Die Idee, der Staat könne mit der Zahlung einer Übergewinnsteuer von Banken Haushaltslöcher stopfen, muss Giorgia Meloni wieder einpacken. Foto: imago//Fabio Frustaci

Im Sommer hatte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vorgeschlagen, dass die Banken eine sogenannte Übergewinnsteuer an den Staat zahlen sollten. Doch trotz Rekordgewinnen will kein Institut die Sonderabgabe leisten.

Alle großen italienischen Banken haben für das dritte Quartal Rekordgewinne vermeldet, von der HVB-Mutter Unicredit, über die Ex-Krisenbank Monte dei Paschi di Siena bis hin zur Volksbank von Sondrio. Fast alle haben ihre Jahresprognosen angehoben. Sie profitieren von hohen Zinsüberschüssen, Kostensenkungen und einer niedrigen Kreditrisikovorsorge und gehören zu Europas rentabelsten Banken. Dennoch zahlt keine von ihnen die von Premierministerin Giorgia Meloni im Sommer verkündete Sondersteuer auf Übergewinne.

Für Meloni dürfte die positive Entwicklung der Institute deshalb einen bitter-süßen Geschmack haben. Denn sie wollte gerade die hohe Ertragskraft der Institute anzapfen, um trotz der Riesenschulden des Landes in Höhe von 140 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Wahlversprechen wie Steuersenkungen, familienpolitische Maßnahmen und Vorruhestandsregelungen erfüllen zu können.

Die Banken entscheiden sich für den eigenen Kapitalpuffer

Doch selbst angesichts der von Analysten in diesem Ausmaß nicht erwarteten Gewinnsteigerungen wird es nichts mit den erhofften Milliarden-Einnahmen aus der Sondersteuer. Denn die Banken machen lieber von der Alternative Gebrauch, ihre Kapitalpuffer für schlechte Zeiten zu erhöhen als Haushaltslöcher zu stopfen. Und dies ohne negative Folgen für ihre Dividendenpolitik. Sogar die staatliche Bank Mediocredito Centrale (MCC) will nichts in die Staatskasse zahlen.

Meloni schaut in die Röhre. Die Steuer, die sie – ohne Europäische Zentralbank (EZB), Banken oder Koalitionspartner vorher zu informieren – im stillen Kämmerlein selbst ausgeheckt hatte, ist ein Rohrkrepierer. Dabei war die Maßnahme bei vielen ihrer Wähler und auch bei ihren Parteifreunden sehr populär, denn sie traf die „bösen“ Banken. Nun fehlen die erwarteten Einnahmen von drei Milliarden und Meloni muss sich andere Einnahmequellen erschließen.

Die Premierministerin handelt zunehmend eigenmächtig. Das gilt etwa ebenso für die geplante Reform der Verfassung, die eine Direktwahl des Premierministers und einen Mehrheitsbonus für die Listenverbindung vorsieht, die mehr als 35 Prozent der Stimmen bei Parlamentswahlen erhält, wie auch etwa eine Vereinbarung zur Auslagerung von Flüchtlingen nach Albanien.

Die Nervosität wächst

Meloni, die zunehmend nervös und überfordert wirkt, hat ihr Ohr zu sehr an einem engen Kreis langjähriger Vertrauter und von Familienmitgliedern ohne fachliche Kompetenz. Nachdem sie in den ersten Monaten relativ vorsichtig und klug vorgegangen ist, reagiert sie angesichts der wachsenden Ungeduld ihrer Anhänger, die enttäuscht sind, weil Wahlversprechen nicht umgesetzt werden, zunehmend populistisch. Dadurch berücksichtigt sie die enge Verflechtung Italiens mit den Märkten und anderen Ländern nicht in ausreichendem Maße.

Sie hatte offenbar nicht mit den entsetzten Reaktionen von Banken, Europäischer Zentralbank und Finanzmärkten gerechnet. Nicht nur die Kurse der Bankenaktien waren massiv eingebrochen, sondern auch der Zinsabstand zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen hatte sich massiv ausgeweitet. Meloni musste zurückrudern. Nach hektischen Nachbesserungen wurde die Maßnahme schließlich de facto ausgehöhlt.

Doch das Kind war längst in den Brunnen gefallen. Der Vertrauensverlust ist enorm. Das Misstrauen der Märkte gegenüber Italien ist zurück. Rom wartet nun mit Bangen auf das Urteil der Rating-Agentur Moody’s am 17. November: Dort sind Italiens Staatsanleihen derzeit nur noch eine Stufe über dem Ramschanleihenniveau eingestuft.

Einmal mehr zeigt sich, wie dünn das Eis ist, auf dem sich Italien bewegt und wie schnell Vertrauen verspielt ist. Mit der Sondersteuer, so wie sie ursprünglich konzipiert war, bestand die Gefahr, dass die italienischen Banken ihre Kreditvergaben weiter einschränken, ihr Engagement in Staatsanleihen reduzieren und selbst das Vertrauen der Märkte in die inzwischen so stabilen Institute verloren geht. Die Banken in einer wirtschaftlich fragilen Lage mit Sondersteuern zu belasten, stieß auch vielen Investoren übel auf.

Auf das Wohlwollen Europas angewiesen

Meloni steuert bereits auf die nächsten Konflikt zu. Rom wehrt sich gegen die von Brüssel geplante Reform des Europäischen Stabilitätspakts und will keine bezifferbaren Verpflichtungen zum Defizitabbau akzeptieren. Außerdem fordert Italiens Regierung, Investitionen aus der Berechnung des Defizits auszuklammern. Sie fordert Zugeständnisse der europäischen Partner und droht, andernfalls die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) weiter zu blockieren.

Dabei ist Italien auf das Wohlwollen Brüssels und der EZB in Frankfurt angewiesen. Beide haben dem Land durch eine jahrelange Nullzinspolitik, Staatsanleiheaufkäufe und gigantische Mitteln aus dem Europäischen Wiederaufbauprogramm immer wieder unter die Arme gegriffen.

Sondersteuer auf Übergewinne

Schachzug
 Mit der Ankündigung, eine Sondersteuer auf Übergewinne der Banken einführen zu wollen, hatte Italiens Premierministerin Giorgia Meloni Anfang August Freund und Feind überrascht. Die Abgabe sollte sich an der Höhe des Zinsüberschusses orientieren und drei Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.

Reaktionen
 Doch nachdem Italiens Banken am Folgetag an der Börse zehn Milliarden Euro ihres Wertes verloren hatten und die internationale Finanzwelt sowie Investoren entsetzt reagierten, ruderte die Regierung zurück. Die Institute können nun alternativ ihre Kapitalreserven stärken.