Sieht wieder vorsichtig optimistisch in die Zukunft: Linke-Chef Martin Schirdewan. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die Linke ist des Streitens müde. Der Bundesparteitag in Augsburg sendet ein Zeichen der Geschlossenheit.

Die Linke hat sich in Augsburg zum Bundesparteitag getroffen, dem ersten nach dem Austritt des Wagenknecht-Lagers. Insofern war dieser Konvent zukunftsweisend. Die Linke hat ihre äußerst schwierige Lage verstanden. Noch-Fraktionschef Dietmar Bartsch beschrieb den Verlust des Fraktionsstatus als „historisches Desaster“. Deutlicher kann man es nicht sagen.

Ist der Dauerstreit bei den Linken nach dem Wagenknecht-Aus vorbei?

Der Parteitag zeigte, dass nun das Streitpotenzial erheblich reduziert ist. Vor allem ist der gehässige Unterton verschwunden, der in den vergangenen Jahre stets eine latente Spannung erzeugte. Wirklich gestritten wurde eigentlich nur einmal: als es um die Haltung zum Nahostkonflikt ging. Aber auch da stand am Ende ein mit großer Mehrheit getragener Beschluss. Bei der Arbeit zum Europaprogramm folgte der Parteitag fast durchgehend den Empfehlungen des Vorstands. Das zeigt auch: Die Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler sind entscheidend gestärkt. Beide hielten zwei Reden, die sehr gut ankamen.

Gibt es programmatische Überraschungen?

Die Linke folgt dem alten Konzept, die eigenen Stärken stark zu machen. Man glaubt, mit dem Thema soziale Gerechtigkeit wieder im öffentlichen Dialog durchdringen zu können. Auf die Ebene inhaltlicher Forderung heruntergebrochen ergibt sich dabei für den linken Kosmos nichts Außergewöhnliches: Die Linke plädiert für einen Mindestlohn von 15 Euro. Bisher lautete die Forderung 14 Euro. Ansonsten dominieren die klassischen Themen. Mehr öffentliche Ausgaben, weg mit der Schuldenbremse, mehr Steuern auf höhere Einkommen, eine Übergewinnsteuer für krisenbedingte Konzerngewinne, eine Vermögensabgabe für Milliardäre und ein engagierter Klimaschutz. Hinzukommen vor allem zwei Aspekte: das Offenhalten der Grenzen für Asylsuchende und der Kampf gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft.

Wie sind die Aussichten auf einen neuen Aufschwung?

Zumindest ist mit der neuen Geschlossenheit eine notwendige Bedingung für bessere Zeiten geschaffen. Der Verlust des Fraktionsstatus ist aber eine schwere Bürde, er macht es bedeutend schwerer, Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Es gibt aber auch Faktoren, die Mut machen. Erstens: Wenn die Linke sich geschlossen auf ihre Kernthemen konzentriert, gibt es wieder eine Kritik an der Ampel aus der Perspektive sozialer Gerechtigkeit, nicht nur von konservativer und nationalpopulistischer Seite.

Und zweitens: Die Umfragen nach der Abspaltung der Wagenknecht-Gruppe gehen (auf ohnehin niedrigem Niveau) nicht noch weiter nach unten. Der linke Plan sieht so aus: Bei der Europawahl über fünf Prozent kommen und dann um jeden Preis in Thüringen das Ministerpräsidentenamt für den weiterhin populären Bodo Ramelow sichern. Sollte das gelingen, könnte die Partei wieder zuversichtlicher in die Zukunft sehen.

Bei der Europawahl hofft man auf die parteilose Spitzenkandidatin Carola Rackete. Die Menschenrechtsaktivistin soll neue Milieus erschließen. Im Blick hat die Linke dabei wohl vor allem Menschen, die vom härteren Kurs der Grünen in der Asylpolitik abgeschreckt sind.

Welche Rolle spielt der Faktor Wagenknecht?

In der Partei kursiert eine Untersuchung der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ihr Ergebnis: Beim Potenzial beider Gruppen gibt es wenig Überschneidungen. Die Linke und Wagenknecht sprechen offenbar nicht dieselben Wählermilieus an. Das müssen die Wahlen erst noch zeigen. Vor allem bei der Europawahl, wo traditionelle Parteibindungen meist eine weniger dominante Rolle spielen, könnte die Wagenknecht-Partei der Linken durchaus Stimmen abnehmen. Auch im Osten, wo 2024 drei Landtagswahlen anstehen, ist Wagenknecht populär. Ein Wiederaufstieg der Linken ist also alles andere als sicher, auch wenn die Aufbruchstimmung da ist.