Freundschaftsanfrage auf Facebook von einer unbekannten Schönen? Dahinter könnte eine miese kriminelle Masche stecken. Foto: Unsplash/N. Nguyen

„Sextortion“ nennt sich ein Phänomen, das Ermittler in den Landkreisen Böblingen und Ludwigsburg zunehmend beschäftigt. Es geht um organisierte Erpressung auf sexueller Grundlage. Die Polizei hat einige nützliche Tipps, wie man sich vor dieser Masche schützen kann.

Kreis Böblingen - Wer einen Facebook- oder Instagram-Account hat, kennt das: Auf dem Bildschirm erscheint die Freundschaftsanfrage von jemand, den man gar nicht kennt. Aber das Gesicht sieht ganz hübsch aus, das Lächeln wirkt sympathisch und überhaupt – was soll schon passieren? Also klickt man auf „Annehmen“ – und handelt sich damit womöglich eine Menge Ärger ein.

Auf diese und andere Arten versuchen nämlich Cyberkriminelle das Vertrauen ihrer Opfer auszunutzen. Zuletzt hat es die Polizei in den Landkreisen Ludwigsburg und Böblingen zunehmend mit einer speziellen Art von Erpressung auf sexueller Grundlage zu tun.

Erst fallen die Hemmungen, dann die Kleider

Wie so ein Fall ablaufen kann, verdeutlicht die Polizei mit diesem Beispiel aus dem Kreis Ludwigsburg: Ein 44-Jähriger nimmt auf Facebook die Freundschaftsanfrage einer ihm unbekannten, aber augenscheinlich sehr attraktiven Frau an. Zunächst schreiben sich die beiden im Chat, dann schlägt die Frau vor, auf einen Videochat umzusteigen. Dabei fallen bei dem 44-Jährigen zuerst die Hemmungen und dann die Kleider. Die Frau fordert ihn auf, sich auszuziehen „und sexuelle Handlungen an sich selbst durchzuführen“, wie die Polizei es in ihrem Bericht formuliert.

Der Mann lässt sich bereitwillig auf das erotische Spielchen ein – nicht zuletzt, weil die Frau ihm verspricht, es ihm bald gleichtun. Daraus wird aber nichts: Als der Mann fertig ist, bemerkt er, dass er gefilmt wurde – der Chat wird abgebrochen.

Die Erpresser fordern immer mehr Geld

Einen Tag später wird der 44-Jährige erneut über Facebook kontaktiert. Statt der vermeintlichen Flirt-Freundin melden sich jetzt aber unbekannte Erpresser bei ihm. Sie fordern ihn auf, Geld zu transferieren. Sollte er sich weigern, drohen sie damit, die peinlichen Aufnahmen auf diversen sozialen Medien zu veröffentlichen.

Aus Angst, dass sämtliche Freunde und Bekannte die intimen Aufnahmen zu sehen bekommen könnten, überweist der Mann zweimal knapp 100 Euro an eine Adresse in Afrika. Nach einem weiteren Tag fordern die Cyberkriminellen erneut 250 Euro von dem 44-Jährigen. Statt zu zahlen, wendet er sich jetzt aber an die Polizei und erstattet Anzeige.

Verbreitetes Phänomen: „Sextortion“.

So wie diesem Herrn ergeht es laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg auch vielen anderen. Die Beamten sprechen bei dieser Masche von „Sextortion“. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern Sex und Extortion (Erpressung) zusammen und beschreibt demnach eine Erpressung auf sexueller Grundlage.

Vor allem zwei Varianten dieser Masche werden nach Polizeiangaben häufig zur Anzeige gebracht: Bei der „klassischen Variante“ findet die Kontaktaufnahme über ein soziales Netzwerk wie Twitter, Snapchat, Instagram oder Facebook statt. Der oder die Betroffene und die fremde Person kommunizieren miteinander und starten – wie im obigen Beispiel beschrieben – einen Video-Chat. Dabei können sehr intime Aufnahmen entstehen, mit denen die Cyberkriminellen ihre Opfer dann zu erpressen versuchen.

