Viele Schulen sind mangelhaft ausgestattet, was IT angeht. Foto: imago/Rainer Weisflog

Der Geist deutscher Schüler wäre willig. Aber die Digitaltechnik heimischer Schulen bleibt oft schwach. Lehrer werden als IT-Experten missbraucht.

Es ist eine Studie der zwei Gesichter. Wie es um die Digitalisierung deutscher Schulen gut dreieinhalb Jahre nach dem Ausbruch einer medizinisch inzwischen bewältigten Pandemie bestellt ist, wollte der heimische Digitalverband Bitkom wissen und hat dazu repräsentativ deutsche Schüler befragt. Schüler und Lehrer lassen Bitkom-Chef Ralf Wintergerst dabei aufatmen. „Lehrer sind keine Digitalmuffel, Schüler mögen es, digital unterrichtet zu werden“, sagt er zu den positiven Haupterkenntnissen. Dennoch sei die Lage unbefriedigend, weil technisch trotz eines fünf Milliarden Euro schweren Digitalpakts Schule weiterhin vieles im Argen liegt. So haben neun von zehn Schülern bemängelt, dass es in ihrer Schule schlechtes oder kein Wlan-Netz gebe.

Mehr als jeder zweite Befragte zwischen 14 und 19 Jahren hat zudem die technische Ausstattung seiner Schule als einen von drei Hauptmängeln genannt. „Es ist augenfällig, dass damit zwei der drei Top-Probleme mit Digitaltechnik zu tun haben“, betont Wintergerst. Lehrermangel komplettiert das Mängeltrio. „Das Interesse der Schülerinnen und Schüler an digitaler Bildung ist hoch“, stellt der Bitkom-Chef klar. Drei von vier Befragten haben gesagt, durch deren Einsatz motivierter zu sein. Gut jeder zweite gibt an, mit digitalen Unterrichtsmethoden bessere Noten zu schreiben.

„Wir haben ein Umsetzungsproblem“

Aber wenn von fünf Milliarden Euro, die in Deutschland 2019 für den Digitalpakt Schule beschlossen worden sind, gerade einmal eine Milliarde Euro schon ausgegeben ist, wird klar, wo der Schuhe drückt. „Wir haben ein Umsetzungsproblem“, urteilt Wintergerst. Besonders krass sei das Verhältnis von zur Verfügung stehenden und abgerufenen Geldern im Bereich IT-Unterstützung, also Wartung, Administration und Updates. Von einer halben Milliarde Euro dafür hätten Deutschlands rund 32 000 Schulen bislang gerade einmal 52 Millionen Euro für ihre gut elf Millionen Euro Schulkinder ausgegeben.

Klar wurde durch die Studie auch, wer in deutschen Schulen digitale Netze einrichtet und sie am Laufen hält. So haben drei von vier Schülern gesagt, dass eine Lehrkraft für den IT-Support in ihrer Schule zuständig sei. Nur eine von 20 Schulen leistet sich einen eigenen IT-Experten. Eine von 50 Schulen nimmt externe Hilfe in Anspruch. Eigentlich müsste aber das, was die Ausnahme ist, die Regel sein, kritisiert Wintergerst. „Es sollte eine professionelle Betreuung der Schul-IT geben“, fordert er. IT-Administration dürfe nicht auf dem Rücken von Lehrkräften abgeladen werden. Ohne spezielle IT-Expertise sei auch die Cybersicherheit von Schulen gefährdet.

Schülerinnen und Schüler wiederum seien in ihrem Digitalverständnis oft weiter als ihre jeweiligen Schulen, findet Wintergerst. So würden neun von zehn Befragten gerne über Fake News und den richtigen Umgang mit Informationsquellen aufgeklärt werden. Bei gerade der Hälfte davon sei das in ihrer Schule aber der Fall. Sechs von zehn würden gern lernen, wie man digitales Gerät repariert. Fünf Prozent werden solche Fähigkeiten vermittelt. „Viele Schulen erfüllen die Erwartungen ihrer Schüler nicht“, bilanziert der Bitkom-Chef die Studienergebnisse.

Videorekorder aus den 60er Jahren im Einsatz

Denn es gebe oft auch Realitäten wie etwa 2000 deutsche Schulen, in denen noch Videorekorder aus den 60er Jahren im Einsatz sind. Ein Dreifaches arbeitet weiterhin mit altmodischen Overhead-Projektoren. Die technischen Lücken hätten inzwischen mit dem Rückenwind des Digitalpakts behoben sein müssen, kritisiert Wintergerst und fordert einen Digitalpakt 2.0. Denn der bestehende laufe bereits im Mai 2024 aus. Um digitale Schulen am Laufen und auf dem neuesten Stand zu halten sowie Nachzügler endlich digital zu machen, dürfe die Finanzierung aber nicht abreißen.

Etwa eine Milliarde Euro jährlich sei bis 2030 dafür anhaltend nötig. „Sonst werden wir technologisch global abgehängt“, warnt Wintergerst. Es gehe darum, den eigenen Nachwuchs fit für ein globales Wettrennen zu machen. Ohne Wlan oder IT-Spezialisten für Schulen funktioniere das nicht.