Bravos für die Musik, höflicher Applaus für die Regie: Im Bregenzer Festspielhaus hat die frühe Verdi-Oper „Ernani“ Premiere gefeiert.
Weicher Streicherteppich und scharfe Blechattacken, lyrisches Innehalten und dramatische Zuspitzung. Giuseppe Verdis frühe Oper „Ernani“ nach Victor Hugos Drama lebt von den Kontrasten, die ohne jede Vermittlung aufeinanderprallen. Dass nun die Bregenzer Festspiele in der vorletzten Saison von Intendantin Elisabeth Sobotka diese wenig gespielte, musikalisch reiche Oper ins Festspielhaus bringen, ist zu begrüßen.
Enrique Mazzola und die Wiener Symphoniker entwickeln von Beginn an einen ganz plastischen, vielschichtigen Orchesterklang und einen Puls, der die psychologisch eher hemdsärmelig gebaute Geschichte weiterführt. Elvira wird von gleich drei Männern begehrt – darunter ein König und ihr greiser Onkel. Sie liebt aber ausgerechnet den Räuber Ernani, der noch eine Rechnung mit dem König offen hat, am Ende aber durch eigene Hand stirbt, nachdem ihm der inzwischen zum Kaiser gekrönte König sogar Elvira zur Frau gegeben hat. Das klingt verworren und ist es auch. Regisseurin Lotte de Beer und Christof Hetzer (Bühne und Kostüme) versuchen erst gar nicht, die Beweggründe der Figuren zu ergründen. Sie zeigen vor allem toxische Männlichkeit in allen Variationen.
Christof Hetzer hat die im 16. Jahrhundert in Kastilien, Aachen und Aragon spielende Geschichte auf einer kargen, gewölbten Steinwüste angesiedelt. Hier präsentiert sich Saimir Pirgu mit hellem, strahlendem Tenor als gemäßigter, direkt sympathischer Rebell, dem man seine adlige Herkunft anmerkt. Seine verschmutzte Räuberbande (darstellerisch bemüht brutal, musikalisch top: der Prager Philharmonische Chor) geht da schon anders zur Sache und lässt das fröhliche Trinklied in eine Schlägerei ausarten. Elvira (mit leichter Koloratur und satter Tiefe: Guanqun Yu) lebt gefangen in einem weißen Kubus. Den einbrechenden König Carlo kleidet Hetzer als Witzfigur: mit Pluderhose, Bauchbinde, Holzschwert und nahezu nacktem Oberkörper. Franco Vassallo zeigt mit seinem farbenreichen Bariton andere Facetten der Figur. Für Regisseurin Lotte de Beer ist Carlo ein brutaler Despot. Während dieser König im zweiten Akt seine sonore Liebesarie „Vieni meco, sol di rose“ (Komm mit mir, mit Rosen allein) singt, vergewaltigen seine Männer die Hofdamen.
Zuvor wurde schon Don Ruy Gomez de Silva (mit mächtigem, kantablen Bass: Goran Jurić), Elviras Onkel und Fast-Ehemann, brutal gefoltert. Das Kunstblut spritzt. Sein Alter verdeutlich de Beer mit Gehhilfe und Schlafhaube – die nächste Karikatur. Die Regisseurin bringt eine holzschnittartige Struktur in das wenig konsistente Libretto. Das schafft zwar klare Verhältnisse, nimmt aber durch die Überdeutlichkeit leider auch die Zwischentöne.
Dafür muss man der Musik lauschen und auch den fantastischen Stimmen in den Kavatinen, Duetten und Terzetten. Hier rücken die Figuren näher und zeigen ihr vielschichtiges Seelenleben. Hier gibt es kein Schwarz-Weiß, sondern unendliche Nuancen. Traumwandlerisch führt Enrique Mazzola durch die Partitur, staut und beschleunigt, härtet den Orchesterklang und macht ihn wieder geschmeidig. Bravos für die Musik, höflicher Applaus für die Regie.
Ernani. 23. Juli, 11 Uhr, und 31. Juli, 19.30 Uhr