Erpressung per Spam-Mail

Noch viel weiter verbreitet ist laut Polizei die so genannten „Spam-Variante“. Hierbei verschicken die Täter an ihre Opfer per E-Mail ein Erpresserschreiben, in dem sie behaupten, von ihrem Opfer kompromittierende Sexvideos aufgenommen zu haben. Sie fordern dann Geldbeträge, damit diese dann nicht veröffentlicht werden. Häufig werden derartige E-Mails massenweise ohne konkretes Ziel als Spam-Mails verschickt.

Wie der Polizeisprecher mitteilt, betrifft das Phänomen „Sextortion“ zwar mehrheitlich Männer, es können aber auch Frauen davon betroffen sein. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, der die Landkreise Böblingen und Ludwigsburg umfasst, haben die Ermittler zuletzt einen Anstieg der angezeigten Fälle verzeichnet, teilt der Beamte mit.

Geringe Aufklärungsquote

Die Aufklärungsquote der Sextortion-Fälle sei sehr gering. „Meistens sind die Drahtzieher in Banden organisiert, operieren vom Ausland aus oder nutzen sogenannte Bots , um ihre Erpresserschreiben per Mail zu verteilen“, erklärt der Polizeisprecher.

Die steigenden Fallzahlen seien Beleg dafür, dass es sich um ein anwachsendes Problem handelt. Die Kriminalpolizei geht zudem von einer gewaltigen Dunkelziffer aus. „Scham dürfte viele Opfer, die bereits Geld an die Erpresser gezahlt haben, von einer Anzeigenerstattung abhalten“, so der Pressesprecher.

Tipps der Polizei

Um nicht Opfer dieser Erpressungsmasche „Sextorsion“ zu werden, empfiehlt die Polizei niemals Freundschaftsanfragen von fremden Personen anzunehmen, regelmäßig die eigenen Account- und Privatsphäre-Einstellungen zu prüfen und zurückhaltend mit der Veröffentlichung persönlicher Daten wie Anschrift, Geburtsdatum oder Arbeitgeber umzugehen. Zudem warnen die Beamten davor, vorschnell einem Videochat zuzustimmen. „Kleben Sie im Zweifel die Chatkamera zunächst ab, um lediglich verbal zu kommunizieren und das Geschehen zu beobachten“, rät die Polizei.

Außerdem warnt die Polizei eindringlich davor, Entblößungen oder intimen Handlungen in Videochats zustimmen – vor allem, wenn man die Person am anderen Ende erst seit kurzem kennt. Außerdem empfiehlt es sich, Betriebs- sowie Virenschutzsysteme auf Online-Endgeräten wie Smartphone, Laptop, Tablet oder Computer immer auf dem aktuellen Stand zu halten. Das schütz vor Schadsoftware, sogenannter Malware. Es gibt Malware, die Webcams problemlos aktiviert und mit der man jederzeit gefilmt werden kann.

Beamte mahnen: Auf keinen Fall zahlen!

Sollte es bereits dennoch zu einer Erpressung gekommen sein, rät die Polizei dazu, Anzeige zu erstatten und auf keinen Fall Geld zu überweisen. Die Erpressung höre nach der Zahlung in den meisten Fällen ohnehin nicht auf. Umgekehrt mahnen die Beamten möglichst zu Gelassenheit, da die Erpresser ihre Drohung, die peinlichen Aufnahmen zu veröffentlichen, in der Regel gar nicht wahr machen würden. Darüber hinaus empfiehlt die Polizei, den Betreiber der Seite zu kontaktieren und die Löschung des Bildmaterials zu veranlassen. Nicht angemessene Inhalte kann man dem Seitenbetreiber über eigens hierfür eingerichtete Buttons melden. Weiter empfehlen die Beamten, den Kontakt zu der anonymen Person sofort abzubrechen, nicht auf Nachrichten zu reagieren und den Chatverlauf zu sichern.