Meist kommt es bei einer Infektion zu einem vom Gesicht auf den Körper übergreifenden, pockentypischen Ausschlag. Foto: dpa/Brian W.J. Mahy

Viele fühlen sich angesichts neuer Meldungen von Affenpocken-Fällen in Deutschland an den Beginn der Coronapandemie erinnert. Experten sagen, was Sie jetzt wissen sollten.

Sechs Menschen haben sich derzeit in Deutschland nachweislich mit Affenpocken infiziert. Einer der Erkrankten kommt aus dem Ortenaukreis und wird am Universitätsklinikum Freiburg behandelt. „Aufgrund der vielfältigen Kontakte der derzeit Infizierten ist auch in Deutschland mit weiteren Erkrankungen zu rechnen“, heißt es in einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages. Wie schätzen Experten die Lage ein, und was könnte helfen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Könnten Impfungen eine Lösung sein?

Impfungen wie sie gegen die klassischen Pocken eingesetzt wurden, wirken auch gegen die Affenpocken. Da die Pocken bereits in den 1970er Jahren durch Impfkampagnen ausgerottet wurden und die Impfung eingestellt wurde, sei die Immunitätsrate vor allem in der jüngeren Bevölkerung gesunken, so der Infektiologe Gregor Paul vom Stuttgarter Klinikum. Zum aktuellen Zeitpunkt gehen Mediziner nicht davon aus, dass die Pockenimpfung wieder für die Allgemeinbevölkerung eingeführt werden muss. Allerdings kündigt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Eindämmungsmaßnahmen an. Demnach würden gerade Empfehlungen zu Isolation und Quarantäne erarbeitet. Und es könnte Impfempfehlungen für besonders gefährdete Personen geben.

Wäre denn genug Impfstoff vorrätig?

Der Virologe Gerd Sutter von der Ludwig-Maximilians-Universität München sagt: „Von dem klassischen Pockenvirenimpfstoff haben wir in Deutschland so viel Vorrat, dass man die ganze Bevölkerung impfen könnte.“ Experten diskutieren momentan die Möglichkeit, zumindest Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten mit einer Impfung zu schützen.

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Ist die Ansteckung über Aerosole möglich?

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist laut dem Robert-Koch-Institut selten und nur bei engem Kontakt möglich, könne aber etwa durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten vorkommen. Eine Übertragung über Tröpfchen aus Atemwegssekret könne erfolgen, so der Oberarzt Gregor Paul. Diese Tröpfchen fliegen meist nur wenige Meter weit. „Die Rolle von Aerosolen, die viele Meter weit fliegen können, ist aktuell unklar, dürfte aber keine größere Rolle spielen.“

Sind gefährliche Mutationen des Virus in Zukunft zu erwarten?

Im Gegensatz zu Sars-CoV-2 – einem sogenannten RNA-Virus – handelt es sich bei dem Affenpockenvirus um ein DNA-Virus. DNA-Viren neigen zu weniger Mutationen, da der Fehlererkennungsmechanismus bei der Vermehrung stabiler ist. „Eine rasche Anpassung, wie wir sie bei Sars-CoV-2 sehen, ist deshalb unwahrscheinlich“, so Gregor Paul. „Trotzdem sind theoretisch Mutationen möglich, die dem Virus einen Vorteil verschaffen können.“

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Warum überrascht der Ausbruch außerhalb von Afrika die Forscher?

„In der Vergangenheit waren die Affenpocken-Ausbrüche begrenzt in der Ausbreitung“, sagt der Virologe Stephan Becker von der Universität Marburg. Infektionsketten zwischen Menschen seien ungewöhnlich und müssten eng überwacht werden. Die kürzlich nachgewiesenen Infektionen sind unter anderem deshalb atypisch, weil die Betroffenen nicht nach West- oder Zentralafrika gereist sind. Die meisten der zunächst entdeckten Infektionen wurden bei Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten nachgewiesen.

Worin unterscheiden sich die beiden derzeit kursierenden Varianten?

Erste Untersuchungen zeigen, dass die Fälle in Europa dem Virus aus Westafrika gleichen. Diese Variante gilt als die mildere. Sie führt nach Angaben von Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing, zu einer Sterblichkeit von etwa einem Prozent. Die Sterblichkeit für die zweite, zentralafrikanische Variante wird mit etwa zehn Prozent angegeben.

Wie sind diese Zahlen einzuschätzen?

„Man muss bedenken, dass diese Daten aus Afrika nicht zwingend übertragbar auf das Gesundheitswesen in Europa oder den USA sind. Bei uns wäre die Sterblichkeit eher niedriger anzusetzen“, sagt Clemens Wendtner. „Das ist eine Erkrankung, die meines Erachtens nicht das Potenzial hat, die Bevölkerung massiv zu gefährden.“

Wie sehen typische Symptome aus?

Zu den Symptomen zählen: plötzlich einsetzendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten, Lymphknotenschwellungen. Üblich ist zudem ein vom Gesicht auf den Körper übergreifender, pockentypischer Ausschlag.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Sollte sich der Verdacht auf Affenpocken einstellen, etwa weil man Kontakt zu einem Fall hatte, sollte für eine professionelle Diagnose unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. „Wichtig ist, dass man vorher telefonisch mit dem Arzt Kontakt aufnimmt, so dass bereits vorab die Schutzmaßnahmen eingeleitet werden können“, sagt Gregor Paul vom Stuttgarter Klinikum. So könne gegebenenfalls die weitere Diagnostik mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmt werden.

Wie werden Erkrankte behandelt?

Behandelt werden in der Regel die Symptome – etwa durch fiebersenkende Medikamente – sowie mögliche bakterielle Infektionen. Mit dem Medikament Tecovirimat gibt es zudem eine in der EU zugelassene Therapiemöglichkeit. Das Mittel verhindert die Vermehrung der Pockenviren.