Verteidigungsminister Boris Pistorius kämpft mit Schwierigkeiten im Beschaffungswesen der Bundeswehr. Foto: AFP/THOMAS KIENZLE

Der Verteidigungsminister will nach Problemen bei der Umrüstung auf neue digitale Funkgeräte möglichen Versäumnissen nachgehen. Für mehr als eine Milliarde Euro wurden Funkanlagen bestellt, ohne dass der Einbau in Fahrzeuge geklärt wurde.

Probleme mit der Beschaffung von neuem Gerät für die Bundeswehr? Sollte es mit ihm nicht mehr geben, das war das Versprechen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), als er im Januar sein Amt antrat. Doch bei der Modernisierung von Funkgeräten gibt es Probleme. Steht Pistorius vor seinem ersten Rüstungsskandal? Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Was ist das Problem?

Die Bundeswehr will seit Jahren ihren Funk digitalisieren, dafür braucht es neue Funkgeräte. Den Auftrag dafür bekam der Münchner Hersteller Rohde & Schwarz. Seine Funkgeräte sollen in mehr als 100 verschiedenen Fahrzeugmodellen installiert werden. Schlussendlich sollen Zehntausende Fahrzeuge neue Funkgeräte erhalten.

Doch ein Bericht der „Welt“ deckte auf, dass es dabei offenbar viele Probleme gibt. So hätten manche Fahrzeuge zu kleine Lichtmaschinen, um die Funkgeräte zu versorgen. Probleme gebe es auch mit Batteriekapazitäten und Adapterplatten, die für den Einbau notwendig sind. Bei bestimmten Fahrzeugmodellen soll es schlicht zu wenig Platz geben, um die Funkgeräte einzubauen.

Warum braucht die Bundeswehr diese Funkgeräte?

Die Funkgeräte, die die Bundeswehr derzeit nutzt, sind veraltet. Die neuen Geräte sollen digital und verschlüsselt sein. Zudem sollen sie mit den Streitkräften anderer Länder kompatibel sein. Schließlich müssen sich die NATO-Einheiten im Ernstfall miteinander absprechen können. Aktuell heißt es allerdings, dass die bestellten Geräte von Rohde & Schwarz nicht mit denen anderer Länder kommunizieren könnten. Dieses Problem umgeht man bei der Bundeswehr dadurch, dass die Einheiten, die man der NATO bis 2025 zugesagt hat, andere Funkgeräte verwenden werden.

Warum war der Auftrag umstritten?

Der Auftrag für die Funkgeräte wurde nicht wie üblich ausgeschrieben, sondern im vergangenen Jahr direkt an das Unternehmen Rohde & Schwarz vergeben. Im Verteidigungsministerium begründete man dies damals damit, dass man durch den Ausbruch des Ukraine-Kriegs schnell bestellen wolle. Der Konkurrent Thales, der sich um die Ausschreibung bewerben wollte, hat diesen Vorgang angefochten. Derzeit wird am Oberlandesgericht Düsseldorf darüber verhandelt.

Was sagt der Verteidigungsminister?

Als der Bericht über das Problem bekannt wurde, hatte Pistorius zunächst abgestritten, dass dieses überhaupt existiert. „Falscher als falsch“, nannte er die Vorwürfe. Im Laufe der Woche veränderte er aber seine Aussage. Auf die Frage, wie die Bundeswehr für mehr als eine Milliarde Euro Funkanlagen kaufen könne, ohne dass der Einbau in Fahrzeuge geklärt sei, sagte der SPD-Politiker während seiner Reise nach Estland: „Das wird sich aufklären in den nächsten Wochen und Monaten. Ich bin darüber einigermaßen verärgert.“

Pistorius verwies auch darauf, dass der Auftrag im Dezember erteilt worden sei, „also vor meiner Zeit“. Er sagte: „Ich wäre davon ausgegangen, dass man sich vor der Bestellung, aber mindestens mit der Bestellung darüber Gedanken macht, wie die Integration erfolgt. Dass das nicht passiert ist oder nicht ausreichend, das klären wir jetzt auf und versuchen zu heilen, was zu heilen ist.“

Was sagen die Parlamentarier dazu?

Selbst Politiker der Koalition sind erbost. Der Haushaltspolitiker Andreas Schwarz, wie Pistorius ebenfalls ein Sozialdemokrat, hatte bereits im März kritisch zu den Funkgeräten nachgefragt, laut eigener Aussage aber nie eine Antwort erhalten. Nach den neuesten Entwicklungen zeigte er sich fassungslos. „Man kann nicht einen Vertrag in Milliardenhöhe unterschreiben, wenn nicht einmal die wesentlichen Grundlagen geklärt sind“, sagte er dieser Redaktion. Das alles spreche für schlechte Planung und Steuerung. Schwarz zeigte sich auch wenig zuversichtlich für den Fortgang des Beschaffungsvorgangs. „Es gibt große Fragezeichen, ob der Zeitplan für die Montage der Funkgeräte in allen Modellen eingehalten wird“.

CDU-Politiker Ingo Gädechens übte Kritik am Minister selbst: „Pistorius kommt langsam in der Realität des Bundesverteidigungsministeriums an – und sein Krisenmanagement in der aktuellen Situation zeigt, dass er sein Haus absolut nicht im Griff hat.“