Hunderttausende Polen demonstrieren für die EU und gegen ihre eigene Regierung. Die demontiert seit Jahren den Rechtsstaat im eigenen Land. Foto: dpa/Czarek Sokolowski

Warschau baut seit Jahren das Justizsystem um. Die EU-Kommission klagt immer wieder dagegen und bekommt nun Recht vor dem Europäischen Gerichtshof. Das könnte für Polen richtig teuer werden.

In Polen ist der Rechtsstaat in Gefahr. Zu diesem Ergebnis kommen die Richter des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und urteilen, dass die polnische Justizreform von 2019 gegen EU-Recht verstößt. Geklagt hatte die EU-Kommission. Insbesondere die inzwischen abgeschaffte Disziplinarkammer für Richter habe die richterliche Unabhängigkeit untergraben, heißt es in der Urteilsbegründung aus Luxemburg. Die Unabhängigkeit der Richter sei nicht weiter gewährleistet. Auch sei die Möglichkeit der Gerichte eingeschränkt worden, sich auf EU-Recht zu berufen. Das bislang gegen Polen festgesetzte Zwangsgeld läuft damit aus formalen Gründen aus, die EU-Kommission kann aber erneut ein Zwangsgeld beantragen. (Az: C-204/21)

Polens Richter liegen an der kurzen Leine

Die EU-Kommission liegt seit mehreren Jahren im Clinch mit der national-konservativen Regierung in Warschau. Ein Dorn im Auge ist vor allem eine große Justizreform, die auch eine Neuausrichtung der beim Obersten Gericht angesiedelten Disziplinarkammer vorsieht. Mit einer Reform im Jahr 2019 nahm Polen hier nochmals Verschärfungen vor. Kritiker sind überzeugt, dass damit unabhängige Richter auf Linie gebracht werden sollen, die etwa zwangsversetzt oder vorzeitig in den Ruhestand geschickt werden können.

Moritz Körner, innenpolitischer Sprecher der FDP im Europaparlament, äußerte sich zufrieden über den Spruch des EuGH. „Der Rechtsstaat in Polen ist immer noch defekt“, erklärte der Abgeordnete am Montag. „Die polnische Regierung muss endlich akzeptieren, dass EU-Mitglieder sich an EU-Recht halten müssen. Solange die Richter in Polen nicht unabhängig agieren können, kann Polen nicht als vollwertiger demokratischer Partner behandelt werden.“

Für Polen geht es um sehr viel Geld

Für Polen geht es in diesem Fall auch um sehr viel Geld. Weil Warschau sich weigerte, frühere EuGH-Urteile umzusetzen, verhängte der Gerichtshof bereits eine Million Euro Zwangsgeld pro Tag. Die Strafe wurde im Frühjahr halbiert, weil die Regierung inzwischen einige Änderungen am Justizsystem vorgenommen hat. Zudem hält die EU-Kommission mehrere Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds für Polen zurück, weil sie Zweifel am dortigen Justizsystem hat.

Die Hoffnung der national-konservativen Regierung, dass Brüssel das Geld in den nächsten Monaten noch rechtzeitig vor den Wahlen auszahlen könnte, ist eher klein. Denn schon jetzt sind weitere Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Polen bereits abzusehen. Im Februar verklagte Brüssel die Regierung in Warschau erneut wegen Verstößen gegen EU-Recht durch den polnischen Verfassungsgerichtshof.

Für Moritz Körner zeigt Polen im Moment zwei sehr unterschiedliche Gesichter. „Bei der Hilfe für die Ukraine agiert Polen seit Monaten vorbildlich“, lobte der FDP-Mann. „Es wäre wünschenswert, wenn die polnische Regierung in diesem Sinne ihren Angriff auf die eigene Demokratie endlich beenden würde.“