Drei Vaihinger in Ekstase: Ersatzspieler Jakob Kilpper, Johannes und Jaro Jungclaussen mit Pokal und Medaillen. Foto:  

Die Faustballer Johannes und Jaro Jungclaussen vom TV Vaihingen/Enz haben in einer Nische ihr Glück gefunden und hoffen auf Schub für ihren Sport.

So richtige Konkurrenten waren sie nie, auch wenn sie in derselben Sportart unterwegs sind. Jaro und Johannes Jungclaussen sind Faustballer – der eine spielt in der Abwehr, der andere im Angriff. Da kamen sie sich beim Kampf um die Stammplätze im Kader nie in die Quere – weder beim Bundesligisten TV Vaihingen/Enz noch in der deutschen Nationalmannschaft. „Das hat den Vorteil, dass wir uns immer zusammen freuen können“, sagt Johannes Jungclaussen.

Zusammen erlebten sie jetzt den größten Moment ihrer Karriere. 10 000 Zuschauer in der SAP-Arena in Mannheim waren Zeugen des sportlichen Höhepunkts, als sich das Brüderpaar vom TV Vaihingen/Enz zusammen mit dem Teamkollegen Jakob Kilpper die Goldmedaille umhängten und den WM-Pokal in die Höhe stemmten. 4:0 (11:7, 11:3, 15:14, 11:7) hatte die deutsche Faustball-Nationalmannschaft im Finale gegen Österreich gewonnen und war ohne einen Satzverlust in sechs Spielen Weltmeister geworden. Mal wieder. Bei 16 Weltmeisterschaften holten die Teams in Schwarz-Rot-Gold 13 mal den Titel.

Deutschland gilt als Mittelpunkt der Faustballwelt

Nicht umsonst gilt Deutschland als Mittelpunkt der Faustballwelt. „Wir haben das beste Mannschaftsgefüge. Jeder erfüllt die Rolle, die ihm auferlegt wird“, so Jaro. Bei der WM wagte der internationale Verband IFA ein Novum: Die Vorrundenspiele wurden draußen in der Rhein-Neckar-Arena ausgetragen – ab dem Halbfinale traten die Teams dann in der SAP-Arena auf einem Rollrasen an. „Das war von der Optik her erst etwas merkwürdig, aber wenn 10 000 Leute ausrasten, wenn du einen Ball abgewehrt hast, dann ist das ein Erlebnis, was du nicht vergisst“, sagt Johannes Jungclaussen.

Als Faustballer muss man immer viel erklären, da nur 40 000 Menschen bundesweit diesen Sport betreiben. Das ergeht Jaro und Johannes Jungclaussen nicht anders. Die Spielregeln seien ähnlich wie beim Volleyball – mit dem Unterschied, dass der Ball vor dem ersten Spielzug auf den Boden springen dürfe, erklärt Jaro Jungclaussen. Ähnlich sei auch, dass drei Ballkontakte pro Spielzug erlaubt seien. Der Ball darf also dem Angriffsspieler aufgelegt werden, der ihn im Idealfall so in die andere Spielhälfte hämmert, dass der Gegner keine Chance hat, ihn trotz einmaligem Bodenkontakt zu erreichen.

Keine Prämie für WM-Titel

Zum Team zählen fünf Spieler _ zwei Angreifer, zwei Abwehrspieler, ein Zuspieler. Das Spielfeld hat in der Halle die Größe eines Handballfeldes, im Sommer wird auf einem etwas größeren Rasenplatz gespielt. Statt eines Netzes trennt ein Band in zwei Metern Höhe die beiden Spielhälften.

Jaro hat mit fünf Jahren mit dem Faustball begonnen, sein zwei Jahre jüngerer Bruder eiferte ihm nach. Zusammen haben sie sich bis in die Nationalmannschaft durchgeschlagen – ein Sport mit geballten Fäusten sozusagen. Da zeigt sich der Vorteil in der Nische: Weil es nicht so viele Faustballer gibt, kann man bei entsprechender Leistung sehr schnell vorankommen. Anfang des Jahres hatte Bundestrainer Olaf Neuenfeld noch 26 Athleten im Kader – letztlich schrumpfte das Team nach diversen Trainingslagern auf zehn Spieler.

Doch was macht diese Randsport aus? Kraft, Schnelligkeit und Athletik korrespondieren mit Zusammenhalt und Teamgeist, erzählen die beiden. Und man bewege sich darin quasi wie in einer Familie, weil man immer wieder auf die gleichen Akteure trifft. „Was mich fasziniert, ist die Dynamik“, sagt Johannes Jungclaussen. Mit einer angestaubten Altherrensportart, wie viele denken, habe Faustball nichts gemein. Manche Spieler können den rund 370 Gramm schwerer Lederball mit der bloßen Faust problemlos auf mehr als 100 Stundenkilometer beschleunigen. Die gegnerischen Spieler retten mit Strecksprüngen und Beckerhechten selbst gut platzierte Bälle.

Der 24-jährige Johannes studiert in Heidelberg Sport und Geografie im Lehramt. Zweimal die Woche fährt er zum Training nach Vaihingen. Der 26-jährige Jaro wohnt im Ort. Der Mechatroniker macht gerade eine Fortbildung zum Techniker.

Für den WM-Titel gab es neben Medaille und Pokal einen warmen Händedruck. Mehr nicht. „Aber die Kosten für die Lehrgänge und Unterkünfte werden vom Verband übernommen“, sagt Jaro Jungclaussen, der eigens für die WM Urlaub genommen hat.

Brüderpaar hofft auf Kick für die Sportart

Sie hoffen jetzt, dass der Sport, der bei den Titelkämpfen in Mannheim im dritten TV-Programm übertragen wurde, einen Kick bekommt, sich mehr Kinder und Jugendliche dafür begeistern. Faustball sei integrativ und als Schulsport geeignet, weil sich Erfolgserlebnisse schnell einstellen – auch weil der Ball auf dem Boden aufkommen darf.

Und wie sieht es mit eigenen Zielen aus? Gibt es noch Träume, als Weltmeister und vorher mit EM-Gold dekoriert? Aber sicher. Jaro Jungclaussen fehlt noch der deutsche Meistertitel, den er mit dem TV Vaihingen/Enz noch gewinnen will. Johannes hat das mit Rekordmeister TSV Pfungstadt schon geschafft. Beide wollen noch Gold bei den World Games, bei denen sich die nichtolympischen Sportarten treffen.

Und dann haben sie noch einen weiteren gemeinsamen Wunsch: „Wir haben mit Jacob noch einen Bruder, der Faustball spielt, und es wäre super, wenn wir irgendwann zu dritt in der Nationalmannschaft spielen.“

Fakten zum Faustball

Spielfeld
 In der Halle misst das Spielfeld 40 mal 20 Meter, im Freien 50 mal 20 m. Der Ball muss eine Leine auf knapp zwei Meter Höhe überqueren und darf sie nicht berühren.

Regeln
Der Ball darf nur mit einem Arm und mit der Faust gespielt werden.  Drei Ballkontakte eines Teams sind pro Spielzug erlaubt – mit jeweils einem Bodenkontakt.

Geschichte
 1894 wurden erstmals offizielle Spielregeln in Deutschland aufgeschrieben. Ansässige Faustballer trugen den Sport in Teile der Welt. Deutschland, Österreich, die Schweiz und Brasilien machen jedoch vorrangig die Siege unter sich aus.