Zeitlos schön: eine 100 Jahre alte Bluse, das Foto zeigt die Stickerin als Kind. Foto: Gottfried Stoppel

Eine neue Ausstellung im Museum Hirsch in Buoch beleuchtet das uralte Handwerk der Stickerei. Einst war es ein Zunftberuf und Männern vorbehalten – und die Lehrzeit eine lange.

Ob der berüchtigte französische Kardinal Richelieu jemals Nadel und Faden in den Händen gehalten hat? Wohl eher nicht. Die bis heute bekannte Richelieu-Stickerei, eine Lochstickerei, trägt aber seinen Namen. Denn offenbar ließ er sie einst als kostengünstige Variante zur Nadelspitze einführen. Zur Lebenszeit des im 16. Jahrhundert geborenen Kirchenfürsten war die Stickerei tatsächlich Männersache, erzählt Christel Fezer, die Vorsitzende des Heimatvereins Buoch: „Sticken war früher ein Männerjob mit einer meist sechsjährigen Lehrzeit.“ Gerade die Goldstickerei, die bei der Herstellung liturgischer Gewänder zum Einsatz kommt, habe Kraft erfordert. Der württembergische Hof, so berichtet Christel Fezer, habe im 17. Jahrhundert eigene Kammersticker beziehungsweise Hofseidensticker für die Garderobe beschäftigt.

Stickereien – von China über Gambia bis Mexiko

Der Drang, Kleidung, Schuhe, Alltags- und Ziergegenstände mit bunten Fadenstichen zu versehen, scheint typisch menschlich zu sein – das beweisen die Exponate aus aller Welt, die der Heimatverein Buoch in der Sonderausstellung „Stich für Stich – Stickerei“ nun zeigt. Zu sehen sind beispielsweise farbenfroh gemusterte Sofakissen aus Gambia, feine Deckchen aus China, ein knallbunter Poncho aus Mexiko, eine edle Jacke mit Goldfäden von der Halbinsel Sinai, ein bestickter blauer Bauernkittel aus Griechenland und eine feine, zeitlos schöne Chiffonbluse, die eine geduldige Remstälerin vor gut 100 Jahren mit Blumen- und Blattornamenten verziert hat.

Zu dieser Zeit, wie auch schon schon im 19. Jahrhundert, waren bereits fast ausschließlich die Frauen für das Sticken zuständig. Vor der Heirat galt es, Leibchen und Leintücher, Kissen, Tisch- und Taschentücher mit dem eigenen Monogramm zu besticken. Was Frau dazu brauchte, zeigt die Ausstellung auch: Kupferschablonen, Pinsel und Puder zum Aufzeichnen der Initiale, Stickrahmen, Garne und 134 Fingerhüte aus der Sammlung von Hermann Kemper.

Auch nach der Heirat wurden nicht nur löchrige Socken gestopft, sondern Lesezeichen und Buchhüllen, Schürzen, Lavendelsäckchen für den Wäscheschrank und Wandbilder hergestellt. Die Stickerei kam ursprünglich aus China und Indien zu den Assyrern. „Von denen lernten die Griechen und von diesen die Römer“, erzählt Christel Fezer. In England und später in Frankreich habe dieses Handwerk dann seinen Höhepunkt erreicht – man denke nur an den berühmten, fast 70 Meter langen Bildteppich von Bayeux. Dieser wurde überwiegend im Stiel- und im Bayeux-Stich angefertigt – nur zwei Stichtechniken von vielen. Eine weitere ist der Gobelinstich. Mit diesem hat eine Frau aus Buoch etliche prächtige Gobelinbilder angefertigt, die nun im Museum Hirsch zu sehen sind. Wohl am meisten verbreitet ist der Kreuzstich, der oft auf groberen Stoffen zum Einsatz kommt.

Flotte Sprüche, dröge Anweisungen

„Komm ein bisschen mit nach Italien“ lockt ein besticktes Sofakissen, das neben dem geschwungenen Schriftzug ein schick gekleidetes Paar auf einer Vespa zeigt. Andere gestickte Sprüche kommen da um einiges dröger daher, zum Beispiel „Ordnung erfreut“ oder „Jede Gattin klug und weise kocht des Mannes Lieblingsspeise“. Ein ganz besonderes Stück ist das Sofakissen, auf das zwei lustige Figuren gestickt sind. Gemacht habe das ein Mann, berichtet Christel Fezer und deutet auf ein Foto, das den Erschaffer bei seinem Hobby zeigt: „Er hat erst mit 90 Jahren das Sticken angefangen.“

„Stich für Stich – Stickerei“ eröffnet an diesem Freitag, 10. November, um 19 Uhr und ist bis 10. März im Museum Buoch, Eduard-Hiller-Straße 6, zu sehen; samstags von 14 bis 16 Uhr, sonntags 10 bis 12 und 14 bis 16 Uhr. Es gibt auch Führungen auf Anfrage an: cw@fezers.de.