhunderts erwartet.
Wie kann eine Anpassung aussehen?
Für Straßen wird mit anderen Asphaltmischungen und helleren Oberflächen experimentiert. Die Bahn testet, Gleise weiß anzustreichen. Allein in diesem Bereich müssen Hunderte Normen überarbeitet werden, zu Weichen, Trafohäuschen oder Leitungen – diese Normen basieren auf dem Klima von gestern. Wichtig ist: Wir müssen den Klimawandel sofort abbremsen, damit wir uns überhaupt noch an die Folgen anpassen können. Wir wären klug beraten, jetzt massiv in Klimaschutz zu investieren – um die späteren Kosten für Schäden und Reparaturen zu mildern. Ein Tag Starkregen im Ahrtal hat 30 Milliarden Euro Schaden angerichtet – das verdeutlicht die Dimensionen.